Die Machtprobe: Polizeichef gegen „CSI LA“

Haftbefehle gegen 12 Facebook-Nutzer und US-Online-Portal

Internetplattform CSI LA: Haftbefehl gegen den Betreiber, einen Thailänder, der in den USA lebt und von dort aus seine Kampagnen leitet – und gegen Nutzer, die sich positiv zu den Beiträgen geäußert hatten.
Internetplattform CSI LA: Haftbefehl gegen den Betreiber, einen Thailänder, der in den USA lebt und von dort aus seine Kampagnen leitet – und gegen Nutzer, die sich positiv zu den Beiträgen geäußert hatten.

KOH TAO: Es geht längst nicht mehr um die seit Ende August meist gestellte Frage in Thailand: Gab es am 26. Juni auf Koh Tao einen Giftanschlag und eine nachfolgende Vergewaltigung einer 19-jährigen Britin oder gab es beides nicht? Thailands Fernsehsender berichten, fast alle Zeitungen im Lande, in Großbritannien sind Interviews des mutmaßlichen Opfers ebenfalls im TV und sogar in der altehrwürdigen The Times veröffentlicht worden. Der Ruf Thailands scheint wieder einmal empfindlich geschädigt und die Schuldzuweisungen klingen nicht unbekannt.

Nach Bekanntwerden der mutmaßlichen Vergewaltigung durch Berichte der Onlinepublikation Samui Times sind Thailand, Koh Tao und insbesondere der Tourismus in schwere See geraten. Offensichtlich hat die Regierungsspitze der Junta das schnell erkannt und ihren „besten Mann“ geschickt, den seit Monaten in allen Gazetten als neuen Saubermann gepriesenen Generalmajor Surachate Hakparn, den thailändische Zeitungen auch gerne bei seinem Spitznamen „Big Joke“ nennen.

Big Joke räumt auf Koh Tao gründlich auf

Der Vize-Chef der Tourist Police kam, sah – und räumte auf in Koh Tao. Noch nie hatten Einheimische und dort lebende Tauchschulbetreiber ein solches Aufgebot an Polizei, Militär und namhaften Politikern gesehen. Die Hubschrauber flogen ein, mit ihnen hochrangige Ermittler. Sie fanden schnell heraus, was es ihrer Ermittlungskenntnis gar nicht gegeben haben konnte: keine Vergewaltigung einer jungen Rucksacktouristin am Sairee-Strand in der Nacht zum 26. Juni 2018.

Dass sie ihre Schlussfolgerungen nach mehreren spektakulär wirkenden Strandinspektionen noch vor Kontaktaufnahme mit dem mutmaßlichen Opfer sowie ebenfalls involvierten britischen Polizeikollegen öffentlich machten, kam nicht überall gut an. Keine Spuren, keine CCTV Aufzeichnungen, die eine Straftat unterstützten, in der vermeintlichen Tatnacht auch noch ein angeblich weitgehend durch Flut überspülter Sairee Beach – Surachate Hakparn und sein Team ließen kaum Zweifel daran aufkommen, was sie von den Anschuldigungen der Londoner Touristin hielten: Nichts!

Volle Staatsgewalt gegen subversive Internetplattform

Seither hat sich auf allen medialen Kanälen ein verbissener Machtkampf entwickelt, eine Machtprobe zwischen dem bestehenden Regime und subversiven Elementen, wie sie genannt werden, die Thailands Ruf schädigen wollen, um ihre Art einer anderen Wahrheit unters Volk zu schmuggeln. Staatsfeind Nummer 1 ist neben der seit 2016 aus Koh Samui geflohenen englischen Journalistin Suzanne Buchanan die Internetplattform „CSI LA“, die auf Facebook Abertausende von sogenannten Followern und regelmäßigen Besuchern hat.

Für einige, zumeist sehr junge Thailänder im Norden des Landes, hatte dies schwerwiegende Folgen. Die Studenten aus Chiang Rai. Chiang Mai, Udon Thani und anderen nördlichen Provinzen bekamen die ganze Gewalt des Gesetzes zu spüren. Sondereinheiten der Crime Suppression Division – eine Elitetruppe zur Bekämpfung besonders schwerer krimineller Fälle – stöberte sie auf und verhaftete 11 von ihnen.

