Die «Unwörter» der vergangenen zehn Jahre

Im Schaufenster eines Modehauses ist ein Plakat mit der Aufschrift
Im Schaufenster eines Modehauses ist ein Plakat mit der Aufschrift "Stoppt die Abschottung - mehr finanzielle Hilfe" zu sehen. Foto: epa/Sascha Steinbach

DARMSTADT: Das «Unwort des Jahres» soll in Deutschland aktuelle Diskussionen abbilden und gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen. Gekürt wird es seit 1991. Hier die Unwörter der vergangenen zehn Jahre:

2020 - Erstmals gibt es ein «Unwort-Paar des Jahres». Die Jury wählt «Corona-Diktatur» und «Rückführungspatenschaften». «Corona-Diktatur» sei ein Begriff von sogenannten Querdenkern und rechten Propagandisten, um die Politik zur Eindämmung der Pandemie zu diskreditieren. «Rückführungspatenschaften» sei zynisch und beschönigend. Mit Rückführung sei nichts anderes gemeint als Abschiebung und die Patenschaft sei ein eigentlich positiv besetzter Begriff.

2019 - «Klimahysterie»: Mit dem Wort werden nach Auffassung der Jury Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und wichtige Debatten zum Klimaschutz diskreditiert.

2018 - «Anti-Abschiebe-Industrie»: Der Begriff verhöhnt aus Sicht der Jury geltendes Recht. Er zeige auch, wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben habe.

2017 - «Alternative Fakten»: Mit dem Begriff sollen aus Sicht der Jury Falschbehauptungen politisch salonfähig gemacht werden.

2016 - «Volksverräter»: Das Wort sei ein «Erbe von Diktaturen» unter anderem der Nationalsozialisten.

2015 - «Gutmensch»: Der Vorwurf diffamiere Hilfsbereitschaft und Toleranz pauschal als naiv und dumm, begründet die «Unwort»-Jury.

2014 - «Lügenpresse»: Diese pauschale Verurteilung «verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit», so die Jury.

2013 - «Sozialtourismus»: Der Ausdruck diskriminiert laut Jury Menschen, «die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu».

2012 - «Opfer-Abo»: Die «Unwort»-Jury kritisiert, der Begriff stelle Frauen pauschal unter den Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und damit selbst Täterinnen zu sein. Wetter-Unternehmer Jörg Kachelmann hatte die Wortschöpfung, die seine Frau Miriam erfunden habe, unter anderem in einem «Spiegel»-Interview verwendet. Darin ergänzte er: «Frauen sind immer Opfer, selbst wenn sie Täterinnen wurden.»

2011 - «Döner-Morde»: Dieser Begriff ist für die Mordserie der rechtsextremistischen NSU-Terroristen verwendet worden. Mit der «sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung» würden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt, erklärt die Jury.

Dem NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) werden zehn Morde, zwei Bombenanschläge und etliche Raubüberfälle angelastet. Bei der Explosion in Köln 2004 wurden 22 Menschen verletzt. Der NSU flog 2011 auf. Der Prozess dauerte von 2013 bis 2018, die Hauptangeklagte Beate Zschäpe erhielt lebenslänglich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Leserkommentare

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Bernd Wendland 13.01.21 18:54
Ironie, verlass mich nie!
Mit Erstaunen las ich soeben die Unwörter der letzten zehn Jahre, wurde mir doch erstmals bewusst, dass die diesbezügliche Auswahlkommission vermutlich komplett aus Vertretern des politisch rot-grünen Lagers besteht. Was ich bei den selbsternannten Sprachforschern besonders vermisse, ist der Sinn für Humor und Ironie sowie für das geschickte Spiel mit dem Wort, weshalb sie sich über einen Begriff wie "Gutmensch" derart echauffieren können. Mit Verwunderung stellte ich zudem fest, dass der "Farang" an keiner Stelle vermerkt hat, wie der Verein mit Namen heißt, dem wir die Unwörter zu verdanken haben, was (ungewollt?) suggeriert, dass nicht nur innerhalb dieses kleinen Vereins selbsternannter Sprachkundiger, sondern innerhalb unserer Gesellschaft ein kompletter Konsens darüber besteht, welche Wörter als Unwörter infrage kommen. Fragte man konservative Kreise nach missliebigen Begriffen, wären die Ergebnisse vermutlich ganz andere. Da die Etymologie der deutschen Sprache ein Steckenpferd von mir ist und ich u.a. als Sachbuchautor und Lektor tätig war, hatte ich schon erwogen, Mitglied dieses Vereins zu werden. Allein mir ist durch Ihren Beitrag über die Unwörter dankenswerterweise klar geworden, dass ich von dieser Absicht Abstand nehmen werde, zumal es auch andere einschlägige Vereine zum Schutze unserer Sprache gibt. Wie wird wohl das Unwort des Jahres 2021 lauten? Ein passendes Wort wäre zur Freude aller "Grün- und Link:innen" vermutlich der "Genderwahn".