Der Verfassungsschutz nimmt die AfD ins Visier

Foto: epa/Daniel Kopatsch
Foto: epa/Daniel Kopatsch

BERLIN (dpa) - Ist die AfD verfassungsfeindlich? Nicht eindeutig, meint der Inlandsgeheimdienst. Genauer hinschauen wollen die Verfassungsschützer in Zukunft aber schon. Die AfD will sich wehren.

Der Verfassungsschutz nimmt die AfD stärker unter die Lupe. Er erklärt die Partei als Ganzes zum Prüffall, sieht aber die Schwelle zu einer Beobachtung mit V-Leuten und Telefonüberwachung noch nicht erreicht. Noch genauer hinschauen will der Inlandsgeheimdienst beim rechtsnationalen «Flügel» und der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA). Diese wurden zum Verdachtsfall erklärt, wie der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, am Dienstag in Berlin erläuterte. Die AfD will sich juristisch wehren.

Es gebe gewichtige Anhaltspunkte, dass «Flügel» und JA als «extremistische Bestrebungen» einzustufen seien, argumentierte Haldenwang. Aus dem BfV hieß es, es sei das erste Mal, dass eine im Bundestag vertretene Partei als Prüffall eingestuft werde.

Eine Partei kann zum Prüffall werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln grundsätzlich nicht erlaubt.

Wird eine Organisation dagegen zum Verdachtsfall erklärt wie jetzt der «Flügel» um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke, dann ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich, aber nur sehr eingeschränkt: Gestattet ist dann zum Beispiel eine Observation, ebenso das Einholen bestimmter Informationen von Behörden. Während bei Verdachtsfällen personenbezogene Daten gespeichert werden können, werden bei Prüffällen keine so genannten Personenakten angelegt.

Es gebe keinen Automatismus, gleich das ganze Arsenal zum Einsatz zu bringen, erklärte Haldenwang auf die Frage nach einer möglichen Überwachung von Höcke. Welche Mittel genutzt würden, werde sich ergeben. Sogenannte V-Leute und die Überwachung von Telekommunikation kommen auch bei Verdachtsfällen nicht zum Einsatz. Das erfolgt erst, wenn eine Organisation formell als Beobachtungsobjekt eingestuft wird.

Die AfD will juristisch gegen die Neubewertung als Prüffall vorgehen. Er halte die Argumente für nicht tragfähig, sagte Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Seine Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von einer «Wettbewerbsverzerrung im politischen Wettbewerb». Gauland betonte, es gebe keine Veränderung in der Zusammenarbeit mit dem «Flügel» und der JA. Die Entscheidung der Verfassungsschützer habe auch überhaupt keine Auswirkung auf die bevorstehenden Wahlkämpfe.

Der Bundes-Verfassungsschutz stützt seine Einschätzungen auf öffentlich zugängliches Material und Informationen, die von den Landesämtern für Verfassungsschutz geliefert wurden. Für die Neubewertung der AfD als Ganzes seien nicht Positionen in programmatischen Schriften relevant, sondern Äußerungen von Mitgliedern, sagte Haldenwang. Allerdings gehe es um eine «große Partei mit einer hohen Diversität in ihren politischen Aussagen». Inwiefern radikale Wortmeldungen charakteristisch für Ziele und Ausrichtung der gesamten Partei seien, müsse nun geklärt werden.

Zur JA sagte Haldenwang, in deren zentraler Programmschrift «Deutschlandplan» seien «viele, die Menschenwürde missachtende Positionen» enthalten. Er sprach von einer «pauschalen Verunglimpfung von Flüchtlingen». Und weiter: «Das durch den "Flügel" propagierte Politikkonzept ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitergehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet.»

Bisher wurde zumindest vom Bundesamt kein AfD-Politiker beobachtet und auch kein Linken-Politiker. Allerdings werden bei der Linken bestimmte Strömungen wie die «Kommunistische Plattform» beobachtet.

Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Andrea Nahles, erklärte: «Wir haben in unserer Verfassung nicht ohne Grund und auch aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit eine wehrhafte Demokratie verankert, und das schließt eben ein, dass wir Feinde der Demokratie entsprechend beobachten.» FDP-Chef Christian Lindner warnte, die Entscheidung sei kein Grund zur Freude: «Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen». Es dürfe nicht zu einem «Opfer- und Märtyrerkult bei der AfD» kommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich hinter die Bewertung, unterstrich aber, es gehe um eine fachliche und keine politische Entscheidung. «Der Rechtsstaat muss das rechtlich Gebotene tun», sagte er nach einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Die Befürchtung, die AfD könne sich dadurch als Opfer darstellen, spiele bei einem solchen Schritt keine Rolle.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU, sagte, es sei «Ausdruck einer wehrhaften Demokratie und eines Rechtsstaats, von dem vorhandenen und durchaus differenzierten Instrumentarium Gebrauch zu machen und zwischen der Partei, ihren Teilorganisationen und einzelnen Mitgliedern zu unterscheiden».

AfD-Fraktionschefin Weidel stellte einen Zusammenhang mit dem Abgang des früheren BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen her: «Es wird nun offensichtlich, warum Verfassungsschutz-Präsident Maaßen den Hut nehmen musste. Er musste aus dem Weg, um einen "Prüffall AfD" konstruieren zu können.» Bundesinnenminister Seehofer hatte Maaßen im November in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Hintergrund waren mehrdeutige Äußerungen Maaßens zu Protesten in Chemnitz. Haldenwang erklärte, das sei für die Entscheidung irrelevant: «Heute sitze ich hier.» Er betonte zudem: «Wir haben hier kein Ermessen.»

Nachdem radikale Äußerungen einiger Mitglieder der Jungen Alternative an die Öffentlichkeit gekommen waren, hatte die AfD-Spitze Ende 2018 in Erwägung gezogen, der JA die Anerkennung als Nachwuchsorganisation der Partei zu entziehen. Eine Entscheidung steht aber noch aus.

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Dracomir Pires 18.01.19 10:31
Was ist nur los mit Deutschland?
Alle Parteien, die den Kartell-Parteien unter Merkel nicht genehm sind, werden unter Beobachtung gestellt. Das nennt man Gesinnungsterror - und wird der AfD enormen Auftrieb geben. Nur weiter so im undemokratischen Land.
Oliver Harms 18.01.19 10:21
neuer verfassungschutzpräsident ist extrem links
der typ hat sich als landeschef des sicherheitsdienstes in thüringen geweigert gegen die antifa schlägertruppen vorzugehen.
da haben merkel und co sich genau den richtigen gefolgsmann ausgesucht um die zensur weiter betreiben zu können.wer wird jetzt noch die lügen aufdecken?
Jürgen Franke 17.01.19 22:07
Die AfD wird gegen diese Vorwürfe
gerichtliche Schritte einleiten. Als große Oppositionspartei mit teilweise brillanten Redner im Bundestag ist sie für die anderen Parteien ein Dorn im Auge und es wird nun mit allen Mitteln versucht, ihr den Todesstoß zu versetzen
Jürgen Franke 17.01.19 14:27
Alle Parteien in Deutschland werden finanziell
aufgrund ihres Stimmenanteils vom Staat unterstützt. Dieses Geld würde wegfallen, wenn sich eine Partei verfassungsfeindlich verhält. Die Parteienlandschaft Deutschlands würde förmlich aus den Fugen geraten, wenn die AfD bei den Landtagswahlen im Herbst in Thüringen aufgrund ihrer Stärke den Realschullehrer Höcke zum Ministerpräsidenten wählen könnte. Aber die Menschen werden auch das in der Wahlkabine entscheiden.
Johann Riedlberger 17.01.19 13:56
Die Angst muss groß sein
Das Merkelregiime arbeitet mit allen Mitteln, um die einzige Opposition, zu den 5 Blockparteien auszuschalten. In diesem Jahr stehen Wahlen an, man will einen weiteren Aufstieg der AfD verhindern. Alle "Fehler" der letzten Wahlen gingen zu Lasten der AfD. Parteimitglieder werden zusammengeschlagen, wie vor kurzem in Bremen passiert. Durch die Beobachtung werden Beamte gezwungen die Partei zu verlassen. Das Rezept der Staatssicherheit war auch hauptsächlich Einschüchterung.
judax judaxsa 17.01.19 13:20
Demokratie in Deutschland
Da haben die alten ansässigen deutschen Parteien es mal wieder geschafft den Staatsapparat dafür zu benutzten eine neue Partei ins Aus zu drücken. Unter Beobachtung heist meiner Meinung nach Parteiinterne e-mails, Post etc. auf ihren Inhalt zu überprüfen und vieles mehr.