Doppelstrategie gegen die transatlantische Depression

Deutschlands Außenminister Heiko Maas (l.) beim Treffen mit US-Außenminister Mike Pompeo (r.) am Mittwoch in Washington. Foto: epa/Michael Reynolds
Deutschlands Außenminister Heiko Maas (l.) beim Treffen mit US-Außenminister Mike Pompeo (r.) am Mittwoch in Washington. Foto: epa/Michael Reynolds

WASHINGTON (dpa) - Wie soll man nur mit diesem Trump umgehen? Die deutsche Politik sucht seit 20 Monaten nach einem Rezept. Außenminister Maas versucht es jetzt mit einem doppelten Ansatz. Er will Gegenspieler und Partner zugleich sein. Kann das funktionieren?

In Los Angeles legen die deutschen DJs Hell und Koze auf. In Washington tanzt die Berliner Breakdance-Gruppe «Flying Steps» am Lincoln-Memorial zur Musik von Johann-Sebastian Bach. An der renommierten Harvard-Universität in Boston diskutieren Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Im Monument Valley, dem kargen Nationalpark mit seinen berühmten Tafelfelsen im Bundesstaat Utah, balancieren Seiltanz-Künstler zwischen zwei Heißluftballons. Und in Indianapolis wird bei einem großen Volksfest zwei Tage lang durchgefeiert - alles für die deutsch-amerikanische Freundschaft.

Das Programm der nächsten sieben Tage ist nur der Auftakt einer Serie von mehr als 1000 Veranstaltungen und 300 Projekten, mit denen die Verbindungen zwischen Deutschland und den USA jenseits der Regierungspolitik gestärkt werden sollen. Das Deutschlandjahr in den USA, zu dessen Eröffnung am Mittwoch Außenminister Heiko Maas eigens nach Washington gereist ist, hat es in dieser Form und in diesem Umfang noch nicht gegeben. Das Motto: «Wunderbar together».

Wunderbar zusammen? Zu den Schlagzeilen der letzten Monate über den Zustand der deutsch-amerikanischen Beziehungen passt das nicht so ganz: Der Westen sei am Ende, hieß es da, die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt, die transatlantische Wertegemeinschaft am Abgrund.

US-Präsident Donald Trump, dessen Großvater im pfälzischen Kallstadt geboren ist, hat die Beziehungen zu Deutschland in eine tiefe Depression gestürzt. Bezeichnend war seine Rede vor der UN-Vollversammlung, in der er vergangene Woche Deutschland in eine Reihe mit unfreundlich gesinnten Staaten wie Russland, China, Nordkorea oder dem Iran rückte.

Im Publikum saß Heiko Maas mit seiner Delegation. Auf Fernsehbildern sieht man, wie er während der Rede ungläubig lächelt, die Stirn runzelt und den Kopf schüttelt. Drei Tage später stand der Außenminister in New York selbst am Rednerpult. Er attackierte Trump zwar nicht frontal. Aber er warb eindringlich für internationale Zusammenarbeit statt nationaler Alleingänge. Trumps «America first» setzte er ein «Together first» entgegen. Gemeinsam zuerst.

In seiner Skizze für ein neues Transatlantik-Konzept, die er Mitte August ohne Abstimmung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) präsentierte, wurde er deutlicher. Deutschland solle zu den USA «ein Gegengewicht bilden, wo rote Linien überschritten werden», schrieb er. Gemeint ist damit vor allem die Sanktions- und Handelspolitik. Da kann die EU dagegenhalten, auf Augenhöhe. «Wir Europäer dürfen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und warten, was am nächsten Tag getweetet wird», sagte Maas kürzlich der dpa.

Der Außenminister weiß aber auch, dass man in anderen Bereichen auf die Amerikaner angewiesen ist. In der Nato beispielsweise, oder bei der Lösung internationaler Krisen. Deswegen schlägt er bei seinem Besuch in Washington auch deutlich sanftere Töne an, als in New York oder in seinem Transatlantik-Konzept.

Nach seinem 30-minütigen Treffen mit Außenminister Mike Pompeo stellt er in einem kurzen Statement die Gemeinsamkeiten heraus. Für den Fall einer Großoffensive auf das syrische Idlib bietet er humanitäre Hilfe an - wenn auch keine militärische, die sich die Amerikaner für den Fall eines syrischen Chemiewaffenangriffs wünschen. Selbst in den Streit um das Atomabkommen mit dem Iran, in dem sich USA und EU unversöhnlich gegenüber stehen, versucht Maas einen positiven Zungenschlag zu bekommen. «Letztlich verfolgen wir die gleichen Ziele gegenüber dem Iran», sagt er. Gemeint ist die Verhinderung einer iranischen Atombombe und die Eindämmung der Einmischung Teherans in praktisch jeden Konflikt im Nahen Osten.

Unter dem Strich spricht der Außenminister von einem «sehr konstruktiven Gespräch». Erst vor wenigen Tagen hatte er sich noch über mangelnde Informationspolitik der USA beklagt: «Wir erfahren von einigen Entscheidungen über Twitter», sagte er in einem dpa-Interview.

Das passt zu der Doppelstrategie, die der Außenminister gegenüber den USA verfolgt. Er will Gegenspieler und Partner Trumps zugleich sein. Kann das funktionieren? Beim Koalitionspartner Union gibt es Viele, die seinen Transatlantik-Ansatz sehr skeptisch sehen. Als Maas am Dienstagabend in Washington landet, fliegt gerade einer ab, den man zu diesen Skeptikern zählen kann: Jens Spahn, Gesundheitsminister, eingefleischter Transatlantiker und guter Freund des umstrittenen US-Botschafters Richard Grenell, Trumps Statthalter in Berlin.

Es ist wohl kein Zufall, dass der aufstrebende CDU-Politiker sogar einen Termin im Weißen Haus bekam, bei Trumps Sicherheitsberater John Bolton. Spahn ist jemand, der den Kern der transatlantischen Beziehungen für so stark hält, dass es keine neuen Konzepte braucht, um die Ära Trump zu überbrücken. «Diese transatlantischen Beziehungen sind größer als die Frage, was getwittert wird», sagt er.

Einig ist er sich mit Maas aber darin, dass man nun die natürlichen Verbindungen zwischen Deutschland und den USA nutzen sollte. Schließlich gibt jeder siebte US-Amerikaner an, deutscher Abstammung zu sein. Es gibt mehr als 200 Partnerschaften zwischen deutschen und amerikanischen Städten und die USA sind weiterhin das mit Abstand beliebteste Ziel deutscher Austauschschüler. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Als Spahn am Montag das US-Veteranen-Ministerium besuchte, traf er gleich auf mehrere ehemalige Soldaten, die ihm ihre ganz persönliche Deutschland-Geschichte erzählen wollten. Die Zahl derer, die seit dem Zweiten Weltkrieg irgendwann einmal in Deutschland stationiert waren, ist inzwischen auf eine beeindruckende Zahl angewachsen: 17 Millionen.

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