Politik-Gipfel erlaubt Neustart der Bundesliga

Der offizielle Derbystar-Spielball der Bundesliga, der während einer Trainingseinheit des deutschen Bundesligisten Bayern München auf dem Vereinsgelände in München ausgestellt wurde. Foto: epa/Lukas Barth-tuttas
Der offizielle Derbystar-Spielball der Bundesliga, der während einer Trainingseinheit des deutschen Bundesligisten Bayern München auf dem Vereinsgelände in München ausgestellt wurde. Foto: epa/Lukas Barth-tuttas

BERLIN: Der Fußball darf ab Mitte Mai den Spielbetrieb in der 1. und 2. Bundesliga wieder aufnehmen. Nach den Ministerpräsidenten hat auch Kanzlerin Merkel die Freigabe für die Fortsetzung der im März ausgesetzten Saison erteilt.

Angela Merkel verkündete die erlösende Nachricht für den deutschen Profifußball fast beiläufig. Man habe beim Politik-Gipfel mit den Ministerpräsidenten auch über die 1. und 2. Bundesliga gesprochen, «die den Spielbetrieb ab der zweiten Maihälfte wieder führen darf», sagte die Bundeskanzlerin am Mittwoch nach der rund viereinhalbstündigen Video-Schalte ohne viel Pathos.

Damit dürfte der Ball in der 1. und 2. Bundesliga schon am Wochenende vom 15. bis 17. Mai wieder rollen - neun Wochen nach der Aussetzung der Saison wegen der Corona-Krise. «Wir wissen auch, dass das sehr kontrovers ist. Ich halte diesen Kompromiss für mehr als vertretbar», sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.

Die Entscheidung der Politik für Geisterspiele sorgte in der Milliarden-Branche für große Erleichterung. Dies sei «eine gute Nachricht», sagte DFL-Boss Christian Seifert. «Spiele ohne Stadion-Zuschauer sind für niemanden eine ideale Lösung. Es ist in einer für einige Clubs existenzbedrohenden Krise allerdings die einzige Möglichkeit, den Fortbestand der Ligen in ihrer jetzigen Form zu bewahren.»

Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sprach im TV-Sender Sky von einem «Glückstag für den Fußball». Mit der Fortsetzung der Saison sei gewährleistet, «dass die sportlichen Entscheidungen auf dem Platz und nicht am grünen Tisch fallen». Man sollte anstreben, «so zügig wie möglich in den Spielbetrieb zurückzukommen», sagte Rummenigge.

Dagegen äußerten nach dpa-Informationen die Länderchefs von Bremen, Andreas Bovenschulte (SPD), und Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), in der kontroversen Diskussion starke Vorbehalte. Beide fürchten aufgrund der bisher in den Bundesländern sehr unterschiedlichen Trainingsmöglichkeiten um die Chancengleichheit ihrer Vereine Werder Bremen und FSV Mainz 05 und plädieren für einen Re-Start eine Woche später.

Bei dem Thema sei es «ordentlich zur Sache» gegangen, bestätigte Bovenschulte. Seiner Ansicht nach sei der 15. Mai als Starttermin weder aus gesundheitlicher noch aus arbeitsschutzrechlicher Sicht sinnvoll. Die Mehrheit der Vereine und auch die Deutsche Fußball Liga wollen die Rückkehr auf den Rasen dagegen so schnell wie möglich bewerkstelligen. «Es gibt keinen Grund dafür, länger zu warten», sagte RB Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff.

Die DFL kann nun bestimmen, wann es exakt losgeht. Dies soll auf der Mitgliederversammlung mit den 36 Vereinen am Donnerstag ebenso diskutiert werden wie der genaue Spielplan für die ausstehenden 163 Spiele ohne Publikum in beiden Ligen. Sollte die Bundesligasaison chronologisch mit dem 26. Spieltag fortgesetzt werden, stünde zu Beginn unter anderem das Revierderby Borussia Dortmund gegen Schalke 04 auf dem Programm.

Dem Bundesliga-Neustart vorweggehen muss eine Quarantänemaßnahme bei allen Vereinen, gegebenenfalls in Form eines Trainingslagers. Diese im DFL-Konzept festgeschriebene Maßnahme machte die Politik ebenso zur Bedingung wie die strikte Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen. Diese könnten auch als Blaupause für die andere Ligen dienen. Der Deutsche Fußball-Bund wurde gebeten, für diese tragfähige Zukunftskonzepte zu entwickeln.

Von der Bundesliga erwartet die Politik eine Vorbildrolle. Nach dem Skandal-Video des umgehend suspendierten Hertha-Stürmers Salomon Kalou schrieb Söder der Milliarden-Branche nachdrücklich ins Stammbuch, sich keine weiteren Verfehlungen zu leisten. «Es haben sich nicht nur normale Menschen an Hygienemaßnahmen zu halten, sondern auch diejenigen, die sehr, sehr viel verdienen und ein Privileg haben», sagte Söder. Spieler, die sich unvernünftig verhielten, müssten mit Konsequenzen rechnen.

