Der Trend „Y2K“

Diese Mode muss einem einfach Spaß machen

Jogginghosen, Shirts und weite Oberteile: Die Männermode ist derzeit an den Stil der frühen 2000er angelehnt. Foto: H&M/dpa-tmn
Jogginghosen, Shirts und weite Oberteile: Die Männermode ist derzeit an den Stil der frühen 2000er angelehnt. Foto: H&M/dpa-tmn

Da läuft er vorbei: Nick Carter von den Backstreet Boys! Schneller Herzschlag, Schnappatmung. Doch bevor Sie jetzt loskreischen wie zu Teenagerzeiten, gucken Sie besser noch mal genauer hin. Denn dann fällt Ihnen auf: Carter, heute 42 Jahre alt, dürfte längst nicht mehr so jung aussehen.

Willkommen in der guten alten Zeit von heute. Denn die Styles der frühen 2000er Jahre sind wieder in Mode. Der Trend nennt sich Y2K. Das müssen Sie wissen, um mitreden zu können:

Wofür steht Y2K?

„Y2K“ ist eine Abkürzung aus der Computersprache. Es steht für „Year 2 Kilo“ und bedeutet so viel wie „Jahr 2000“. Bekannt wurde die Abkürzung im Zusammenhang mit dem Jahr-2000-Problem, „Millenium-Bug“ oder eben „Y2K-Bug“. Dabei handelte es sich um einen Programmierfehler, der drohte, zur Jahrtausendwende zahlreiche Computersysteme abstürzen zu lassen – inklusive Zusammenbruch der bereits vernetzten Welt. Eine Art digitales Weltuntergangsszenario also. Zwar verschlang die Lösung des Y2K-Problems damals Unsummen, es ging aber nicht so schlimm aus wie befürchtet.

Warum kommt die Mode wieder?

Derzeit erleben wir viele Bedrohungen: Den Klimawandel, einen Krieg in Europa, die Pandemie. Gerade die Corona-Krise hat in den vergangenen Jahren ihre Spuren in unseren Leben hinterlassen. Und sie ist Trendexperten zufolge an der Entwicklung des Y2K-Trends nicht ganz unschuldig, so Modeberater Andreas Rose aus Frankfurt. „Die Modepsychologie geht davon aus, dass wir uns in bestimmten Farben, Mustern und Styles kleiden, um wieder bessere Laune zu bekommen. Man nennt das Dopamin-Dressing.“

Das Motivations- und Glückshormon Dopamin wird in Erwartung von Positivem ausgeschüttet – also schon, wenn wir etwas planen, neue Aufgaben angehen oder uns auf etwas freuen. „Wenn man also ganz bewusst auf bestimmte Kleidung setzt, kann man schon bessere Laune bekommen“, so Rose.

Allerdings hat sich Y2K als Modetrend schon früher angekündigt, 2019 etwa mit dem Comeback der Plateausohlen und Bauchtaschen. So eine Rolle rückwärts ist für die Modebranche nicht ungewöhnlich, nimmt sie sich doch immer wieder gerne zurückliegender Epochen an. Gerade der 70er-Hippie-Look kommt immer wieder mal hoch, auch die 80er waren gerade erst dran, gefolgt von den 90ern. Und nun folgte der fließende Übergang zu den 2000ern. Und auch das spricht unsere Emotionen an: Die vermeintlich guten alten Zeiten können für ein Gefühl von Sicherheit stehen, von Entschleunigung. Nicht wenige Firmen bewerben ihre Kleidung aktuell mit Slogans wie „good old times“ (Madeleine) oder der „celebration of life“ (Karl Lagerfeld).

Was macht den Look aus?

Der Look der 2000er lässt sich am besten als eine Mischung aus Gangsta-Rap, Loveparade und Pop beschreiben. Vielfältig, dabei oft schrill, bunt, nicht selten freizügig – und in seiner Reinkultur damit nicht immer ganz alltagstauglich.

Frauen tragen vor allem knappe Bandeau-Tops und kurze Cardigans zur weiten Baggy Pant, Jogginghose oder Schlagjeans. Alternative: ein Mini-Rock. An heißen Sommertagen ist oben rum auch mal nur der BH oder das Bikini-Top angesagt. Überhaupt im Fokus: das bauchfreie Oberteil. Männer tragen auch weite Baggy- und Cargohosen, dazu weite Shirts und Hoodies, an warmen Tagen einfach ein weißes Muskelshirt.

Zu den Outfits gehören ausgefallene Sonnenbrillen mit farbigen Gläsern, klobige Schuhe, Caps und Bling-Bling. Und viel Farbe: Viel Knalliges, wild gemischt, wenn nicht gar Neontöne. Es ist immer ein Spagat zwischen kitschig und schimmernd, zwischen trashig und einfach cool. Sogar die Frisuren machen da mit, auch das Make-up kann bunt und ausgefallen sein.

So hat sich das Trendteam des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks (ZV) für seine Kollektion im Frühjahr/Sommer 2022 „von Girl- und Boy-Bandlooks, aber auch von der Technobewegung und Ravern“ inspirieren lassen. Frauen tragen da beispielsweise einen dicken Pony über die ganze Stirn, Männer stark blondierte kurze Haare oder den halblangen Nick-Carter-Look mit Mittelscheitel.

Wer trägt die Looks?

Vor allem ist es die Generation Z, also jene, die um die Jahrtausendwende geboren wurden. Sie wollen sich austoben, experimentieren und ihren Körper mit der Mode vielleicht auch entde­cken, so Rose. In Reinkultur sieht man Y2K aber eher an großen Modefans und Trendsettern.

Die Älteren dürfen doch auch, oder?

Na klar! Warum auf tolle Kleidung verzichten, die dazu noch gute Laune macht? Aber es sollte niemals nur darum gehen, modisch oben auf zu sein. Wichtig ist, dass der Style zum Typ passt und man sich deswegen darin auch gut fühlt.

Shopping-Berater Andreas Rose sagt daher: „Ich bin der Meinung, vieles von diesem Look ist für uns Ältere einfach nicht mehr stilvoll tragbar.“ Sein Rat an alle über 35-Jährigen, die den Trend schon einmal mitgemacht haben: sich eine Frage stellen. „Wenn Sie jetzt ein Teil anziehen, das Sie selbst schon in den 2000er Jahren anhatten, sagen wir mal eine Hüfthose, der Stringtanga guckt heraus, dazu ein bauchfreies Bandeaux-Top: Fühlen Sie sich darin noch wohl?“

Falls ja, willkommen zurück in den 2000ern. Sonst sollte man sich besser nur einzelne Elemente des Modestils herausgreifen, etwa ein Accessoires, das man damals geliebt hat: Bandanas, eine Sonnenbrille mit bunten Gläsern. Oder die klobigen Schuhe.

Sein Tipp für Frauen ist das Slip Dress. „Das kann man wunderbar in Midi- und Maxilänge tragen, gerade für das Ausgehen am Abend“, sagt Rose. Das gerade oder A-linienförmig geschnittene Kleid ist oft hauteng und besticht durch filigrane Spaghetti-Träger. Roses Lieblingsstück ist aber das klassische Trägertop, ein guter Begleiter zu Hosen und Röcken. „Darüber sieht man jetzt oft auch Cardigans.“

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