Der Thailand-Virus

In den letzten Monaten lesen wir täglich in der Presse beunruhigende Nachrichten über einen zuerst in Mexiko neu aufgetauchten Virus. Der sogenannte Schweinegrippenvirus ist hoch ansteckend und inzwischen auch nach Europa und Asien verschleppt worden. Er hat bereits eine Reihe Todesopfer gefordert. Die Weltgesundheitsbehörde befürchtet eine Pandemie und hat alle Länder aufgefordert, entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen zu ergreifen. Trotz dieser Maßnahmen gab es vor Kurzem auch die ersten Schweinegrippefälle in Thailand.

Hier soll nun aber von einem anderen Virus die Rede sein, der schon Hunderttausende von Thailandurlaubern befallen hat und zwar bisher kaum Todesopfer gefordert, aber teilweise beträchtliche Vermögensschäden verursacht hat. Die Infektion ist nicht neu. Nach meinen unvollständigen Recherchen trat sie im deutschsprachigen Raum zum erstenmal auf, als zu Beginn der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts, nach dem Ende des Vietnamkriegs, die Erholung suchenden und von dort nach Pattaya eingeflogenen amerikanischen GIs ausfielen und durch in Neckermann-Bumsbombern einfliegende Touristen ersetzt wurden. Sie wurden sehr oft von einem Virus befallen, den man den Thailand - Virus nennen könnte. Sie kommen immer wieder zurück und denken gar daran, sich auf Dauer in Thailand niederzulassen, oder überlegen zumindest, ihren Lebensabend hier zu verbringen.

Die SymptomeDie Symptome zeigen sich erst geraume Zeit nach der Ansteckung, in der Regel erst nach der Rückkehr vom ersten Thailand-Urlaub. Typische Zeichen dafür, dass man vom Thailand-Virus befallen ist, sind:

1. Träume von willigen Mädchen mit schwarzen Haaren und Mandelaugen, die vor einer Bar sitzend jedem vorbeikommenden männlichen Wesen, ob 18 oder 80 zurufen: "Hallo, sexy man, sit down here”.

2. Zunehmende Unlust, sein normales Tagewerk bei trübem und kaltem Wetter zu beginnen.

3. Sich ständig verstärkende Tagträume von Liegestühlen unter Palmen am Strand.

4. Anlegen eines Kalenders, in dem die noch anstehenden Tage bis zum nächsten Thailandurlaub täglich abgestrichen werden.

5. Intensives Studium von Flugpreisen im Internet, um günstige Thailandflüge herauszufinden.

6. Häufig geäußerter Stoßseufzer "Ich möcht’ zurück nach Thailand”.

Beim obligatorischen nächsten Besuch in Thailand verstärken sich diese Symptome. Falls das nicht schon beim ersten Mal der Fall war, verliebt man sich unsterblich in eine der mandeläugigen Schönen und denkt nun nach seiner Rückkehr nach Deutschland ununterbrochen darüber nach, wie man es hinkriegen könnte, den Rest seines Lebens mit solch einem Engel zu verbringen. Es gibt da zwei Möglichkeiten: Entweder man holt den Engel zu sich nach Deutschland, oder man zieht selbst ganz nach Thailand. Für den noch Berufstätigen ist in der Regel nur die erste Lösung möglich, wenn auch zunehmend schwieriger, da die deutsche Regierung zur Vermeidung des Zuflusses von Liebesdienerinnen zunehmend Hürden für die Visaerteilung aufgebaut hat. Die zweite Möglichkeit bietet sich allgemein nur für Rentner, da die thailändische Regierung, um sich vor Hungerleidern zu schützen, hier für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung den Nachweis eines ständigen, ausreichenden Einkommens verlangt. Als Übergangslösung bleibt der möglichst häufige Flug nach Thailand, begleitet von der regelmäßigen Überweisung entsprechender Mittel, die es der Herzallerliebsten (und ihrer Familie) erlauben, ein Leben weitgehend ohne Arbeit zu führen.

Antivirale MittelNun gibt es fast gegen jede Krankheit probate Mittel. Und wenn es sich um unbekannte neue Viren handelt, wie jetzt bei der Schweinegrippe, arbeitet die pharmazeutische Industrie mit Hochdruck daran, ein Mittel - egal ob Pille oder Serum - zu finden, mit dem die Krankheit wirksam bekämpft werden kann. Wie sieht es nun damit beim Thailand-Virus aus?

Da ist zunächst einmal zu sagen, dass die von diesem Virus Befallenen nur sehr selten richtig genesen, und wenn, dann häufig nur mit schweren finanziellen und emotionalen Schäden. Die Rückfallquote ist extrem hoch. So kenne ich einige Fälle, in denen Farang, die mit der ersten Thaifrau eine Katastrophe erlebt und alles Investierte verloren haben, sich sofort an eine zweite oder gar dritte Schöne aus dem Land des Lächelns binden, nur um mit ihr wieder auf die Nase zu fallen.

Welche Mittel gibt es nun wirklich gegen diesen heimtückischen Virus, und wie wirken sie? Da sind zunächst die einschlägige Literatur und das Internet, wo all das, was einem mit dem Thailand-Virus infizierten Farang passieren kann, im Detail beschrieben wird und tunlichst nachgelesen werden sollte, bevor man zum ersten Mal nach Thailand reist und sich der Infektion aussetzt. Das Problem ist nur, dass jeder, der an einer Bar glaubt, sein Glück fürs Leben gefunden zu haben, zwar noch so viele negative Beispiele präsentiert bekommen kann, er wird trotzdem felsenfest daran glauben "meine ist anders”.

Etwas wirksamer ist da die Politik der Thairegierung, die darauf abzielt, zum einen klarzustellen, dass die Farang nur geduldete Gäste sind, zum anderen die Hürden für einen Daueraufenthalt in den letzten Jahren immer höher gelegt hat. Irgendwann wird dann auch dem begriffsstutzigsten Farang klar, dass er hier nicht geliebt wird, sondern nur geduldet ist.

Und da ist drittens die Mentalität der Thais, die unserer eigenen vollkommen konträr gegenübersteht. Die völlig andere Wesensart der Menschen in diesem Lande mag zwar zu Beginn etwas exotisch Anziehendes haben. Wer aber länger mit Thais zusammenlebt, dem wird irgendwann mal ihr unbesorgter Umgang mit seinem Geld, die geringe Wahrheitsliebe und die Unzuverlässigkeit aller Versprechen und Zusagen auf die Nerven gehen.

Ob aber all das ausreicht, um vom Thailand-Virus zu genesen, hängt von der Mentalität und den finanziellen Möglichkeiten jedes Einzelnen ab. Schließlich muss jeder für sich selbst die Vor - und Nachteile des Lebens in diesem Land gegeneinander abwägen. Es ist ja nicht so, dass man nur mit den oben angeführten Widrigkeiten fertig werden muss, man hat ja auch eine Menge Annehmlichkeiten in diesem Land, die auch nicht zu unterschätzen sind. Da wären u.a. neben einer jungen und hübschen Frau das warme Wetter und die geringen Lebenshaltungskosten zu nennen. Wer dann – so wie ich zum Beispiel – nach eingehender Prüfung und auch manchen Nackenschlägen zu der Überzeugung gelangt, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen, der ist zwar nicht vom Thailand-Virus genesen, dieser hat sich aber eingekapselt, und man ist weitgehend immun gegen sein schädliches Wirken geworden.

Günther Ruffert

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