Ihr Verbrechen: sie hatten CSI LA Beiträge geliked und manche auch kommentiert und geteilt. Ein Verstoß gegen den berüchtigten Computer Crime Act, ein Gesetz in Thailand, das die Verbreitung von falschen und volksschädlichen Behauptungen unter schwere Strafe stellt – bis zu fünf Jahre Haft und 100.000 Baht Geldstrafe.

Internet-Rowdies von Nordthailand nach Koh Tao gebracht

Dass die festgenommenen Internet-Rowdies eiligst nach Südthailand geschafft wurden, zunächst zum Provinzgericht Koh Samui, das die Haftbefehle ausgestellt hatte, erzeugte weitere Schlagzeilen. Anschließend wurden die Delinquenten nach Koh Tao verschifft und mussten dort unfreundliche Reaktionen einer aufgebrachten Bevölkerung erleben. Generalmajor Surachate Hakparn wartete persönlich auf Koh Tao und leitete die Verhöre der elf jungen Thais aus dem Norden.

War ihm der Applaus der zumeist in Koh Taos Geschäftswelt involvierten Gruppierungen noch gewiss, so fiel das Echo in den Tageszeitungen Thailands sowie in Kommentarforen anders aus. Die Bangkok Post, bekannt für kritische Leitartikel und ihre eher demokratiebewusste Grundhaltung, warf den handelnden Polizeiermittlern eine Missinterpretation bestehender Gesetze vor und insbesondere eine sehr eigenwillige Auslegung des Computer Crime Act. Der Journalist fragte: Wie kann eine mutmaßliche Vergewaltigung einer britischen Touristin eine Lüge, also Fake News sein, wenn die Ermittlungen dazu noch gar nicht abgeschlossen sind, ergo: weder bekannt ist, ob das Mädchen wirklich gelogen hat oder ob Thailands Polizei bei ihren eigenen Untersuchungen schlicht noch nicht fündig geworden ist?

Menschenrechts-Aktivisten laufen nun ebenfalls Sturm

Wie kaum anders zu erwarten, gingen auch Menschenrechtsorganisationen auf die Barrikaden und Anwaltsvereinigungen in Thailand schickten eiligst kompetente Vertreter, um die verhafteten Jugendlichen juristisch zu begleiten. In Großbritannien ist die Familie des mutmaßlichen Opfers nicht bereit einzulenken und sorgte ihrerseits mit öffentlichen Gegendarstellungen zur thailändischen Polizeiversion für Unruhe.

Der strittige Fall ist beinahe schon so groß geraten wie einst der blutige Doppelmord an Hannah Witheridge und David Miller am 15. September 2014, ebenfalls am Sairee Beach auf Koh Tao und nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der die Londoner Touristin vor wenigen Wochen vergewaltigt worden sein soll.

Hinter den Kulissen wird zwischen England und Thailand verhandelt

Dass hinter den Kulissen längst Gespräche zwischen den Botschaften beider Länder stattgefunden haben und auch Brücken zu den ermittelnden Polizeibehörden stehen, ging bei dem mächtigen Mediengewitter der vergangenen Woche unter. Es soll angeblich DNA-Spuren auf dem T-Shirt des mutmaßlichen Opfers gegeben haben, sie soll ihn sogar anhand von Fotos identifiziert haben, ein Bericht einer Opferschutzklinik für Vergewaltigte bestätigt eher die Straftat an der 19 jährigen – auch auf britischer Seite werden weiterhin Geschütze in Stellung gebracht und die Mutter des Mädchens sagte, sie wolle Gerechtigkeit für ihre Tochter und mithelfen, ein Verbrechen aufzuklären.

Auf Koh Tao gehen die Uhren anders. „Big Joke“ hat nach Einsichtnahme aller Lokalitäten noch mehr Sicherheit verordnet und allen klar gemacht, dass er weitere Skandale dieser Art in seiner Amtszeit nicht mehr dulden will. Koh Tao erhält zeitnah noch mehr CCTV Überwachungskameras und hochrangige Beamte aus Surat Thani und Bangkok wollen mit geschärftem Blick dafür sorgen, dass keiner mehr behaupten kann, er wäre betäubt, ausgeraubt, geschlagen und sogar missbraucht worden.

Die Sicherheitsstufe wurde von 1 auf 1 plus erhöht. Surachate Hakparn machte kompromisslos klar, dass er für die Image-Verteidigung seines Landes jederzeit selbst an die vorderste Front rücken wird. Big Joke versteht keinen Spaß mehr und hat sich positioniert. Als Schutzschild Thailands.

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