Deutliche Kritik an britischem Außenminister Johnson

 Der neue britische Außenminister Boris Johnson. Foto: epa/Andy Rain
Der neue britische Außenminister Boris Johnson. Foto: epa/Andy Rain

LONDON/BERLIN (dpa) - Die neue britische Premierministerin Theresa May trifft weitere Personalentscheidungen. Für eine Ernennung muss sie Kritik aus dem Ausland einstecken: Es geht um den lauten Boris Johnson.

Die Ernennung des exzentrischen Boris Johnson zum britischen Außenminister hat international Skepsis und heftige Kritik ausgelöst. Für Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault spiegelt Johnsons Ernennung die politische Krise des Landes wider. «Er hat die Briten heftig angelogen», kritisierte der Politiker am Donnerstag im französischen Rundfunk. Johnson sei bisher nicht als herausragender Diplomat in Erscheinung getreten, sagte der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner der Deutschen Presse-Agentur. «Jetzt verhandelt er den Brexit. Gute Reise!». Indessen gab die britische Premierministerin Theresa May weitere Neubesetzungen in ihrem Kabinett bekannt.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte keine Namen, sagte aber: «Nachdem verantwortungslose Politiker das Land erst in den Brexit gelockt haben, um sich dann, als die Entscheidung feststand, aus dem Staub zu machen, die Verantwortung nicht zu übernehmen, stattdessen Cricket spielen zu gehen - ich finde das, ehrlich gesagt, ungeheuerlich.» Steinmeier äußerte sich bei einem Auftritt in der Universität Greifswald kurz vor Johnsons Ernennung. Nach Ansicht der Grünen könnte die Ernennung die britischen EU-Austrittsverhandlungen belasten. US-Außenminister John Kerry gratulierte seinem neuen britischen Kollegen telefonisch zur Ernennung. Kerry trifft Johnson am Montag beim EU-Außenministerrat in Brüssel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lud Premierministerin May nach Deutschland ein. Sie habe dies bei einem Telefonat mit May ausgesprochen, sagte Merkel in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. «Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Theresa May.» Die Ernennung von Johnson zum Außenminister wollte die Kanzlerin nicht kommentieren.«Ich glaube, unsere Aufgabe ist es, mit Regierungen befreundeter Länder sehr eng zusammenzuarbeiten», sagte Merkel.

Die Finanzminister Deutschlands und der USA dringen auf rasche und geordnete Verhandlungen mit Großbritannien über den Austritt. Die neue britische Regierung benötige zwar ein wenig Zeit, um sich zu vergewissern, wie die Beziehungen zu Europa gestaltet werden. «Aber je schneller es gelingt, Klarheit zu schaffen, umso so besser ist es, etwaige Risiken zu begrenzen», sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen Jacob Lew.

Die negativen Folgen der Entwicklungen müssten für Großbritannien, den Rest Europas und die Weltwirtschaft möglichst gering sein. Er stimme darin völlig mit Lew überein, sagte Schäuble vor dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in China Ende nächster Woche.

Drei Wochen nach dem historischen Brexit-Votum war May am Mittwoch von Königin Elizabeth II. zur Nachfolgerin David Camerons ernannt worden. Ihre wichtigste Aufgabe wird es sein, Großbritannien aus der EU zu führen und negative wirtschaftliche Folgen zu mildern.

Der neue britische Schatzkanzler Philip Hammond kündigte an, dass es für den Brexit kein Notfallbudget geben werde. «Wir werden tun, was nötig ist, um die Wirtschaft im Auge zu behalten», sagte er in einem Fernsehinterview. Hammond war bislang Außenminister.

Am Donnerstag wurden neue Änderungen in der Regierungsmannschaft bekannt: Bildungsministerin Nicky Morgan, die Nordirland-Ministerin Theresa Villiers, Kulturminister John Whittingdale und Justizminister Michael Gove verloren ihre Posten. Die britische Ministerin für Internationale Entwicklung, Justine Greening, ist künftig für Bildung zuständig. Umweltministerin Liza Truss wechselt in die Justiz. Ihren Posten übernimmt Andrea Leadsom. Die Minister werden nicht vereidigt.

May ist die erste Frau an der Regierungsspitze seit dem Rücktritt von Margaret Thatcher 1990. Cameron, der für den Verbleib in der EU kämpfte, gab sein Amt wegen der schweren Niederlage beim Brexit-Referendum vom 23. Juni auf.

