Deutschlands Christdemokraten vor schwerem Neuanfang

CDU-Parteivorsitzender Armin Lasche trifft zu einer Pressekonferenz in Berlin ein. Foto: epa/Filip Singer
CDU-Parteivorsitzender Armin Lasche trifft zu einer Pressekonferenz in Berlin ein. Foto: epa/Filip Singer

BERLIN: Die Ära Merkel endet für die CDU im Desaster. Kanzlerkandidat Laschet fällt krachend durch, das Ergebnis der Bundestagswahl ist das schlechteste überhaupt. Wie geht es nun weiter?

Wohl keine Partei hat Deutschland in der Nachkriegszeit so geprägt wie die CDU. In den 72 Jahren seit Gründung der Bundesrepublik 1949 stellten die Christdemokraten 52 Jahre lang den Bundeskanzler oder die Kanzlerin. In den 20 Oppositionsjahren konnten sie dank ihrer starken Position in den Bundesländern die deutsche Politik mitgestalten.

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl vom 26. September steht die Partei vor einem sehr schweren Neustart. Zum Ende der Ära Angela Merkels, die nach 16 Kanzlerinnenjahren nicht mehr antrat, holte die CDU - gemeinsam mit ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU - nur noch 24,1 Prozent der Stimmen, das mit Abstand schlechteste Ergebnis auf nationaler Ebene. CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet fiel krachend durch, seine Tage an der Parteispitze sind gezählt.

Ein Sonderparteitag soll nun den gesamten Vorstand neu wählen. Das Datum - Dezember oder Januar - steht noch nicht fest. Unklar ist auch noch, wie stark die knapp 400.000 CDU-Mitglieder bei der Suche nach einem Laschet-Nachfolger einbezogen werden. Dazu sollen am 30. Oktober zunächst die CDU-Kreisvorsitzenden beraten.

Debatten zeichnen sich ab über die künftige Ausrichtung der Partei und auch über das konfliktträchtige Verhältnis zur CSU. Letztere tritt nur in Bayern an, die CDU nur in den übrigen 15 deutschen Bundesländern. Im Bundestag bilden sie eine gemeinsame Fraktion. Eine solche Aufteilung gibt es bei keiner anderen der auf nationaler Ebene relevanten Parteien in Deutschland.

Für die CDU ist es schon der dritte Führungswechsel in nur drei Jahren. Merkel hatte nach schlechten Landtagswahlergebnissen den Parteivorsitz Ende 2018 abgegeben. Ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer warf schon im Februar 2020 nach einer politischen Krise in Thüringen das Handtuch. Wegen der Corona-Pandemie verzögerte sich der Führungswechsel, erst im Januar dieses Jahres wurde der CDU-Chef gewählt. In einer Stichwahl setzte er sich bei einem Online-Parteitag knapp gegen den Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz durch.

Der 65-jährige Merz wird jetzt wieder als ein möglicher Bewerber fürs CDU-Spitzenamt gehandelt, zusammen mit dem Außenpolitiker Norbert Röttgen (56), dem Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus (53), dem Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann (44) und Gesundheitsminister Jens Spahn (41). Letztere zwei stünden sicher am deutlichsten für einen Generationswechsel.

Der 60-jährige Laschet hatte sich dank massiver Unterstützung der CDU-Gremien im Rennen um die Kanzlerkandidatur gegen CSU-Chef Markus Söder (54) durchgesetzt. Kandidat der Parteibasis war er nie. Viele CDU-Mitglieder, besonders außerhalb Nordrhein-Westfalens, taten sich im Wahlkampf schwer, für Laschet zu werben, Söder war in Umfragen deutlich populärer. Dieser trat nach dem verheerenden Wahlergebnis noch einmal nach. «Es ist einfach so, am Ende wollten die Deutschen einen anderen Kanzlerkandidaten als den, den CDU und CSU aufgestellt haben», sagte Söder am vorigen Samstag.

Die Querschüsse aus Bayern dürften weitergehen. Auch die CSU musste am 26. September Federn lassen, mit 31,7 Prozent der Stimmen im eigenen Land lag sie aber deutlich besser als die CDU im Rest der Republik. Vielen in der CDU gehen die Münchner Besserwisser auf die Nerven. Merz hat das Verhalten der Schwesterpartei im Wahlkampf mit ihrem ständigen Herumkritteln an Laschet heftig kritisiert. «Das Jahr 2021 markiert einen Tiefpunkt unserer Zusammenarbeit und unseres Umgehens miteinander», schrieb er in einem Newsletter.

Noch weiter ging der früherer Regierungssprecher Friedhelm Ost. Er forderte die CDU in einem Blog auf, über «eine Befreiung von der CSU-Last» nachzudenken und selber in Bayern anzutreten. Die CDU dürfe es nicht mehr zulassen, «dass der Schwanz mit dem Hund wackelt», verlangte der einstige Sprecher von Kanzler Helmut Kohl (1982-1998).

Theoretisch hat die CDU/CSU auch als zweitstärkste Kraft im Bundestag noch eine Regierungsoption, nämlich in Form einer «Jamaika»-Koalition mit FDP (Liberalen) und Grünen. Derzeit laufen aber Sondierungen für eine «Ampel»-Koalition aus Sozialdemokraten, FDP und Grünen. Söder forderte die Schwesterpartei auf, sich bei FDP und Grünen nicht anzubiedern, nur um in der Regierung bleiben zu können.

In Sachen Generationswechsel setzten nun zwei CDU-Größen ein Zeichen: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (63) und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (59), die keine Chance mehr haben, Minister zu bleiben, ziehen sich zugunsten von zwei jüngeren CDU-Politikern auch aus dem Bundestag zurück. Dagegen will CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble (79), der wesentlich dazu beitrug, Laschet als Kandidaten durchzusetzen, weitermachen. Wegen der Stimmenverluste der Union kann er zwar nicht Bundestagspräsident bleiben, sein Bundestagsmandat will er aber die vollen vier Jahre ausüben. Im nächsten Jahr wird der frühere Innen- und Finanzminister, Partei- und Fraktionschef dem deutschen Parlament 50 Jahre angehören.

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