Kalou hatte am Montag Szenen aus der Umkleidekabine der Berliner mit seinem Handy gefilmt und bei Facebook live verbreitet, auf denen zu sehen war, wie er vielen Teamkollegen die Hand gab. In solchen Fällen sei «ein klares Durchgreifen» der DFL und der einzelnen Teams «ganz, ganz wichtig», betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im ZDF-«Morgenmagazin».

Nationaltorwart Manuel Neuer richtete einen eindringlichen Appell an alle Profis. «Wir tragen ebenso Verantwortung für alle Vereine, die inzwischen zu Wirtschaftsunternehmen mit vielen tausend Angestellten gewachsen sind. Und wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass es die Bundesliga in dieser Form, wie wir sie kennen, bei einem Abbruch der Saison nicht mehr geben wird», sagte der 34 Jahre alte DFB-Kapitän in einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Mittwoch). Der Neustart sei ein Bonus. «Darin liegt eine enorme Verantwortung für uns, der wir uns mit jeder Faser bewusst sein müssen», mahnte Neuer.

Die DFL hatte von einer Taskforce unter Leitung von DFB-Chefmediziner Tim Meyer ein umfassendes Hygiene- und Sicherheitskonzept vorgelegt, um die Ansteckungsgefahr unter Spielern und Betreuern zu minimieren. In einer ersten Testreihe hatte es bei 1724 Proben in der 1. und 2. Liga zehn Corona-Fälle gegeben.

Dennoch sieht die Politik keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebes und rückte auch von der zunächst geplanten Forderung einer zweiwöchigen Quarantäne für die Vereine ab. «Dass dort regelmäßig getestet wird, ist natürlich eine andere Situation, als wenn jemand nur einmal am Anfang und am Ende einer Quarantäne getestet wird. Das ist der Hintergrund», begründete Bundeskanzlerin Merkel (CDU) das Zugeständnis.

Für die Liga ist die Fortsetzung der Saison von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, weil viele Vereine durch fehlende Einnahmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten oder schon sind. Mit der Aufnahme des Spielbetriebes sind nun zumindest die TV-Millionen gesichert.

Unklar ist noch, wie die Liga mit den Liveübertragungen der Freitagsspiele umgeht, nachdem mit dem Rechteinhaber Eurosport keine Einigung über die Zahlung der letzten Saison-Tranche aus dem TV-Vertrag erzielt wurde und der Spartensender wohl seinen Vertrag kündigen will.

Reaktionen zur Entscheidung für eine Fortsetzung der Bundesliga

Ministerpräsident Markus Söder (Bayern): «Wir haben uns auch beim Fußball geeinigt. Wir wissen auch, dass das sehr kontrovers ist. Ich halte diesen Kompromiss für mehr als vertretbar. Ich kann nur appellieren: Es sollten auch Spieler, die sich unvernünftig verhalten, mit Konsequenzen rechnen müssen. Es war von dem einen Spieler von Hertha BSC schon ein schweres Eigentor. Es haben sich alle an Hygienemaßnahmen zu halten.»

Bürgermeister Peter Tschentscher (Hamburg): «Der Beschluss zur Bundesliga ist einstimmig und einvernehmlich getroffen worden. Uns war wichtig, dass wir den Amateursport nicht vergessen.»

Präsident Fritz Keller (Deutscher Fußball-Bund): «Die Entscheidung ist ein Vertrauensbeweis der Gesundheitsbehörden und der Politik, für den wir dankbar sind. Es ist ein erster Schritt, Sport wieder sichtbar stattfinden zu lassen, der Hoffnung darauf macht, dass der Fußball sukzessive wieder in den Alltag der Menschen zurückkehrt, wenngleich zunächst via Fernsehübertragungen in die Wohnzimmer.»

Bundestrainer Joachim Löw: «Als Bundestrainer freue ich mich natürlich, wenn unsere Nationalspieler wieder in einen Wettkampfmodus kommen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn auch unser Blick ist nach vorn gerichtet auf die Planungen der Nationalmannschaft nach der Corona-Krise.»

Generalsekretär Friedrich Curtius (Deutscher Fußball-Bund): «Unser Konzept findet international großen Anklang, hierzu stehen wir auch bereits mit der UEFA und anderen Nationalverbänden im Austausch. Gerne wollen wir unsere Erkenntnisse und Erfahrungen international teilen. Eine Entscheidung im sportlichen Wettstreit auf dem grünen Rasen herzustellen, ist immer besser als am grünen Tisch.»

