Ist die Natur göttlich? Nein. Die Natur ist Gott. Keiner der bisher von Menschen angebeteten Götter hilft, wenn die Natur ihre Kräfte ins Spiel bringt. Ein Orkan, ein Vulkanausbruch oder ein heftiges Unwetter, die Natur hat alles im Griff.
Der Mensch nicht. Er ist abhängig vom Wetter und von Naturkatastrophen. Die Natur beherrscht die Welt. Wenn Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil Dürre, Heuschreckenschwärme, Krieg oder andere Katastrophen sie dazu zwingen, die Natur bestimmt, was auf der Erde passiert. Sie erschafft das Virus, das die gesamte Welt verändert. Sie allein hat die Macht den Kompass unserer Welt zu verschieben. Ob die Eisberge abschmelzen, ob Städte im Wasser versinken, ob Länder in Wüsten verwandelt werden, immer ist das abhängig von der Natur. Immer wieder versuchen Menschen sie zu verändern oder gar sie zu beherrschen. Vergeblich, die Natur folgt ihren eigenen Gesetzen, in die der Mensch bisher nicht eindringen konnte. Ob er es je schafft? Ich weiß es nicht. Wir haben von der Natur gelernt, dass es vier Jahreszeiten gibt. Was können wir machen, wenn diese sich verändern? Wenn von Menschen verursachte Klimaveränderungen im Januar den Frühling beginnen lassen, wenn der Sommer von April bis November andauert und der Winter ausfällt? Nichts. Klar, die Menschheit nimmt Einfluss auf die Natur. Unser Umweltverhalten dringt massiv in die Natur ein, verändert sie auch zum Teil. Dennoch: Wir müssen hinnehmen, was die Natur uns beschert. Wir sind völlig von ihr abhängig und Gebete helfen nichts. Sie ist unbestechlich, autark und weitgehend unberechenbar. Wann tödliche Seuchen über die Erde hereinbrechen, wir können es nicht beeinflussen. Wir sind der Natur untertan. Die Religionen der Welt ebenfalls. Sie können nichts verhindern, was der Natur auch immer einfällt. Daraus ergibt sich der Schluss, dass nur die Natur und kein anderer Gott diese Welt beherrscht.
Die Wissenschaft hat das längst anerkannt, aber fast die gesamte Menschheit betet immer noch alle möglichen Götter an und bittet darum, sie vor Schaden zu verschonen. Wir dringen ins Universum vor, bereiten Siedlungen auf dem Mars vor, ob aber unsere Gärten bald wieder beregnet werden, das haben wir nicht im Griff. Momentan beherrscht das Corona-Virus die Welt. Es kam nicht als Strafe Gottes zu uns, wie viele glauben. Die Natur besteht aus Mutationen, und die bringen immer wieder mal solche Seuchen hervor. Der Mensch kämpft dagegen an, mit mehr oder weniger Erfolg. Die Medizin hat uns vor vielen Ausbrüchen der Natur bewahrt. In einigen Monaten wird sie vielleicht ein Medikament entwickelt haben, das diese Pandemie beendet. Aber die nächste wird kommen. Und sie wird verheerender sein als alle bisherigen. Gut, wenn wir uns rechtzeitig darauf vorbereiten. Keime, die wir bisher nicht unter Kontrolle bringen konnten, umschwirren uns, warten darauf, in unser System einzudringen. Irgendwann werden sie es schaffen. Noch ist der Krebs nicht besiegt, noch haben Herzinfarkte und Schlaganfälle Hochkonjunktur. Die Natur ist neutral, kennt weder Vorlieben noch Abneigungen. Sie ist in sich selbst nur Natur. Wir müssen einsehen, trotz aller Bekämpfungen und gelegentlicher Erfolge, dass die Natur uns überlegen ist, dass sie allein das Weltgeschehen bestimmt. Deshalb gilt: Achtsamkeit und Respekt vor der Natur, von der wir ein Teil sind. Kein Mensch, kein Gott wird sie jemals zähmen, denn Gott ist Natur, Natur ist Gott.
Erst wenn Ich gluecklich bin , kann ich Andere gluecklich machen. ( Lin Yutang )