Die Suche nach dem Super-Kandidaten

Wer tritt 2020 gegen Trump an?

Foto: epa/Jim Lo Scalzo
Foto: epa/Jim Lo Scalzo

NORTH CHARLESTON/WASHINGTON (dpa) - Es ist noch lange hin bis zur US-Präsidentschaftswahl 2020. Doch bei den Demokraten hat das Rennen längst begonnen. Das Bewerberfeld ist diesmal übergroß. Einer will es noch mal wissen: Bernie Sanders. Aber ist er der richtige Kandidat oder ist es Zeit für ein neues Gesicht?

Bernie Sanders hat sich eine schnöde Turnhalle ausgesucht für seinen Auftritt in South Carolina. Die Basketballkörbe sind an die Decke geklappt. Ein paar große Banner hängen an den Wänden, dazu ein kleines Podium für Sanders. Die Leute wedeln mit «Bernie»-Plakaten. Aber es gibt keine große Show, keine schicke Dekoration, keinen Schnickschnack. Sanders ist eher der minimalistische Typ - zumindest was Äußerlichkeiten angeht.

Bei den Inhalten dagegen mag Sanders es bunt und leidenschaftlich. «Brüder und Schwestern», ruft der unabhängige Senator aus Vermont, als er ans Mikro tritt, «willkommen bei der politischen Revolution!» Die Turnhalle tobt. Sanders will bei der Präsidentschaftswahl 2020 für die Demokraten gegen Donald Trump antreten. Aber er ist längst nicht der Einzige. Mehr als ein Dutzend Bewerber gibt es, und sie alle tingeln nun quer durchs Land, um Unterstützung für die parteiinternen Vorwahlen zu sammeln. Die beginnen zwar erst in etwa einem Jahr. Doch die Konkurrenz ist diesmal übergroß.

Bei Sanders im Publikum sind an diesem Abend viele junge Leute: Schüler und Studenten, manche mit bunten Haaren oder Regenbogen-Stirnbändern. Sie jubeln ihm zu, johlen «Bernie, Bernie», während der 77-Jährige auf seinem kleinen Podium eine Stunde lang die große Ungleichheit und Ungerechtigkeit im Land anprangert.

Sanders spricht von Werten und Würde, von Einigkeit und Respekt. Krankenversicherung für alle, Gebührenfreiheit an Hochschulen, ein höherer Mindestlohn, bezahlbare Mieten, höhere Abgaben für die Super-Reichen im Land - das sind seine Themen. Er trägt sie ernsthaft und fokussiert vor, ohne Späße oder Sprücheklopferei. Seine Gegner nennen das Tiraden eines «wütenden alten Mannes», seine Unterstützer nennen es aufrichtiges Brennen für diese Themen. Seine Fans schwärmen, Sanders sei geradlinig und authentisch, er vertrete diese Positionen seit Jahrzehnten, während andere diese nun bloß kopierten.

Sanders nennt sich selbst seit vielen Jahren einen «demokratischen Sozialisten» - ein Begriff, den Trump mit aller Macht versucht, gegen die Demokraten zu verwenden. Ob das verfängt, muss sich zeigen. 2016 hat Sanders schon einmal versucht, Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden, er unterlag damals Hillary Clinton. Doch Sanders hat bleibenden Eindruck hinterlassen und die Demokratische Partei nach links gerückt mit seinen Ideen.

2016 kam Sanders bei Afroamerikanern nicht übermäßig gut an. Deshalb ist er nun sehr früh in South Carolina unterwegs - einem Bundesstaat, in dem die afroamerikanische Wählerschaft groß ist und die Vorwahlen früh anstehen. Aus Sanders' Team heißt es, seine Umfragewerte unter Afroamerikanern seien nun deutlich besser. In der Turnhalle in North Charleston zumindest ist Sanders' Publikum zum großen Teil aber weiß.

Für die Demokraten spielen afroamerikanische Wähler eine große Rolle. Mancher Parteistratege hält South Carolina für den Schlüsselstaat im internen Vorentscheid für die Präsidentschaftswahl. Kamala Harris war kürzlich schon hier, in derselben Turnhalle wie Sanders.