Die britische Notenbank hält zunächst noch still und will die Zinsen vorerst nicht senken. Für den August stellten die Währungshüter aber eine Lockerung der Geldpolitik in Aussicht, sollte die Wirtschaft des Landes dies benötigen. Niedrige Zinsen können über günstigere Kredite etwa Investitionen anschieben und auch den Konsum beflügeln. Der Zinssatz bleibe aktuell auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent, teilte die Bank of England mit. Die Entscheidung sei mit einer Gegenstimme gefallen. Volkswirte hatten bereits jetzt einen Rückgang auf 0,25 Prozent erwartet.

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Leserkommentare

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Jürgen Franke 16.07.16 03:37
Die Kritik an dem britischen Außenminister
kann ich zwar nachvollziehen, ist aber völlig überflüssig, da Frau May diese Entscheidung so getroffen hat. Die Reaktionen unserer Politiker wird sie sicherlich nicht interessieren. Es besteht auch überhaupt keine Veranlassung, los zu heulen. Die kommenden Wochen werden also wieder spannend werden. An die Adresse von Herrn Volkmann erlaube ich mir lediglich den Hinweis, dass alle Handlungen der Frau Merkel, so auch die Öffnung der Grenzen, von dem Souverän, nämlich dem deutschen Volk, gedeckt sind. Sie ist nun mal als Bundeskanzlerin gewählt worden. Im nächsten Jahr steht sie zur Wahl. In ihrer Amtszeit wurden viele Fehler gemacht. Darunter fällt auch das Festhalten an Griechenland. Was zur Folge hat, dass munter weiter Schulden gemacht werden können. Insbesondere in den Südländern. Eine Gleichung stimmt immer: Hohe Schulden gleich hohe Arbeitslosigkeit.
Hans-Dieter Volkmann 15.07.16 17:59
Das die Deutschen nun losheulen
Sehr geehrter Herr Pires,
woher nehmen Sie nur Ihre Behauptungen. Sie verbreiten Falschinformationen. Nicht "die Deutschen" sondern ein bestimmter politischer deutscher Teil und deren Anhänger hat Flüchtlinge aus Kriegs.- und Gefahrengebieten nach Deutschland (Frau Merkel), in der Hoffnung auf Asyl, eingeladen.Heute sind viele Deutsche Bürger mit der Politik von Frau Merkel nicht einverstanden. Es wurden niemals Wirtschaftsmigranten eingeladen. Diese haben die Flüchtlingssituation als Trittbrettfahrer ausgenutzt und werden hoffentlich auch nicht als Asylant anerkannt. Und nun zu Ihrer Brexit-Darstellung.
Es gab nicht nur Beitragszahlungen an die E U, sondern auch Zahlungen an Großbritannien. Ich sage heute voraus es wird noch harte Verhandlungen geben bei denen Großbritannien hoffentlich nicht anders behandelt wird wie jedes andere Nicht-EU-Land. Das hat dann erhebliche wirtschaftliche Folgen für beide Seiten. Aber Großbritanien wird schwerer daran tragen. Die EU darf nicht leichtfertig nachgeben um nicht anderen EU-Mitgliedern mit Austrittspotential Hoffnung zu machen. Denn sonst würde die EU zu einem Rumpfgebilde schrumpfen. Übrigens hat sich die EU in viel zu kurzer Zeit viel zu schnell vergrössert.
Sie hat Länder aufgenommen, wie Großbritannien oder Polen die sich später dann als Querulantennation erwiesen. Sie hat ein betrügerisches Griechenland aufgenommen und als bemerkt wurde das Dokumente gefälscht waren, war es auch zu spät.

Mit freundlichen Grüßen
H.-D.Volkmann
Dracomir Pires 15.07.16 14:58
Dass die Deutschen nun losheulen ...
... ist an Zynismus kaum zu überbieten. Zuerst fluten sie Westeuropa mit Millionen von Wirtschaftsmigranten. Und wenn sich ein britischer Politiker erfolgreich dagegen wehrt, die Grenzen und die Zukunft selber bestimmen, die Arbeit den eigenen Jugendlichen geben und dabei erst noch viele Milliarden Beitragszahlungen einsparen will, wird er von den Grössten Europas massiv gebasht. Die Deutschen sollten mal überlegen, wieso der undemokratische Moloch jetzt auseinanderbricht.