Ehemaliger Vatikan-Finanzchef Pell wegen Missbrauchs schuldig

Foto: epa/Daniel Pockett
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MELBOURNE (dpa) - Als Finanzchef war der australische Kardinal Pell die Nummer drei im Vatikan. Jetzt ist der einstige Papst-Vertraute wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Dem 77-Jährigen drohen viele Jahre Haft.

Der ehemalige Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal George Pell, ist wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen worden. Der 77-Jährige wurde von einem Gericht in Melbourne für schuldig befunden, sich in den 1990er Jahren an zwei 13-jährigen Jungen vergangen zu haben. Damals war er Erzbischof der australischen Metropole. Die Höhe der Strafe muss noch festgelegt werden. Pell drohen insgesamt bis zu 50 Jahre Haft. Über seine Anwälte wies er am Dienstag nochmals alle Vorwürfe zurück.

Die Entscheidung des Gerichts gegen den Kurienkardinal erging bereits im Dezember, wurde bislang aber unter Verschluss gehalten. Wegen einer Anordnung des Gerichts durfte darüber nicht berichtet werden. Am Dienstag hob die Justiz diese Nachrichtensperre auf. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, in einem weiteren Prozess andere Vorwürfe zu verfolgen, die noch weiter zurückliegen.

Damit ist Pell nun der höchstrangige Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der jemals wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wird. Als Finanzchef war der Australier praktisch die Nummer drei des Vatikans. Pell gehörte auch zu den engsten Beratern von Papst Franziskus. Wegen der Vorwürfe hatte er sich im Sommer 2017 beurlauben lassen. Seither lebt er wieder in seiner Heimat Australien. Einen Nachfolger hat der Papst noch nicht ernannt.

Das Urteil durch ein Geschworenengericht stammt bereits vom 11. Dezember. Es erging einstimmig. Gegen Kaution ist Pell weiterhin auf freiem Fuß. An diesem Mittwoch muss er jedoch zu einem weiteren Termin vor Gericht. Dabei könnte seine Inhaftierung beschlossen werden. Die Verteidigung hat bereits Berufung eingelegt. Sein Anwalt Paul Galbally erklärte: «Kardinal Pell hat immer seine Unschuld beteuert. Das macht er auch weiterhin.» Darüber hinaus werde sein Mandat keine weiteren Erklärungen abgeben.

Gegen Pell gibt es bereits seit Jahren verschiedene Missbrauchsvorwürfe. Die Fälle, wegen denen er nun verurteilt wurde, reichen bis in die Jahre 1996/97 zurück. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er seinerzeit nach einem Sonntagsgottesdienst in der Kathedrale der australischen Stadt einen 13-jährigen Jungen zum Oral-Sex zwang und einen anderen ebenfalls sexuell belästigte. Einige Monate später bedrängte er demnach eines der beiden Kinder dann erneut.

Die Jungen waren damals Schüler des renommierten St Kevin’s College in Melbourne. Einer der beiden starb 2014 an einer Überdosis Heroin. Der andere ging nach vielen Jahren des Schweigens schließlich 2015 zur Polizei und sagte nun auch im Prozess aus. Zuvor war ein erstes Verfahren geplatzt, weil sich die Geschworenen nicht einigen konnten. Pell hatte die Entscheidung im Dezember ohne sichtliche Regung zur Kenntnis genommen. Selbst dazu geäußert hat er sich nie.

Ursprünglich hätte sich der Kardinal wegen anderer Vorwürfe, die bis in die 1970er Jahre weiter zurückreichen, einem weiteren Verfahren stellen sollen. Damit wurde bislang auch die Nachrichtensperre begründet. Die Justiz wollte damit verhindern, dass das zweite Verfahren beeinträchtigt wird. Die Beratungen über das genaue Strafmaß werden an diesem Mittwoch beginnen. Pell muss dazu persönlich erscheinen.

Die katholische Kirche steht wegen Missbrauchsvorwürfen in zahlreichen Ländern unter Druck. Zum Abschluss eines «Anti-Missbrauchs-Gipfels» im Vatikan hatte Papst Franziskus am Sonntag versprochen, dass solche Fälle nicht länger vertuscht werden. Konkrete Schritte, wie das erreicht werden soll, nannte er nicht.

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Ingo Kerp 27.02.19 11:43
Die Verurteilung von Pell ist ein Lichtblick für die beiden mißbrauchten Jungen, wenn man es so nennen darf. Sollten die restl. weltlichen Behoerden so reagieren wie Australien, dürften sich die Gefängnisse dieser Welt mit den "Schwarzkitteln" aber mächtig füllen. Zu wünschen wäre es.