Die Königinnen des Chao-Phraya

Bangkoks Expressboote sind bereits in vierter Generation in Frauenhand

Den Chao-Phraya-Expressboote stehen moderne Zeiten bevor. Sie werden durch moderne Highspeed-Katamarane ersetzt. Foto: picture alliance / imageBROKER
Den Chao-Phraya-Expressboote stehen moderne Zeiten bevor. Sie werden durch moderne Highspeed-Katamarane ersetzt. Foto: picture alliance / imageBROKER

BANGKOK: Jeder Bangkok-Urlauber und Resident kennt sie: die Expressboote auf dem Chao-Phraya-Fluss, die eine günstige, verlässliche und im Gegensatz zu den staugeplagten Straßen der Millionenmetropole schnelle Transportalternative sind. Was viele hingegen nicht wissen: An der Spitze der Supatra & Chao Phraya Express Boat Group steht mit Supapan Pichaironarongsongkram eine Frau ihren Mann. Und das bereits in dritter Generation.

Ihre Großmutter Supatra Singholaka startete den Fährdienst vor ungefähr einem Jahrhundert, das genaue Datum ist nicht bekannt. Als sie 1931 starb, übernahm Supapans Mutter im Alter von 20 Jahren das Ruder. Heute besteht die Gruppe aus zehn Unternehmen und beschäftigt 600 Mitarbeiter. Und auch die vierte Generation steht bereits in den Startlöchern, um die Geschicke des Unternehmens zu leiten: Natapree, besser bekannt als Pim, ist die 32-jährige Tochter von Supapan. In den letzten sechs Jahren konnte sie ihr unternehmerisches Talent bereits im Anzeigenverkauf sowie beim Aufbau des Immobilien- und Finanzgeschäftes der Gruppe erfolgreich unter Beweis stellen.

Schweigen statt Prahlen mit Fachwissen

Supapan ist zierlich, leise und makellos gepflegt. Hätte sie sich nicht in der Pflicht gefühlt, das Familienunternehmen fortzuführen, hätte sie sicher eine vornehmere Richtung eingeschlagen, vielleicht mit ihrem Französisch-Abschluss oder als Pianistin. Dennoch sollte man sich von ihrem vornehmen, damenhaften Äußeren nicht täuschen lassen: Sie arbeitet sechs Tage die Woche hart und auch ohne Ingenieursstudium kennt sie alle technischen Spezifikationen ihrer Flotte, z. B. die verschiedenen Materialien und den genauen statischen Auftrieb ihrer Boote sowie auch die Tiefe und Breite des Flusses. Auch wenn sie gerne vorgeben würde, nicht viel zu wissen, weiß sie alles, beschreibt Tochter Pim ihre Mutter und fügt hinzu, dass es wohl niemanden gäbe, der es mit ihr aufnehmen könne. Zwar war Supapans Ehemann Pao Pichaironarongsongkram, ein Architekt, bis zu seinem Tod im Jahr 2007 ebenfalls in der Geschäftsleitung tätig. Doch das Ruder in der Hand hatten immer die Frauen.

Mit dem Umgangston der vorwiegend männlichen Besatzungsmitglieder an Bord ihrer 90 Boote zählenden Chao-Praya-Flotte weiß sie umzugehen. Mit weiblicher Psyche! „Wenn du mit Männern arbeitest, agierst du nicht als Frau und nicht als Mann. Denn ein Mann wird immer auf eine Frau herabblicken. Sie würden niemals damit rechnen, dass ich viel weiß. Ich trete ihnen deshalb als Freund oder Mutter entgegen und beschütze sie“, erklärt Supapan. Sie führt fort, dass daraus Vertrauen in ihre Person sowie Rolle als weiblicher Vorgesetzter wächst. Ebenso die Gewiss­heit, dass sie niemals ihren Job verlieren werden.

Derzeit erwirtschaftet die im Privatbesitz befindliche Gruppe einen Jahresumsatz von 30 Millionen US-Dollar, der jedoch aus zwei Gründen in den nächsten zehn Jahren steigen dürfte: Zum einen plant Supapan ihre gesamte hölzerne Expressbootflotte durch glatte, schnelle und klimatisierte Aluminium-Katamarane zu ersetzen. Zum anderen arbeitet die Geschäftsfrau an einem Nutzungsplan für ihre zum größten Teil noch ungenutzten bzw. nicht erschlossenen Immobilien im Wert von 300 Millionen Baht.

Ein Drittel der Einnahmen erwirtschaften ihre 57 Chao-Phraya-Expressboote. Wie öffentliche Busse an Land werden sie auf festen Routen eingesetzt. 21 Kilometer fluss­aufwärts und 21 Kilometer flussabwärts. Mehr als eine Million Passagiere würden gemäß Supapan den Transportservice auf dem Fluss pro Monat nutzen. Auch wenn sie und ihre Tochter sich fortan stärker dem Immobiliengeschäft widmen wollen, beteuern beide, dass Boote immer ihr Kerngeschäft bleiben werden. „Wenn Sie die Marke Supatra entdecken, dann wissen Sie, dass es am Wasser sein muss“, sagt Supapan.

Auch wenn Südostasien für seine – im Vergleich zum Westen – hohe Zahl an Familienunternehmen bekannt ist, deren Leitung von Generation zu Generation weitergereicht wird, sind die Pichaironarongsongkrams möglicherweise einzigartig. Zwar übernehmen immer mehr Töchter Firmen von ihren Vätern. Doch eine Tochter, die das Unternehmen ihrer Mutter übernimmt, ist auch in Asien selten und wenn dies in bereits vierter Generation erfolgt, nahezu unbekannt. So kamen Studien zum Ergebnis, dass nur rund drei Prozent aller weltweit neugegründeten Unternehmen in Familienbesitz und in derselben Branche bleiben.

Highspeed auf Wasser, Schiene und Straße

Den Expressbootdienst hingegen will das erfolgreiche Mutter-Tochter-Paar fitmachen für die Zukunft. 20 Millionen US-Dollar sollen für die modernen und klimatisierten Highspeed-Katamarane aufgebracht werden. Für die Finanzierung wird der Börsengang in Betracht gezogen. Da ihnen aber auch bewusst ist, dass besonders ausländische Urlauber die alten Holzboote lieben, wollen sie die museumsreife Flotte nicht gänzlich außer Betrieb nehmen. Sie sollen für touristische Zwecke wie Charter- oder Hotel-Shuttle-Services oder auch als zusätzliche Boote im Hop-On-Hop-Off-Service eingesetzt werden. Mit der neuen Flotte wollen Supapan und Pim einen bequemen Umstieg zwischen Boot, Skytrain und Bus ermöglichen. Allesamt moderne Verkehrsmittel, die sich durch Pünktlichkeit, Klimatisierung und Schnelligkeit auszeichnen.

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