Die 54-Jährige sitzt wie er im Senat. Sie hat jamaikanisch-indische Wurzeln. Ihr wird daher zugetraut, besonders gut afroamerikanische Wähler mobilisieren zu können. Harris hat ein ganz anderes Auftreten als Sanders: weniger revoluzzerhaft, moderater, gesetzter. Ihre Auftritte sind durchchoreografiert, sie strahlt viel und setzt auf Menschelndes. Harris kommt aus Kalifornien, war dort früher Staatsanwältin. Ihre Gegner versuchen, diese Law-and-Order-Vergangenheit gegen sie zu verwenden.

Unter den bisherigen demokratischen Bewerbern liegt Sanders in ersten Umfragen klar vorne, gefolgt von Harris - allerdings mit einigem Abstand. Sie ist weniger bekannt als er. Die frühen Befragungen sagen noch nicht sehr viel über das eigentliche Rennen in einem Jahr, aber sie sind trotzdem eine interessante Momentaufnahme.

Das Feld der demokratischen Bewerber ist diesmal so groß und so bunt wie selten. 15 Anwärter gibt es bisher. Manche sind eher links aufgestellt, andere eher mittig. Neben Sanders und Harris sind weitere Senatoren dabei, darunter Elizabeth Warren und Cory Booker. Warren ist 69 und hat wie Sanders eher eine linke Agenda. Sie wirkt aber blasser als er.

Booker ist 49 und gehört zur jüngeren Garde - ebenso wie der Texaner Beto O'Rourke (46). Die beiden sind moderner, teils unkonventionell in ihrem politischen Stil, aktiv in sozialen Medien. Gerade O'Rourke machte im vergangenen Jahr im Wahlkampf gegen den Republikaner Ted Cruz um einen Senatssitz viele Schlagzeilen. Booker und O'Rourke haben dafür weniger politische Erfahrung. In den bisherigen Umfragen liegen sie weit abgeschlagen hinter Sanders.

Wer dort allerdings noch besser abschneidet als Sanders, ist jemand, der noch gar nicht offiziell ins Rennen eingestiegen ist: der frühere US-Vizepräsident Joe Biden. Seit Monaten gibt es Spekulationen über eine Kandidatur Bidens, die er am Samstagabend ein weiteres Mal anheizte. Bei einem Abendessen sagte Biden: «Ich habe die progressivste Bilanz von allen, die kandidieren für die...». Als Jubel unter seinen Anhängern aufbrandete, hielt der 76-Jährige inne und korrigierte sich: «Von allen, die kandidieren würden.» Beobachter rechnen fest damit, dass Biden antreten wird.

Biden ist wie Sanders seit Jahrzehnten im politischen Geschäft. Von 2009 bis 2017 war er Vize des damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Biden ist bekannt und beliebt, verkörpert Vernunft, Kontinuität, bedient bei einigen auch die Sehnsucht nach den Obama-Jahren. Wie Sanders hat aber auch Biden schon erfolglos versucht, selbst als Präsidentschaftskandidat anzutreten, zwei Mal sogar.

In ihrer Art und ihrer Agenda sind Biden und Sanders meilenweit voneinander entfernt. Auch wenn die beiden in den Umfragen derzeit am besten wegkommen, stehen sie vom Alter her nicht gerade für Erneuerung. Würde am Ende einer von ihnen als Kandidat gekürt, gäbe es 2020 wohl ein Rennen zweier älterer weißer Männer ums Weiße Haus. Trump ist 72.

Könnten sich die Amerikaner nach den Jahren mit Trump womöglich gerade danach sehnen: nach besonders viel politischer Erfahrung und Stabilität? Oder wollen sie Aufbruch, ein jüngeres und frisches Gesicht, womöglich auch eine Frau? Vielleicht wäre bei den Demokraten eine Mischung aus beidem die Antwort - in Person von Präsident und Vize. Doch Kandidaten treten nicht im Duo an.

Die Frage ist auch, wie links der Präsidentschaftskandidat der Demokraten sein «darf». Will das Land nach Jahren hart-konservativer Politik einen bewussten Schwung in die andere Richtung, oder wäre ein Kandidat der Mitte der Schlüssel? Noch scheint auch unter Demokraten die Ratlosigkeit groß, welcher Kandidat der Richtige ist für ihre Mission. Die lautet: Hauptsache keine weitere Amtszeit von Trump.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.