Die «historische Chance»

Steinmeier auf Ermutigungsbesuch im Sudan

Foto: epa/Marwan Ali
Foto: epa/Marwan Ali

KHARTUM (dpa) - Der Sudan steht nach dem Umsturz im vergangenen Jahr stark im Fokus der deutschen Politik. Gerade hat die Kanzlerin dem neuen Premier Hilfe zugesagt. Jetzt kommt der Bundespräsident nach Khartum - ein demonstratives Zeichen der Unterstützung der demokratischen Kräfte.

Es kommt nicht oft vor, dass Frank-Walter Steinmeier in ein Land fliegt, das fremd für ihn ist. Vor allem sein Amt als Außenminister hat ihn in viele Winkel der Erde gebracht. Oft kennt er bei seinen Besuchen heute als Bundespräsident die handelnden Personen von früher - was die Gespräche zumeist erleichtert. Doch als er am Donnerstag mit dem Luftwaffen-Airbus in Khartum landet, betritt er Neuland. Im Sudan war Steinmeier noch nie, die Gesprächspartner sind neu für ihn, das politische Terrain ist schwierig. Das Land steckt mitten im Aufbruch zur Demokratie - Ausgang ungewiss.

Es ist nur eine 24-stündige Arbeitsvisite, die Steinmeier relativ kurzfristig an seine Kenia-Reise drangehängt hat. Protokollarisch empfängt ihn General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan, der Vorsitzende des Souveränitätsrats und Staatschef, aber wie bei einem offiziellen Staatsbesuch. Er holt den Gast aus Deutschland am Flughafen ab, wo es auch gleich die Begrüßung mit militärischen Ehren und ein erstes Gespräch gibt. Ein weiteres folgt im Präsidentenpalast.

Anschließend bekundet der Bundespräsident den Menschen im Sudan und insbesondere denjenigen, die die Veränderungen herbeigeführt haben, seine «Wertschätzung» und seinen «Respekt» und sagt: «Ich bin mir der Größe der Aufgabe bewusst.» Steinmeier kommt nicht mit leeren Händen. Der Bundestag hat soeben entschieden, die Entwicklungszusammenarbeit wieder aufzunehmen. Die Bundesregierung stellt 80 Millionen Euro für Hilfen bereit.

Steinmeier ist in ein Land gekommen, das sich auf den Weg zur Demokratie gemacht hat - nach fast drei Jahrzehnten unter der Knute von Langzeit-Machthaber Omar Hassan al-Baschir. Ein Weg, der aber jederzeit wieder abrupt enden kann. Massenproteste der Bevölkerung und ein Militärputsch jagten Al-Baschir im vergangenen Jahr aus dem Amt. Das Militär bildet aber nach wie vor einen Machtfaktor. Die zivile Regierung um Premier Abdullah Hamduk, die das Land in freie Wahlen führen soll, ist das zweite Machtzentrum.

Von einer «fragilen Balance» spricht Steinmeier schon vor der Ankunft. Der Zweck seines Besuches ist klar: Er will der zivilen Regierung und den Reformkräften durch Präsenz den Rücken stärken. Der Sudan stehe vor enormen Herausforderungen, sagt Steinmeier nach dem Gespräch mit Hamduk. «Ich bin hier, um zu sagen, Deutschland und wir Deutschen haben ein großes Interesse daran, diesen Aufbruch hier im Sudan zu würdigen, zu weiteren Schritten zu ermutigen.» Und Steinmeier versichert Hamduk, «dass der Sudan auf Deutschland als zuverlässigen und engagierten Partner zählen kann».

Der Premier hat neben deutscher Regierungshilfe und privaten Investitionen vor allem einen Wunsch. Deutschland möge mit seinem internationalen Einfluss helfen, dass sein Land von der US-Liste der terrorunterstützenden Staaten gestrichen wird, um wieder Zugang zu den internationalen Finanzinstitutionen zu erhalten. Denn diesen braucht das wirtschaftlich am Boden liegende Land mit seinen 42 Millionen Menschen dringend. Es zählt zu den 25 ärmsten Ländern der Welt. «Die US-Sanktionen verhindern jeden Fortschritt in der Frage des Schuldenabbaus», klagt Hamduk.

Steinmeier nennt zwar die USA nicht beim Namen. Klar ist aber, dass er auch Washington meint, wenn er von einer «historischen Chance» für das Land am Nil spricht und mahnt: «Wir sollten alle ein Interesse daran haben, dass diese Chance zum Erfolg und zu besseren Lebensverhältnissen im Sudan führt.» Denn das Geschehen hier habe Wirkung für die gesamte Region Ostafrika.

«Mein Besuch ist auch ein Signal an diejenigen, die sich bisher nicht für den Sudan und die Veränderungen im Sudan interessiert haben, genauer hinzuschauen, ebenfalls Präsenz zu zeigen und hoffentlich auch Unterstützung anzubieten», sagt Steinmeier. Kein Wunder, dass Hamduk Steinmeier ausgesprochen herzlich verabschiedet, obwohl sie sich zum ersten Mal begegnet sind. Einen besseren Fürsprecher könnte er sich kaum wünschen.

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