Die Erste an Bidens Seite

Joe Biden b(l), der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten Biden zieht mit der kalifornischen Senatorin Kamala Harris als Vizepräsidentschaftskandidatin in die Wahl gegen Amtsinhaber Trump. Foto: David J. Phillip/Ap/dpa
Joe Biden b(l), der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten Biden zieht mit der kalifornischen Senatorin Kamala Harris als Vizepräsidentschaftskandidatin in die Wahl gegen Amtsinhaber Trump. Foto: David J. Phillip/Ap/dpa

WASHINGTON: Joe Biden hat sich viel Zeit gelassen, um zu entscheiden, mit wem er Donald Trump das Weiße Haus streitig machen will. Es ist eine Frau, die in ihrem Leben schon Geschichte geschrieben hat. Die Angriffe der Republikaner auf die neue Gegnerin erfolgen prompt.

Der Tweet von Kamala Harris liest sich im Nachhinein wie ein versteckter Hinweis. «Lasst uns an die Arbeit gehen» und ändern, dass schwarze Frauen in den USA in gewählten Ämtern lange unterrepräsentiert waren. Diese Worte setzt sie am Dienstag ab, wenige Stunden bevor Joe Biden sein gut gehütetes Geheimnis lüftet. Er erklärt die Senatorin aus Kalifornien zu seiner Vize-Kandidatin im US-Wahlkampf und trifft damit eine historische Entscheidung. Gewinnt das Duo am 3. November gegen Amtsinhaber Donald Trump, wäre Harris nicht nur die erste schwarze Stellvertreterin eines US-Präsidenten, sondern auch die erste Frau in diesem Amt.

Der Angriff der Gegenseite folgt prompt. Bidens Entscheidung ist erst wenige Minuten in der Welt, da verbreitet Trumps Wahlkampfteam ein Video. Harris fordere Billionen an neuen Steuern, heißt es darin. «Slow Joe», der «langsame Joe», sei nicht klug genug, um Harris zu durchschauen - und überlasse «Kamala» die Regentschaft, während sie sich mit der «radikalen Linken» verbünde. Trump selbst sagt im Weißen Haus, Harris wolle die Militärausgaben senken und sei gegen die Erdgas-Förderung per Fracking. Und er hat ihr schon einen Spitznamen gegeben, er bezeichnet sie als Schwindlerin («Phony Kamala»).

Es ist fraglich, wie erfolgreich diese Attacken sein werden. Im Vergleich bietet die 55-Jährige deutlich weniger Angriffsfläche als andere Frauen, die als Bidens «Running Mate» infrage kamen. Sie vertritt keine linken Positionen wie die Senatorin Elizabeth Warren, steht dem moderaten Biden stattdessen politisch sehr nah. Sie ist kein Gesicht der Obama-Regierung wie die frühere Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice und sie hat sich nicht sozial auf Kuba engagiert wie die Kongressabgeordnete Karen Bass, der Trumps Wahlkampfteam vorwarf, Castros Kommunismus nach Amerika zu bringen.

«Wir befinden uns in einem Kampf um die Seele der Nation», schrieb Harris am Mittwoch auf Twitter zu einem Wahlkampfvideo mit Biden. «Aber zusammen ist das ein Kampf, den wir gewinnen können.» Biden hatte sich viel Zeit für seine Entscheidung genommen. Harris und er strahlten sich nicht immer so an, wie jetzt Fotos des Wahlkampfteams zeigen. Im Rennen um die Kandidatur waren die beiden vergangenes Jahr Konkurrenten - und lieferten sich teils harte Auseinandersetzungen. Biden bekam zu spüren, wie schlagfertig und forsch die einstige Staatsanwältin und Justizministerin Kaliforniens sein kann.

Harris kritisierte Biden letzten Sommer für seine Kritik am «Busing» in den 1970er Jahren - eine Maßnahme, die dazu beitragen sollte, die Trennung von Schwarzen und Weißen aufzuheben. Kinder wurden dafür mit Bussen zu Schulen in anderen Bezirken gefahren. Harris - die erst die zweite schwarze Senatorin in der Geschichte der USA ist - verknüpfte dies mit ihrer eigenen Biografie und sagte einen Satz, der vielen in Erinnerung blieb: «Das kleine Mädchen war ich.»

Die Angriffe während des Präsidentschaftsrennens scheint Biden Harris nicht nachzutragen. Am Ende entschied er sich mit ihr für eine Kandidatin, die seit Langem als sichere Wahl gilt.

