Schlappe bei der Lkw-Maut - Bund drohen Mindereinnahmen

Ein Lastwagen fährt bei Magdala (Thüringen) auf der Bundesautobahn A4 unter einer Maut Kontrollbrücke durch. (zu dpa
Ein Lastwagen fährt bei Magdala (Thüringen) auf der Bundesautobahn A4 unter einer Maut Kontrollbrücke durch. (zu dpa "Deutschland droht Schlappe bei Lkw-Maut - was darf berechnet werden?") Foto: Marc Tirl/dpa

BERLIN/LUXEMBURG: Wieder ging es beim Europäischen Gerichtshof um eine deutsche Maut. Diesmal aber nicht um die Pkw-Maut, die krachend scheiterte - sondern um die Lkw-Maut. Laut EuGH sind die Gebühren zu hoch.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Mittwoch über die Berechnung der deutschen Lkw-Maut geurteilt. Laut den obersten europäischen Richtern dürfen Kosten für die Verkehrspolizei in die Berechnung der Straßennutzungsabgabe nicht einfließen. Eine Niederlage für Deutschland.

Worum genau geht es?

Eine polnische Spedition hatte beim Oberverwaltungsgericht Münster auf die Rückzahlung deutscher Autobahnmaut aus den Jahren 2010 und 2011 geklagt. Aus ihrer Sicht verstoßen die Mautsätze gegen die EU-Wegekostenrichtlinie. Wichtigster Streitpunkt waren Kosten für die Verkehrspolizei. Die deutschen Richter hatten den EuGH um Auslegung der Richtlinie gebeten, wonach bei Mautgebühren nur «Infrastrukturkosten» angesetzt werden dürfen.

Wie lautet das Urteil?

EuGH-Gutachter Henrik Saugmandsgaard Øe hatte bereits befunden, dass die Kosten für den Verkehrspolizei da nicht hineingehörten. Spielraum bei der Berechnung sah er nicht. Selbst eine geringfügige Überschreitung der Infrastrukturkosten bei den Mautgebühren verletze EU-Recht. Wie häufig, folgten die obersten EU-Richter am Mittwoch ihrem Gutachter. Die Kosten der Verkehrspolizei dürften bei der Berechnung der Mautgebühren nicht berücksichtigt werden. Die Richter lehnten auch einen Antrag der Bundesregierung ab, mit dem die zeitliche Wirkung eines Urteils zulasten der Bundesrepublik begrenzt werden soll. Die Bundesrepublik hatte in der mündlichen Verhandlung einen Betrag von 200 Millionen Euro pro Jahr für Ausgaben für die Verkehrspolizei genannt.

Worum geht es bei der Lkw-Maut?

Die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen wurde 2005 eingeführt. Damit wurde laut Verkehrsministerium ein Systemwechsel vollzogen - weg von der Steuer- und hin zur Nutzerfinanzierung des Fernstraßenbaus. Denn gerade schwere Lastwagen verschleißen die Straßen. Inzwischen ist die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet worden. Sie gilt für Lastwagen ab 7,5 Tonnen. Bei der Abgabe gibt es eine Differenzierung nach dem Schadstoffausstoß der Fahrzeuge.

Ein wesentlicher Bestandteil der Infrastrukturkosten sind laut Berechnung der Wegekosten für das Bundesfernstraßennetz für die Jahre 2018 bis 2022 Betriebs-, Unterhaltungs- und Mauteinzugskosten - sowie Aufwendungen für die Polizei, die nun gekippt wurden.

Pläne für eine deutsche Pkw-Maut hatte der EuGH im Juni 2019 gestoppt, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist deswegen schwer unter Druck. Wegen möglichen Verstößen gegen das Haushalts- und Vergaberecht läuft ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Welche Folgen könnte das Urteil haben?

Zum einen droht, dass Deutschland Mautgebühren zurückerstatten muss. Die Frage ist, für welchen Zeitraum genau. Nach dem Urteil des EuGH muss über den konkreten Fall in dem Musterverfahren das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden. Es drohen nun aber weitere Schadenersatzforderungen.

Zum anderen droht der Bund mitten in Zeiten angespannter Kassen durch die Corona-Krise Einnahmen zu verlieren. Bisher werden durch die Lkw-Maut Einnahmen von rund 7 Milliarden Euro im Jahr eingenommen, die für die Fernstraßen verwendet werden.

Eine Folge des Urteils könnte sein, dass das Wegekostengutachten zur Berechnung der Lkw-Mautsätze neu gefasst wird. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann, sagte, in einem neuen Wegekostengutachten sollten neue Faktoren wie etwa Umweltschäden berücksichtigt werden, um Mindereinnahmen zu verhindern.

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