Die Formel 1 erforscht die Heimarbeit

Grosser Formel-1-Preis von Bahrain. Foto: epa/Giuseppe Cacace
Grosser Formel-1-Preis von Bahrain. Foto: epa/Giuseppe Cacace

SAKHIR: Es zoomt in der Formel 1. Videokonferenzen sind ohnehin schon lange in der Motorsport-Königsklasse etabliert. In Corona-Zeiten werden aber die Möglichkeiten der Heimarbeit ausgedehnt. Eine Rolle dabei spielt auch der XXL-Kalender für 2021.

In der Corona-Krise erkundet die Formel 1 die Heimarbeit. Die Motorsport-Königsklasse testet in Pandemie-Zeiten intensiver denn je die Grenzen der physischen Anwesenheit ihrer Spitzenangestellten aus. Der geplante XXL-Rekordkalender mit 23 Rennen im kommenden Jahr drängt Mercedes, Ferrari & Co. zu kreativen Lösungen. Zuletzt in der Türkei fehlte Sebastian Vettels Scuderia-Teamchef Mattia Binotto erstmals.

Es war ein Versuchsballon, um die Steuerung des Rennstalls aus der Ferne zu erproben. Prompt fuhren Vettel und Charles Leclerc für die Scuderia mit Rang drei und vier die meisten Punkte der Saison ein. Vielleicht sollte man ihn wieder zuhause lassen, meinte der Deutsche augenzwinkernd über Binotto. In die Teamchef-Pressekonferenz am Freitag in Sakhir ließ sich der Ferrari-Manager nur per Video zuschalten.

«Was mich betrifft, muss man die Balance finden zwischen den Aufgaben an der Strecke und in der Fabrik», erläuterte Binotto, der nach einem Horror-Jahr für Ferrari die erfolgreiche Entwicklung des neuen Wagens vorantreiben muss. «Wenn man für ein ganzes Team verantwortlich ist, ist das Rennen natürlich wichtig, die gesamte Leitung eines Rennstalls ist jedoch ebenso wichtig.»

Als auf den ersten Blick «merkwürdig» beschrieb Ferrari-Sportdirektor Laurent Mekies das körperliche Fehlen seines Bosses in Istanbul. Die insbesondere in Corona-Zeiten boomende Video-Kommunikation holt aber Bild und Ton an alle Rennstrecken dieser Welt.

Binotto oder Mercedes-Teamchef Toto Wolff haben schon angekündigt, nächste Saison den einen oder anderen Grand Prix auslassen zu wollen. Rotation soll für das Personal, das wie auch die gesamte PS-Branche dankbar für die Ausübung ihrer Tätigkeit in Corona-Notzeiten ist, zum Zauberwort werden.

Das Problem ist nicht nur die hohe Zahl der Rennen, sondern die Frequenz mit Dauerstress: Ein Dreierpack nun mit zwei Events in Bahrain und schließlich dem Finale in Abu Dhabi bedeutet eine hohe Belastung fern der Familie daheim. So etwas würde «die Energie aus dem Team saugen», warnte Williams-Ingenieur Dave Robson in englischen Medien. Alleine vier Dreierpacks bot diese Corona-Notsaison.

«Die am härtesten arbeitenden Menschen sind jene, die die Garagen auf- und wieder abbauen sowie die Mechaniker, die Nachtschichten schieben müssen, wenn etwas schief läuft», bemerkte Wolff. «Man muss sich schon fragen, ob so etwas nachhaltig ist und ob man nicht ein anderes System einführen kann, indem man eine zweite Mannschaft hat, die diese härtesten Rollen übernehmen kann.»

Personalstärke ist aber immer auch eine Geldfrage. Und wie gehen die Fahrer mit dem Thema um? «Am Ende werden die Mechaniker ein bisschen leiden, wohingegen die großen Bosse in der Formel 1 später anreisen und früher wieder abreisen», meinte Red-Bull-Pilot Max Verstappen. Auch die Fahrer hätten den Luxus, manchmal zwischen den Rennen kurz nach Hause fliegen zu können.

Der Faktor Zeit treibt die Formel 1 um - das war schon immer so. Und auch für den Superstar der Branche, Rekordweltmeister Lewis Hamilton, gewinnt das Thema abseits des Asphalts immer mehr an Bedeutung. In der Debatte um seine Vertragsverlängerung bei Mercedes kündigte der Brite an, künftig mehr von zuhause aus arbeiten zu wollen.

Hamilton sagte der BBC mit einem verschmitzten Lachen, dass mehr Zeit für sich «immer Teil der Gespräche» sei. «Ich brauche mehr Zeit. Dieses Jahr hat gezeigt, dass man zum Beispiel von zuhause aus arbeiten kann», erklärte er. Hamilton sei sich sicher, «dass da eine Menge mehr Zoom-Dates im Vertrag stehen werden als derzeit».

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Ingo Kerp 28.11.20 14:37
Die Frage darf erlaubt sein, ist die Formel 1 noch zeitgemaess? 20 benzinbetrieben Autos rasen im kommenden Jahr auf 23 Rennstrecken um die Wette. Dabei wird der gesamte F1 Tross von einem Circuit zum naechsten mit einer Menge von Flugzeugen bewegt. Umweltfreundlich geht anders.