Als Tochter von Einwanderern aus Jamaika und Indien steht Harris für die Vielfalt der demokratischen Partei. Ihr wird zugetraut, afroamerikanische Wähler zu mobilisieren. Für Biden könnte das entscheidend sein. Er erfreut sich bei Schwarzen großer Beliebtheit - doch falls diese nicht zur Wahl gehen sollten, dürfte ein Sieg gegen Trump deutlich schwerer zu erreichen sein. Zuletzt stieg auch der Druck auf Biden, sich für eine nicht-weiße Frau zu entscheiden. Denn neben der Wahl und der Corona-Pandemie gibt es ein weiteres Thema, das die Gemüter der Amerikaner in diesem Jahr seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz bewegt: der Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt.

Die Gerechtigkeit für Angehörige von Minderheiten «steht 2020 zur Abstimmung», sagte Harris schon, als sie im März ihre Unterstützung für Bidens Kandidatur bekanntgab. Die Klarheit, die ihr als Präsidentschaftsanwärterin bisweilen fehlte, erlangte sie zuletzt zurück: In der Corona-Krise weist sie immer wieder darauf hin, dass Afroamerikaner stärker von der Krise betroffen sind. Zudem arbeitete sie entscheidend an der Polizeireform der Demokraten im Kongress mit und verurteilte polizeiliches Fehlverhalten.

Was ihr Gegner allerdings weiterhin vorwerfen dürften: Dass ihre Versprechen nach Reformen eines «kaputten» Strafjustizsystems nicht im Einklang mit ihrer Karriere in der Justiz stehen. Kritiker beschuldigen sie, in Kalifornien in mehreren Fällen dafür gesorgt zu haben, dass Fehlurteile trotz eindeutiger Beweise in Kraft blieben. Zudem setzte sie sich als Justizministerin für Hinrichtungen ein - trotz ihrer erklärten persönlichen Ablehnung der Todesstrafe. Harris war die erste Schwarze, die in San Francisco als Bezirksstaatsanwältin gewählt wurde, und als erste Frau und Afroamerikanerin im Amt der Justizministerin in Kalifornien.

Als Mitglied in vier Senatsausschüssen bewies Harris immer wieder, dass sie eine Problemlöserin und eine hartnäckige, herausfordernde Fragestellerin sein kann. Trumps Kandidaten für das Oberste Gericht der USA, Brett Kavanaugh, etwa befragte sie wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen ihn mit großem Nachdruck. Trump nannte Harris' damaliges Vorgehen am Dienstag denn auch «bösartig».

«Ich denke, dass unser Land eine Führung will und braucht, die eine Vision des Landes vermittelt, in der sich jeder selbst sehen kann», sagte Harris einmal mit Blick auf ihre eigenen Stärken. Nun hat sich Harris Biden verschrieben, der aus ihrer Sicht das Land einen kann. Gewinnen sie die Wahl, dürfte Harris deutlich mehr Gewicht haben als ihre Vorgänger. Biden wäre bei Amtsantritt 78 Jahre alt. Als Vizepräsidentin könnte Harris daher 2024 versuchen, sein Erbe an der Staatsspitze anzutreten - und wieder die Erste sein.


«Freudentränen» und Glückwünsche - Stars gratulieren Kamala Harris

LOS ANGELES: US-Sängerin Pink vergießt «wahre Freudentränen», Schauspielerin Kerry Washington ist von dem «historischen Moment» völlig überwältigt: Kurz nachdem der designierte demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden am Dienstag die US-Senatorin Kamala Harris als seine Vize-Kandidatin verkündet hatte, meldeten sich Musiker und Schauspieler in den sozialen Medien zu Wort.

«Ich freue mich für dich und bin erleichtert und froh für unser Land», gratulierte Sharon Stone der Senatorin aus Kalifornien. Er könne es kaum erwarten für das Biden-Harris-Team zu stimmen, schrieb Sänger John Legend. Nach den Wahlen im November werde die schwierige Arbeit beginnen, von Donald Trumps «Alptraum»- Präsidentschaft zu genesen.

Die Afroamerikanerin Kerry Washington («Django Unchained») verwies auf den historischen Moment, dass erstmals eine Schwarze und eine Frau mit indischen Wurzeln für eine der beiden großen Parteien als Vize-Kandidatin ins Rennen zieht. Sie freue sich von ganzem Herzen für all die Kinder, die sich in Harris sehen und nun «größer träumen» können.

Sängerin Cher schmückte ihren Tweet «Gratulation Madame Vize-Präsident» mit einem Partyknaller-Emoji. «Ich weine vor Freude», schrieb Schauspieler Josh Gad. «Gab es je einen aufregenderen Tag», jubelte die indisch-amerikanische Komikerin Mindy Kaling («The Mindy Project»).

Charlize Theron rief ihre Twitter-Follower zum Wählen auf. «Auf geht's», schrieb die Oscar-Preisträgerin. Mit Harris stehe das Team nun fest. «Jetzt liegt es an uns zu wählen.»

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