Die CIA ist überall

Wenn ich nach langem Ringen den Weg in Morpheus Arme gefunden habe, wirkt das Klingeln des iPhone wie ein Stich in die Tiefen der Seele. Für den Bruchteil einer Sekunde sind die Sinne verwirrt: Hat es wirklich geklingelt oder habe ich das bloß geträumt? Bin ich jetzt da oder dort? Dann klingelt es wieder und alles ist klar, aber was zum Teufel ist los? Um diese Zeit ruft doch kein vernünftiger Mensch an, es sei denn, es geht um Mord und Totschlag.

Es war kein vernünftiger Mensch, das war beim Blick auf das Display sofort klar. Es ging auch nicht um Mord und Totschlag. Es war Felix, der Stadtneurotiker von Hua Hin, von dem hier auch schon die Rede war. Sein Geld war weg, die Freundin auch, der Schnaps sowieso. Felix kombinierte mit schwerer Zunge haarscharf: Sie hat es gestohlen und ist auf und davon.

Ohne schmutzige Gedanken…

Nachdem der Sachverhalt geklärt war, bat ich ihn, mir um Mitternacht die Details zu ersparen und am anderen Tag wieder anzurufen. Ich hängte auf und war erstaunt, zu welchen Verwünschungen ich fähig war und das Opfer hatte ein Gesicht: Felix, der apokalyptische Reiter von Hua Hin. Dabei habe ich mich immer für einen friedliebenden Menschen gehalten. Trotzdem schlief ich bald wieder ein. Fazit: Fluchen ist gesund, frag deinen Arzt oder Apotheker.

Am anderen Tag ließ ich es eine Weile klingeln. Auf Hiobsbotschaften soll man nicht mit leerem Magen reagieren. Nach dem Frühstück fühlte ich mich gestärkt genug und nahm den Anruf entgegen.

Felix kam gleich zur Sache: „Abgehauen mit meinem ganzen Geld, mehr als die Hälfte der Rente ist weg...“ Ich sagte nichts. F:... „ich war bei der Polizei...aber die haben nicht einmal ein Protokoll gemacht...!“ Ich: „Bei der Polizei...? Das war aber riskant...ich meine..ähm...die Chance, dass die dich gleich auf dem Posten behalten, war doch groß...“ F: „Wieso? Das mit dem Lärm, den Nachbarn, den Joints und...und...ähm...ist doch Schnee von gestern...“ Ich: „Ja, Schnee von gestern...wir sind ja in Thailand...da bleibt er zum Glück nicht lange liegen...“

So ging das eine Weile hin und her. Es war von Anfang an klar, dass er erwartete, dass ich ihm aus der Patsche helfen würde. Ich versprach ihm, etwas zu leihen, als Nothilfe.

Natürlich hat er die Hintergründe für den Abgang seiner Freundin verschleiert. Er sieht sich gerne als Opfer von dunklen Machenschaften, auf die er keinen Einfluss hat. Er ist ein moderner Parzival, der von einem Fettnapf in den anderen tritt und sich wundert, wenn sich die anderen wundern. Bloß mit dem Unterschied, dass er nicht auf der Suche nach dem goldenen Gral ist, sondern nach „Sanook“, wie die Thais diese Lebensweise nennen. Wein, Weib und AC/DC aus Boxen groß wie Hühnerställe.

Was Felix nicht wusste: Die Thaidamen in Hua Hin sind gut vernetzt, die Stadt ist klein und überschaubar. Als ich meiner Frau von seinem „Schicksalsschlag“ erzählte, öffnete sie das iPhone mit dem Fotodisplay und was sah man da? Einen lachenden Herrn Felix mit einer Dame auf dem Schoss, die nicht ganz dieselbe war, mit der er sonst Umgang pflegte.

Plötzlich hatte ich einen furchtbaren Verdacht: Ist meine Frau eine heimliche CIA-Agentin? Hat sie mich nur zur Tarnung geheiratet, um undercover nachrichtendienstlich tätig sein zu können? Hat sie mich gar heimlich einer Gehirnwäsche unterzogen? Das wäre zu bedauern, ohne schmutzige Gedanken käme ich mir irgendwie entmannt vor.

Am anderen Tag trabte Felix schon vor Mittag an, was nur Alarmstufe 1 bedeuten konnte: kein Alk, keine Zigis, kein Geld. Ich kam zur Sache, bevor ich ihm etwas lieh. Soviel Erpressung muss sein. „Ähm..es geht das Gerücht um, dass deine Ex (sie hieß seit 12 Stunden so) mit dem Geld das Weite gesucht hat, weil du sie in der Nacht mit einer anderen verwechselt hast...“

…käme ich mir entmannt vor!

Er schaute mich kurz von der Seite an und hielt den Kopf schief, wie ein Vogel, der gefüttert werden will, aber vielleicht war er einfach auf einer Seite ein bisschen schwerhörig oder tat wenigstens so, weil ihm das Thema nicht behagte. „Wer hat das gesagt?“ Ich: „...ähm...die CIA...sie ist in Hua Hin sehr aktiv...“ Er schaute einen Moment verblüfft. CIA? In Hua Hin...? Er brauchte eine Weile, um den Schmäh zu durchschauen, grinste und meinte dann:

„Du wirst es nicht glauben, aber ich bin hereingelegt worden...von meiner Ex und ihrer Freundin und...und...“ Ich hörte ihm genau zu. Ich werde die Story von der CIA überprüfen lassen, heute Abend noch, beim Dinner. Vermutlich weiß sie schon besser Bescheid als Felix selbst. Das sind die Risiken und Nebenwirkungen eines Lebens in einer thailändischen Kleinstadt. Wer hier – selbstverständlich völlig unabsichtlich – einer anderen zuzwinkert, ist am Abend auf Facebook, weltweit. Natürlich ohne Likes.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Josef Hupe 02.01.20 16:45
Umgekehrt ist auch gefahren
Von 10'000 Fremden werden wohl hier 70 % ausgenommen.
Verstehe die Geschichte; aber nicht, wenn der Fremde schlecht dargestellt wird. Das Fälle, lassen wir die einheimische Mafia aus, die meist nicht erwähnenswert sind.
Thomas Knauer 29.11.19 22:32
schön geschrieben , unterhaltsam zu lesen, mein Phone hat meinen Schlafrhythmus programmiert und ist in der Zeit stumm
Peter Brechbühl 24.11.19 14:45
Ist so
Wie immer sehr unterhaltsam geschrieben und entspricht im Kern den Tatsachen.
Danke, weiter so