Ein Buch mit sieben Siegeln

​Callolo und seine Herzallerliebste - Eine humorvolle Geschichte 

Ein Buch mit sieben Siegeln

Ich weiß jetzt gar nicht mehr genau, sind wir seit acht oder neun Jahren verheiratet? Aber eines weiß ich: Manchmal ist meine Herzallerliebste auch nach so langer Zeit für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Und dann gibt es wieder Tage, da ist sie mir so nah, dass kein Blatt Papier zwischen uns passt.

Okay, das hat Schröder auch mal gesagt über sich und Lafontaine, und danach trennten ganze Gebirge die beiden.

Aber bei uns ist es anders. Was uns manchmal trennt, ist unsere unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Kultur und vor allem der Glaube, wobei der meinige weniger ausgeprägt ist.

Nai ist offen für alle Geistergeschichten, für jeden Spuk und Firlefanz. Das führt immer wieder zu Problemen zwischen uns.

Ich darf zum Beispiel am Mittwoch nicht zum Friseur gehen. Es könnte Unglück bringen.

Ich darf auch ihr Essen nicht loben, weil die Geister, die das hören, neidisch werden und dafür sorgen würden, dass es mir nicht bekommt.

Beim Essen darf ich auch nicht gleichzeitig mit ihr aufhören, da wir sonst gemeinsam sterben müssten.

Ich darf obwohl ich das gerne täte im Haus nie flöten, weil das angeblich die bösen Geister anlockt.

Auch darf ich mir abends niemals die Fingernägel schneiden, weil ich mich sonst in einen bösen Menschen verwandeln würde.

Meine Herzallerliebste ist da unerbittlich. Und täglich erklärt sie mir neue Tabus.

Ich habe jetzt mal angefangen, neue Regeln aufzustellen, die ich ihr natürlich als von europäischen Geistern diktierte Regeln erkläre:

"Wer mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, wird im Armenhaus enden", sage ich, "und wer zu großen Wert auf sein Äußeres legt, den werden die Geister verunstalten."

Meine Herzallerliebste ist darüber sehr erschrocken.

"Stimmt das, Callolo?"

"Natürlich. Jede Form von Eitelkeit bestrafen unsere Geister mit Krankheit und Tod."

Klar, von diesem Stuss erhoffte ich mir eine Verringerung ihrer Ausgaben. Aber wahrscheinlich erfolglos, denn sie antwortete mir: "Callolo, von deinen Geistern habe ich bisher noch nichts bemerkt. Aber weißt du, warum meine Mutter mich immer davor gewarnt hat, beim Kochen zu singen, was ich gerne getan hätte?"

"Warum?"

"Sie sagte, ich würde dann einen um vieles älteren Ehemann bekommen. Und so ist es dann ja auch passiert."

"Schatz, wenn du lieber einen Jüngeren hättest, werde ich dir keine Steine in den Weg legen."

"Ach, Callolo, das war doch nur, das war doch nur, das.."

Und dann fliegt sie mir in die Arme und drückt sich so fest an mich, dass kein Blatt Papier mehr Platz hätte zwischen uns. Dann denke ich, wir kennen uns, als wären wir eins. Aber morgen früh beginnt wieder der Zweifel: Was denkt sie? Was glaubt sie? Was will sie?

Meine Herzallerliebste bleibt für mich ein Buch mit sieben Siegeln.

Callolo und seine Herzallerliebste und Angekommen in der Wirklichkeit

Callolo und seine Herzallerliebste

In 130 heiteren Kurzgeschichten hat Autor Carolus in zwei Büchern sich mit unterschiedlichen Erfahrungen, die sich aus dem Zusammenleben zwischen Thais und Farangs ergeben, verfasst. Die humorvollen Geschichten behandeln das Eheleben zwischen Nai und Callolo. Im Leben der beiden wird viel Toleranz abverlangt. Dass es trotzdem immer wieder ein Happy End geben kann, beweist der Autor, im ersten Buch, in vielen unerwarteten Entwicklungen. Im zweiten Werk hat der Autor seine „rosarote Brille“ abgenommen und erzählt auf ehrliche und gewohnt charmante Weise über Probleme und Schwierigkeiten, die in seiner nicht mehr ganz taufrischen Beziehung zu Nai entstehen.

Die beiden Taschenbücher können Sie im FARANG-Onlineshop bestellen.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Thomas Sylten 15.08.22 17:10
7 Siegel
Tja - wer kennt das nicht: Manchmal sieben Siegel - manchmal passt kein Blatt dazwischen. Einfach typisch für Beziehungen, würde ich sagen - übrigens nicht nur bei interkulturellen: War bei meiner (deutschen) Ex nicht anders..
Dracomir Pires 15.08.22 13:03
Komisch, ich bin seit ...
... viel mehr 9 Jahre mit meiner Thai zusammen. Sie erzählt mir nie etwas über Geister oder den Buddhismus. Sie lässt mich in Ruhe und ich sie. Wahrscheinlich funktioniert die Beziehung gerade deshalb.
Ralph von Mühldorfer 14.08.22 14:40
Ich mag diese Geschichten ...
Bin auch mit einer Thailänderin verheiratet. Besonders froh, bin ich immer wieder über Freundinnen von Ihr, die mit dem ein oder anderen Vorurteil aufräumen. Wenn ich eine andere Meinung habe, zählt das nicht so viel.
Hans-Dieter Volkmann 14.08.22 14:20
Ein Buch mit sieben Siegeln
Callolo und seine Herzallerliebste sind 8 bis 9 Jahre verheiratet. Wenn mir eine Thaifrau, mit all diesen Spuk und Geistergeschichten und ihrem Aberglauben täglich auf den Geist ginge, würde ich es mit Sicherheit kein einziges Jahr aushalten. Manchmal lese ich diese Geschichten. Aus Neugier. Kann sie aber nicht ernst nehmen. Meine Frau und ich, seit 26 Jahren verheiratet, haben mit Sicherheit auch unsere (hartnäckigen) kulturellen Probleme. Aber es geht nun mal nicht ohne persönliches Verständnis für den Partner, von beiden Seiten.
Volker Picard 14.08.22 10:40
In dieser völlig anderen Kultur
muß man sich daran gewöhnen (wenn man seine Partnerin wirklich liebt) auch diese zu akzeptieren und die "Gemeinsamkeiten" zu genießen. Das ist manchmal nicht leicht, aber gehört nun mal dazu, wirklich glücklich zu leben. Meine Anerkennung gilt dem Autor Carolus, der es bisher gut geschafft hat, auch in dieser völlig anderen Kultur überwiegend glücklich zu leben, leider gelingt das nicht zu vielen Menschen.