Die Qual der Wahl

Foto: Orlando Bellini/Fotolia.com
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Für viele Deutsche im Ausland ist in diesen Tagen die Zeit gekommen, sich mit dem Thema Briefwahl und damit auch mit der eigenen Wahlentscheidung zu befassen. Aktuell bewerben sich 2,5 Juristen um die Kanzlerschaft. Begeisterung löst keiner der Kandidaten aus.

Die Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock hat als erste gepatzt und gleich durch eine ganze Reihe unnötiger Fehler ihre Unwählbarkeit unterstrichen. Vor dem Hintergrund der hohen moralischen Ansprüche der Grünen zaubern vor allem der geschönte Lebenslauf der Kandidatin und ein schlecht zusammengestückeltes Buch nicht nur dem Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, ein Grinsen ins Gesicht. Die Angelsachen bezeichnen jemanden wie Baerbock als „phony“, was eine Mischung aus unecht, erfunden und gefälscht beschreibt. Besser kann man es nicht sagen.

Elfmeter-Kandidat trifft den Ball nicht

Auch Laschet macht es dem Wähler nicht leicht. Sein Plan im Schlafwagen ins Kanzleramt zu fahren, kann immer noch aufgehen, aber auch er patzt zunehmend häufig. Sein ständiges Grinsen stört viele, völlig unpassend war jedoch sein Feixen im Hintergrund des Bildes als der Bundespräsident versuchte, die richtigen Worte für die Opfer der jüngsten Flutkatastrophe in Deutschland zu finden. Auch inhaltlich macht der Kandidat seinem Wahlkampfteam nicht viel Freude. Als er vor einigen Tagen die Möglichkeit hatte, mit Elon Musk vor dem neuen Tesla Werk nahe Berlin zu filmen, fragt er diesen in schwachem Englisch, worauf dieser in Zukunft setzen würde, auf Wasserstoff oder Elektro. Elon Musk bricht in Gelächter aus. Laschet steht wie ein Schuljunge daneben. Fazit: Der Termin war eine Chance wie ein Elfmeter über Themen zu sprechen, die alle Wähler inte­ressieren, doch der Kandidat trifft nicht einmal den Ball.

In diesem Umfeld punktet rund einen Monat vor der Wahl der biedere Kandidat der SPD, Olaf Scholz. Der solide Arbeiter hat zur rechten Zeit Erfolge bei der Besteuerung internationaler Konzerne vorzuweisen und auch bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals schnell gehandelt und noch in der laufenden Legislaturperiode die notwendigen Veränderungen bei der Finanzaufsicht gegen starke Lobby-Interessen durchgesetzt. Persönlich konnten ihn auch mehrere Untersuchungsausschüsse des Bundestages nicht in Schwierigkeiten bringen. Wählbar ist er für viele trotzdem nicht, da er nicht mehr in die heutige SPD passt und ihn diese auch folgerichtig nicht zu ihrem Vorsitzenden gewählt hat. Wer Scholz wählt, wählt Borjans, den manche nicht ganz falsch als Staatshehler bezeichnen, Esken und Kühnert, die aus ihren sozialistischen Neigungen kein Geheimnis machen.

EU plant Vermögensregister

Erfrischend offen und wichtig für alle Wahlberechtigten ist auch die klare Ansage wie diese sozialistischen bzw. sozial­ökologischen Pläne finanziert werden sollen. Mitte Juli hat die EU begonnen, an einem europäischen Vermögensregister zu arbeiten, das die Vermögenswerte aller Europäer erfassen soll, einschließlich Kryptowährungen, Kunstwerken, Immobilien und Gold. Begründet wird die Notwendigkeit des Registers wenig überraschend mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche, tatsächlich dürfte es eher um die Finanzierung der politischen Fehlentscheidungen seit der Finanzkrise gehen. Auch wenn es derzeit noch wenige in Europa wahrhaben wollen, der normale Bürger wird die Zeche zahlen, nicht die wirklich Reichen, die als Global Player nicht fassbar sind. Für Dienstleister, die Investments außerhalb der EU anbieten, dürften gute Jahre anbrechen, da auch durchschnittlich Begabten langsam immer klarer werden wird, Anlagen in Europa und in Euro werden in den nächs­ten Jahren aus unterschiedlichs­ten Gründen schmelzen wie Eis in der Sonne.

Wer noch weitere Fakten über den aktuellen Zustand der Bundesregierung braucht, betrachte den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Verteidigungsministerin backt Flammkuchen, während Kabul fällt, der Außenminister hat die zutreffende Lageeinschätzung seiner Mitarbeiter über Monate ignoriert. Während der US-Präsident bekannt gibt, „Nation-Building“ sei nie das Ziel der Mission gewesen, hat man den Deutschen zumindest während der letzten 19 Jahre etwas anderes erzählt.

Vor diesem Hintergrund, viel Erfolg bei der Bewältigung der Qual der Wahl!


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting Haus und ist seit 2016 als Chairman einer der ältesten digitalen Marketingagenturen in Südostasien tätig. Feedback zum Gastbeitrag per E-Mail erwünscht!

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