Direktor Oliver Bierhoff (Deutscher Fußball-Bund): «Auch aus Gesprächen mit unseren Nationalspielern, die im Ausland spielen, weiß ich, mit wie viel Aufmerksamkeit und Anerkennung dort diese Entscheidung verfolgt wird. Der deutsche Fußball und die Bundesliga übernehmen hier eine Vorreiterrolle, aus der sich auch mit Blick auf die Ausrichtung möglicher Länderspiele, die wir uns alle in der zweiten Jahreshälfte wünschen, wichtige Impulse ergeben können.»

Geschäftsführer Christian Seifert (Deutsche Fußball Liga): «Die heutige Entscheidung ist eine gute Nachricht für die Bundesliga und die 2. Bundesliga. Sie ist verbunden mit einer großen Verantwortung für die Clubs und ihre Angestellten, die medizinischen und organisatorischen Vorgaben diszipliniert umzusetzen. Spiele ohne Stadion-Zuschauer sind für niemanden eine ideale Lösung. Es ist in einer für einige Clubs existenzbedrohenden Krise allerdings die einzige Möglichkeit, den Fortbestand der Ligen in ihrer jetzigen Form zu bewahren.»

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund): «Die Bundesliga so lange ruhen zu lassen, bis wieder Zuschauer in die Stadien dürfen, wäre für die Vereine wirtschaftlich allerdings nicht durchzuhalten gewesen. Wir werden - im Wissen darum, dass es keine Garantien gibt - alles versuchen, um eine möglichst hohe Sicherheit zu gewährleisten, dass es zu keinen neuen Infektionen bei Spielern und deren Familien kommt.»

Geschäftsführer Oliver Mintzlaff (RB Leipzig): «Es gibt keinen Grund dafür, länger zu warten. Ich gehe da auch nicht von einer großen Diskussion in der Mitgliederversammlung aus. Wir sollten am 15. Mai starten. Wir haben alle Vorkehrungen getroffen. Die Spieler sind heiß darauf, dass es wieder losgeht.»

Sportvorstand Fredi Bobic (Eintracht Frankfurt): «Nicht zuletzt mit Blick auf das öffentliche Leben sind wir die ersten, die die Situation unter medizinischen Gesichtspunkten absolut sauber gestalten, um in Zeiten dieses Virus unserem Beruf nachgehen zu können. Die Entscheidung führt dazu, dass wir endlich wieder Fußball schauen und die Jungs von der Leine lassen können. Sie können es kaum erwarten, das Mannschaftstraining aufzunehmen und Spiele zu bestreiten.»

Geschäftsführer Jörg Schmadtke (VfL Wolfsburg): «Wir sind sehr froh, dass die Bundesliga den Spielbetrieb wieder aufnehmen kann. Das sichert den Vereinen den wirtschaftlichen Betrieb und bringt den Menschen in diesen schwierigen Zeiten ein wenig Ablenkung von den Alltagssorgen und etwas Unterhaltung.»

Manager Michael Preetz (Hertha BSC): ««Das ist eine gute Nachricht für die Bundesliga. Die Entscheidung der Regierung beinhalte einen großen Vertrauensvorschuss und fußt auf einem von der DFL ausgearbeiteten sehr guten Konzept.»

Geschäftsführer Fabian Wohlgemuth (SC Paderborn): «Wir freuen uns sehr über die Entscheidung der Politik, den Wiedereinstieg in den Spielbetrieb der Bundesliga und der 2. Bundesliga zu ermöglichen. Nun ist es die zentrale Aufgabe, das Infektionsrisiko innerhalb und außerhalb unseres Trainingszentrums so gering wie möglich zu halten.»

Vorstandsvorsitzender Thomas Hitzlsperger (VfB Stuttgart): «Wir haben immer betont, welche Bedeutung die Fortsetzung der Saison für den Fußball hat. Dementsprechend froh sind wir über die getroffene Entscheidung. Gleichzeitig wissen wir, welche Verantwortung mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs einhergeht. Dieser Verantwortung wollen und werden wir gerecht werden und weiterhin sehr genau auf die Einhaltung der vorgegebenen Richtlinien achten.»

Präsident Oke Göttlich (FC St. Pauli): «Allen muss klar sein, dass dieser Re-Start auch der unbedingte Anstoß einer Debatte über die Neuausrichtung des systematisch aus dem Ruder gelaufenen Profi-Fußballs sein muss. Spiele ohne Fans bieten in allen Facetten ein gruseliges Bild, was wir alle im puren Marktglauben aus diesem Spiel gemacht haben.»

Sportgeschäftsführer Ralf Minge (Dynamo Dresden): «Wir werden uns mit dieser Entscheidung anfreunden müssen, denn es gibt derzeit keine mehrheitsfähige Alternative zu Geisterspielen unter den Clubvertretern. Wir sind als Verein Geisterspiel erprobt und können deshalb sagen: Was da in den kommenden Wochen auf uns wartet, wird nicht annähernd die Faszination des Fußballs entfalten können, die wir an diesem Sport so lieben.»

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