Draghis Masterplan: Mit dem «Grünen Pass» zum Impfziel

Menschen versammeln sich während des Protests
Menschen versammeln sich während des Protests "no vax and no green pass" in Mailand. Foto: epa/Paolo Salmoirago

ROM: 2020 blickte die Welt geschockt auf das von Corona arg heimgesuchte Italien. Heute ist das Land mit seinen Maßnahmen ein Vorbild für viele. Draghi will den Masterplan vollenden mit einem historischen Gesetzesdekret, das es in sich hat.

Noch vor seiner großen Entscheidung im Kampf gegen die Corona-Krise bekam Mario Draghi ein Lob aus kundigem Mund. Anthony Fauci, der amerikanische Top-Virologe, nannte Italien in der Pandemie ein «Vorbild für die ganze Welt». Neidisch blickt der US-Wissenschaftler nach Rom. Dort wurde am Donnerstag die Marke von 75 Prozent der Menschen über zwölf Jahren erreicht, die durchgeimpft sind. Von solchen Zahlen sind die USA noch weit entfernt.

Auf dem bisherigen Erfolg aber will sich die Regierung in Rom nicht ausruhen - im Gegenteil: Während Fauci in der italienischen Botschaft in Washington sprach, beschlossen Ministerpräsident Draghi und sein Kabinett ein neues, einmaliges Dekret. Dieses soll der Masterplan werden für ein Ende der Pandemie in dem Land, das im Frühjahr 2020 noch so hart von der Corona-Katastrophe getroffen worden war.

Draghi und seine Vielparteienregierung weiteten den sogenannten Grünen Pass auf alle Bereiche des Berufslebens aus, auf die private Wirtschaft wie auch auf den öffentlichen Sektor. Nur wer ein gültiges Zertifikat vorweisen kann, geimpft, getestet oder genesen zu sein - in Deutschland bekannt als 3G-Regeln - darf zur Arbeit erscheinen. Man spricht vom «Super Green Pass» - und die Kritik an den einschneidenden Maßnahmen hielt sich überraschend in Grenzen.

«Wir machen jetzt nicht Halt», unterstrich der Regierungschef laut Medienberichten in der Kabinettsrunde. Mussten Italiener bislang schon in Innenbereichen von Restaurants, bei Inlandsflügen, in Museen oder in Schulräumen das Zertifikat vorweisen, so wird diese Pflicht nun auf die gesamte Berufswelt ausgeweitet. Nur Geimpfte, Getestete oder Genesene dürfen künftig etwa in Büros gehen, in Bars, Fabriken oder Werkstätten arbeiten, als private Haushaltshilfen beschäftigt werden, Leuten die Haare schneiden, Taxi fahren oder Babysitten.

Verstöße und Verweigerungen werden hart bestraft: Wer nicht zur Arbeit erscheint, weil er keine Grünen Pass hat, wird ohne Bezahlung freigestellt. Werden die Zertifikate nicht kontrolliert, drohen Bußgelder.

Das Ziel der Maßnahmen ab 15. Oktober ist klar: Noch mehr Leute zum Impfen bewegen! «Mit diesem Dekret verstärken wir noch einmal unsere Impfkampagne», sagte Gesundheitsminister Roberto Speranza. Bis Ende des Monats soll eine Impfbeteiligung von 80 Prozent erreicht werden. Dann, so wird betont, könnten parallel andere Einschränkungen wieder zurückgenommen werden, etwa Diskotheken und Clubs wieder geöffnet, Stadien für noch mehr Zuschauer geöffnet, die Maskenpflicht gelockert werden. «Dank dieses Grünen Passes können wir weiter öffnen», sagte Speranza.

Wären derartig umwälzende Maßnahmen in der Vergangenheit noch an den unterschiedlichen Standpunkten der Parteien - auch innerhalb der Regierungen - gescheitert, so brachte ein entschlossener Draghi seine Minister klar auf Linie. Im Kabinett hatten alle Ressortchefs der regierenden sechs Parteien einstimmig für die neuen Regeln votiert.

Kritik ließ und lässt Draghi an sich abperlen. Die Gewerkschaften hatten am Vortag des Minister-Votums noch wenigstens kostenlose Tests für impfunwillige Angestellte gefordert. Man dürfe nicht bezahlen müssen, um arbeiten zu gehen, hatte es geheißen. Draghi aber lehnte ab. «Impfen kostet nichts», sagte sein Arbeitsminister Andrea Orlando dazu der Tageszeitung «La Repubblica» am Freitag.

Eine Impfpflicht wird in Italien seit Monaten diskutiert, einige Politiker sind dafür. Für Kritiker ist der neue Grüne Pass nun genau diese Maßnahme durch die Hintertür. Giorgia Meloni von den rechtsnationalen Fratelli d'Italia, der größten Oppositionspartei im Parlament, kritisierte die «drastische Entscheidung, die die Impfpflicht einführt, ohne den Mut zu haben, das auch so zu sagen».

Meloni setzt als Hoffnungsträgerin der Rechten darauf, mithilfe der Corona-Skeptiker und Impf-Gegner bei den Kommunalwahlen im Oktober zu siegen. Lega-Chef Matteo Salvini stolpert indes über seine Doppelrolle, einerseits zur Regierung zu gehören, andererseits als Wahlkämpfer und Populist gegen den Grünen Pass wettern zu müssen.

Sollte Draghis Masterplan aufgehen und sich von den noch verbliebenen vier Millionen nicht geimpften Beschäftigten die meisten für eine Impfung entscheiden, dann bliebe nicht mehr viel übrig zum Kritisieren an der Corona-Politik dieser Regierung. Und dann dürfte das Lob auf der Welt - nicht nur von Anthony Fauci - noch mal größer werden.

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