Ostsee-Großmanöver «Northern Coasts»

Archivfoto: epa/Filip Singer
Archivfoto: epa/Filip Singer

RIGA: Stärke zeigen auf der Ostsee: Unter deutscher Führung üben verbündete Seestreitkräfte vor der Küste des Baltikums. Bei dem Manöver geht es um die Bündnisverteidigung - ein Signal auch an Russland.

Die Jagd auf U-Boote oder die Räumung von Minen im Meer - bei dem von der Bundeswehr geleiteten Ostsee-Großmanöver «Northern Coasts» wurden dem stellvertretenden Inspekteur der deutschen Marine, Vize-Admiral Frank Lenski, am Montag Übungsszenarien an der Nato-Ostflanke vorgeführt. Lenski zeigte sich zufrieden mit der starken Präsenz der verbündeten Seestreitkräfte vor der Küste des Baltikums. «Wenn man sieht, mit wie viel Einheiten wir jetzt mal dicht vor der Küste der baltischen Staaten operieren, muss man das schon als sehr klares Zeichen sehen», sagte Lenski der Deutschen Presse-Agentur an Bord des US-Militärschiffs «USS Mesa Verde» vor der Küste Lettlands.

Bei der Übung trainieren mehr als 3000 Soldaten aus 14 Ländern, rund 30 Schiffe und Boote sowie etwa 20 Luftfahrzeuge vor der Küste des Baltikums. Damit soll an der Nato-Ostflanke Stärke gezeigt und Entschlossenheit demonstriert werden. Das Übungsgebiet ist nicht weit von der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad entfernt. Dort hat Russland seine baltische Flotte stationiert.

Gemeinsam mit weiteren hochrangigen Militärs von Bündnispartnern und einem Mitglied des Verteidigungsausschusses im Bundestag machte sich Lenski von dem über 200 Meter langen US-Kriegsschiff aus ein Bild von dem Seemanöver. Dabei wurden dem Befehlshaber der Flotte verschiedene Übungsszenarien wie etwa U-Bootjagd oder Minenräumen - inklusive einer Minendetonation - sowie das Zusammenwirken der verbündeten Militäreinheiten vorgeführt.

Deutsche Führung im Ostseeraum

Geleitet wird die Übung in den Küstengewässern und den Land- und Lufträumen Estlands und Lettlands von einem rund 1000 Kilometer entfernten Führungsstab in Rostock. «Für uns Deutschen ist es besonders wichtig, dass wir mit diesem Manöver zeigen, dass wir Führungsverantwortung im Ostseeraum übernehmen», sagte Lenski. Auch solle damit demonstriert werden, dass der Stab in der Lage sei, komplexe Manöver zu führen. Dies sei aus seiner Sicht gelungen. Das bislang größte Manöver unter deutscher Führung laufe «hervorragend».

Lenski verwies weiter darauf, dass Deutschland der Nato die Fähigkeit zur Führung von Seestreitkräften in einem regionalen maritimen Hauptquartier für die Ostsee gemeldet habe. Der dafür vorgesehene Stab führe auch das laufende Großmanöver, dessen Flottenverband fast so groß wie die gesamte deutsche Marine sei. Neben Ostsee-Anrainern nehmen auch Italien, Frankreich, Kanada und die USA teil.

Trainingsziel: Bündnisverteidigung

«Northern Coasts» findet bereits seit 2007 jährlich auf Initiative der deutschen Marine statt. Doch erstmals wird nun angesichts massiv verschlechterter Beziehungen mit Russland seit dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Szenario der Bündnisverteidigung zugrunde gelegt. So soll an der Nato-Ostflanke etwa trainiert werden, im Ernstfall die Seewege der baltischen Staaten freizuhalten. Dazu müssen sich die teilnehmenden Einheiten in simulierten Gefechtssituationen bewähren.

«Die Ostsee ist für alle Anrainerstaaten die Lebensader und eine Unterbrechung des Handelsverkehrs hätte fatale Folgen», sagte Flottillenadmiral Stephan Haisch vor Beginn des Seemanövers in Riga. Der deutsche Übungsleiter betonte, dass es nur vier Zugangswege gebe, um per Schiff in die Ostsee - eines der dichtbefahrensten Seegebiete der Welt - zu gelangen: «Sehr leicht zu kontrollieren, aber andererseits auch sehr leicht zu blockieren.»

Verschiedene Übungsszenarien auf offener See

Gesammelt hatte sich der Flottenverband von gut 30 Schiffen und Booten - darunter sechs Fregatten und Zerstörer, vier Korvetten und Patrouillenschiffe sowie ein U-Boot - im Hafen von Riga und vor der Küste. Seit knapp einer Woche befinden sich die Einheiten nun auf offener See. Trainiert wird dort neben den vorgeführten Operationen auch der Schutz von Häfen und das Anlanden von Truppen an Land.

In der nun beginnenden zweiten Manöverwoche soll es ein Übungsszenario mit einem Drehbuch geben, das auf bestehenden Plänen zur kollektiven Verteidigung der baltischen Staaten basiere. Dabei werden die teilnehmenden Einheiten in zwei Gruppen eingeteilt und müssen mit zuvor unbekannten Herausforderungen umgehen. «Ich erwarte, dass es zum Abschluss noch herausfordernder wird und noch dynamischer. Und dass wir am Ende dann wirklich mit einem ganz, ganz guten Gefühl herausgehen», sagte Haisch, der sich sehr zufrieden zum bisherigen Verlauf von «Northern Coasts» äußerte.

Bislang keine Störungen oder Provokationen

Nach Angaben des Übungsleiter habe es während des Manövers bereits wiederholt Interaktionen zur Luft und zur See mit Einheiten der russischen Armee gegeben. Diese seien bislang alle als «routinemäßig und sicher» eingeschätzt worden, sagte Haisch und fügte hinzu, dass er nicht mit Störungen oder Provokationen rechne. «Ich erwarte kein aggressives oder eskalierendes Verhalten der russischen Streitkräfte.» Auch Lenski sagte, dass «Standardverhalten» zu beobachten sei.

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