Wir wissen alle: Die Krone der Schöpfung ist der Mensch. Aber welcher?
August Schulz ist davon überzeugt, dass er die Krone ist. Er ist Banker, sehr erfolgreich, verdient viel Geld und ist höchst anerkannt. Aber dann ereigneten sich Dinge, die ihn daran zweifeln ließen, dass er diesen Rang für sich reklamieren durfte. Plötzlich versagte die Dusche. Nur noch kaltes Wasser. August Schulz war hilflos. Er telefonierte nach einem Klempner. Und gleichzeitig begriff er, dieser Fachmann konnte etwas, das er nicht konnte. Natürlich war er nicht auf Anhieb bereit, seine Krönung infrage zu stellen. Aber als ein paar Tage später sein Computer den Geist aufgab, wurde er einsichtiger. Zumal der Techniker mit wenigen Handgriffen alles wieder hinbekam. Er begann einen gewissen Respekt für solche Fachleute zu entwickeln.
Was konnte er denn? Er konnte Finanzbriefe lesen, Börsenberichte analysieren und Investoren zu hohen Einlagen überreden. Seinen Ferrari konnte er auch nicht selbst reparieren. Die „Krone“ stand hilflos neben dem Automechaniker. Und ganz allmählich kapierte dieser selbstbewusste Banker, dass er abhängig war von vielen Menschen, die etwas konnten, das er nie gelernt hatte. Was war denn ein Friseur bisher für ihn? Was war ein Lehrer, ein Architekt oder ein Schriftsteller? Sie waren nichts neben ihm. Aber das änderte sich mit der Zeit. Inzwischen ist ihm klar, dass nur die Gemeinschaft aller Menschen und der Austausch ihrer Fähigkeiten ein angenehmes Leben ermöglicht. Das war ihm bisher nicht bewusst gewesen.
Ich fühle mich diesem Banker jetzt sehr viel näher. Ich kann so vieles nicht. Wie sollte ich jemals Schweine züchten? Wer würde mich lehren unsere Wälder zu erhalten? Wie könnte ich etwa Thüringer Würste herstellen? Nein, Tausende Berufe könnte ich nicht erfüllen. Ich bin ja schon froh, wenn ich in meinem eigenen Beruf nicht versage. Aber wer ist denn nun die Krone der Schöpfung? Sind es die Könige, Präsidenten oder Regierungschefs, die ihre Völker regieren? Die können auch keinen Wasserhahn reparieren. Sie können nicht einmal richtig regieren, weil sie das nicht gelernt haben. Aber sie tun so.
Also nochmals: Wer ist die Kröne der Schöpfung? Keiner! Wir brauchen alle und jeden, damit wir das Leben führen können, an das wir uns gewöhnt haben. Und jeder, der seinen Dünkel vor sich herschiebt, liegt so richtig und so falsch, wie die Kuh, die dem Bauer beim Melken auf den Kopf scheißt. Es gibt nur eine Welt, alle Menschen sind gleich wertvoll, so wie ihre unantastbare Würde. Leider ist das noch nicht überall auf der Erde selbstverständlich. In vielen Ländern sind Frauen nichts als Gegenstände, die man nach Lust und Laune behandeln kann. In anderen Ländern werden Menschen wegen religiöser oder sexueller Abweichungen verfolgt, teilweise sogar hingerichtet. Wann wird diese Welt, dieser kleine blaue Planet endlich vereint sein in den Werten der Menschlichkeit?
Die nicht funktionierende Europäische Union müsste längst abgelöst worden sein von der Vereinigten Weltgemeinschaft. Aber davon sind wir leider weiter entfernt als vom Mars, obwohl wir die Probleme, die uns bedrohen, nur auf diese Weise lösen könnten. Wenn wir endlich begreifen würden, dass kein Mensch und kein Land eine Insel sind, wäre dies der erste Schritt zur Vernunft der allgemeinen Verantwortung.
Nein, Herr Schulz, weder Sie noch Sie, Herr Müller-Herrgau, mögen Sie auch noch so reich oder einflussreich sein, Sie sind nicht die Krone der Schöpfung, allenfalls sind Sie ein Mitglied der Weltgemeinschaft, mit der Chance, sich hilfreich einzubringen, um die Nöte, die weltweit Menschen bedrohen, zu lindern. Ich denke, dann dürften Sie sich auch ein Krönchen aufsetzen, allerdings nur ein ganz kleines, denn es gibt ja überall Menschen, die mehr können als Sie.