Ein Archiv der Natur in Schaukästen und digitalen Daten

Foto: Patrick Pleul/Dpa
Foto: Patrick Pleul/Dpa

MÜNCHEBERG (dpa) – In Müncheberg gibt es einen der größten Schätze deutscher Insektenkunde: Dort lagern 3,1 Millionen Sechsbeiner-Präparate in Schaukästen. Teilweise sind sie mehr als 100 Jahre alt, denn die Sammlung wurde bereits 1886 begonnen. Jetzt wird sie digitalisiert.

Der ostasiatische Sandlaufkäfer auf dem Bildschirm ist stark vergrößert. Gut zu erkennen ist dadurch seine prachtvolle Färbung in blaugrün. Das Fundstück ist Teil einer Sammlung, die nun digitalisiert werden soll. «Bei uns gibt es diese Käfer auch, allerdings überwiegend in Schwarz», sagt Insektenkundler Thomas Schmitt und präsentiert zum Beweis den entsprechenden Schaukasten mit Dutzenden Präparaten – auf Nadeln aufgespießt und säuberlich beschriftet. So wie der bunte Sandlaufkäfer werden auch andere Sechsbeiner derzeit von allen Seiten mit einer Spiegelreflexkamera fotografiert. 30 bis 40 digitale hochauflösende Einzelbilder entstehen pro Insekt.

«Unsere 2800 Käferarten sind das Pilotprojekt für die Digitalisierung der gesamten Insektensammlung», erzählt Schmitt, Direktor des Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg (Brandenburg). Insgesamt lagern bei 18 Grad und konstanter Luftfeuchte in den raumhohen Rollregalen unzählige Schaukästen mit etwa 3,1 Millionen Insekten von über 200.000 Arten aus der ganzen Welt. Ein wahres Archiv der Natur, wie es Schmitt nennt. «Die Präparate alle zu digitalisieren, würde rund 150 Jahre dauern. Deshalb konzentrieren wir uns auf die sogenannten Primärtypen, die eine Art genau beschreiben. Das allein sind auch schon 25.000 Exemplare», sagt er.

Die Digitalisierung soll die externe Nutzung der Sammlung erleichtern. Bisher mussten Präparate an Forscher oder für Ausstellungen langwierig per Post versandt werden. Künftig gibt es den Zugriff auf Dateien per Computer. Dass die Müncheberger Insektensammlung so umfangreich ist, liegt auch daran, dass sie bereits 1886 von einem privaten Sammler in Berlin begründet wurde. Die Sammlung durchlief mehrere Stationen und wurde schließlich ein Institut, das heute zur Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit Hauptsitz in Frankfurt am Main gehört.

Die Artenvielfalt von Insekten, ein aktuell heiß diskutiertes Thema, ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt der etwa 20 Entomologen (Insektenforschern) in Müncheberg. Der Rückgang sei alarmierend. «Wir können anhand unserer Sammlung, der darin enthaltenen Funddaten und Verbreitungskarten belegen, dass das Aussterben von Arten bereits in den 1950er Jahren durch die Industrialisierung der Landwirtschaft begann und sich seit den 1980er Jahren in Größenordnungen fortsetzt», erläutert der Institutsdirektor.

So gebe es genügend Material bereits ausgestorbener Arten. «Wir können nachweisen, dass es sie gab», sagt Schmitt und nennt als Beispiel den Lila Goldfalter, der einst in Brandenburg weit verbreitet war. Einen Artenreichtum an Schmetterlingen finde sich deutschlandweit nicht mehr.

«Wir brauchen intakte Lebensräume, wie noch an den Oderhängen zu finden. Blühstreifen direkt neben Äckern, auf denen Pestizide eingesetzt werden, bringen da nicht viel», macht er deutlich. «Institute wie das in Müncheberg leisten wertvolle Arbeit, um nachzuweisen, dass wir in unseren Bemühungen um die Artenvielfalt bei Insekten keine Panikmacher aus einem reinen Bauchgefühl heraus sind.

Die Müncheberger Insektensammlung wächst weiter, wie Institutsmitarbeiter Stephan Blank berichtet. «Wir schwärmen aus, sammeln weltweit, übernehmen auch Sammlungen von Privatleuten.» Zum Institut gehört auch eine umfangreiche Fachbibliothek, unter anderem mit 750 entomologischen Zeitschriften. Drei Zeitschriften gibt die Einrichtung selbst heraus, eine davon befasst sich ausschließlich mit Fliegen und Mücken.

«28 Mücken- und 89 Fliegenarten kommen in Deutschland vor», sagt Doreen Werner, Mückenexpertin im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg. Eine zurückreichende Sammlung dieser Arten gebe nicht. Seit 2012 wird ein digitaler Mückenatlas aufgebaut, vor allem anhand von Einsendungen aus der Bevölkerung. Werner und ihre Mitarbeiter bestimmen die eingesendeten Mücken. Die Präparate haben einen eigenen Bereich in der Sammlung des Deutschen Entomologischen Instituts.

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