Der Pool

Mitten im Resort gibt es ein großes Schwimmbad, das von jedermann gegen Eintritt besucht werden kann. Es hat in den drei letzten Jahren schon eine wechselvolle Geschichte erlebt, weil die Pächter oft schon nach kurzer Zeit den Bettel hinwarfen. Meist kündigte sich der Wechsel schon bei der Wartung an, die sukzessive vernachlässigt wurde. Der Pool bekam anfänglich einen Grünstich, die Betreiber waren immer seltener vor Ort, dafür öfters in der benachbarten Bar zu sehen. Vielleicht hatten sie im Internet einen Kurs besucht: Hege und Pflege eines Swimming-Pools von der Theke aus.

Wenn sich der Tang allmählich auf dem Beckenboden ausbreitete und einzelne Schlieren an der Oberfläche tanzten, war ich noch der letzte Mohikaner, der in die Pfütze stieg. Ich kann ja anschließend duschen, dachte ich mir und: je mehr Grün darin, umso weniger Chemo, und wenn ich versehentlich einen Schluck davon abbekomme, werde ich zuhause mit Whisky nachspülen und der Familie glaubhaft versichern, dass es sich um Medizin handeln würde, was mir den spöttischen Blick unserer Zehnjährigen einbringen wird.

Die anderen Besucher waren in benachbartes Gewässer abgetaucht, einige Anrainer ließen sich Betonwannen in den Garten legen, nannten sie Pool und waren so gut wie nie beim Planschen zu sehen. Ein Pool ist hier ein Statussymbol – darin zu schwimmen könnte bei den Nachbarn ein Stirnrunzeln auslösen: Da steigt man doch nicht hinein – den zeigt man nur her!

Trockenschwimmen für Fortgeschrittene

Und plötzlich war alles anders. Eines Tages standen ein halbes Dutzend Arbeiter in Overalls herum und hämmerten und zimmerten, dass es eine Freude war. Nur: Der Pool war leer, ich stand ratlos mit der Badehose am Rand und fragte mich, ob ich es mit Trockenschwimmen versuchen sollte, bezahlt hatte ich ja, einen Monat im Voraus.

Habe ich zimmerten geschrieben? Genau, in der Ecke wurde eine Bambushütte mit Tresen errichtet, das Dach mit Reisstroh gedeckt und an der Rückwand Regale eingezogen. Ein Lastwagen hielt vor dem Tor, Gärtner schleppten Tröge mit Blumen herein, es tat sich was, mein Rentnerherz erschauderte bei all der Betriebsamkeit. Ich war jetzt auch einer von denen, die mit Dächlikappe auf ihrem grauen Schopf stundenlang auf eine Baustelle glotzen konnten, nur eben ohne Mütze, dafür mit Badehose.

Am anderen Tag machte die Anlage schon einen respektablen Eindruck. Der Pool war gefüllt, überall Grün und mittendrin riesige Schilder, auf denen in fünf Fremdsprachen darauf hingewiesen wurde, vor dem Bad zu duschen und gefälligst nicht ins Becken zu springen. Alles war noch mit Piktogrammen garniert, für jene, die auch fünfsprachig nicht erreichbar waren. Ich überlegte mir, wie das Pikto aussehen müsste, das darauf hinweist, nicht in den Pool zu pinkeln? Ein durchgekreuztes Männeken Pis? Die Belgier hier würden sich freuen, obwohl es ein zwiespältiger Gruß aus der Heimat wäre.

Hinter dem Tresen der Bambushütte lachte mich ein großgewachsener Thai in meinem Alter an. Er sprach ein paar Brocken Englisch und den Rest erklärte er mir mit Händen und Füßen. Daraus konnte ich schließen, dass er jetzt der neue Bademeister sei und auch gleich hier wohne: er habe einen Schuppen zu einer Unterkunft ausgebaut. Ich machte ihm ein paar Komplimente für seinen Garten Eden, in welchem ich immerhin Adam gesehen hatte, eine Eva ließ sich nicht blicken.

Der Badebetrieb kam allmählich in Schwung. So zehn bis fünfzehn Besucher waren bald regelmäßig da, am Wochenende viele Kinder. Wenn ich am Abend hinging, fiel mir ein älterer Mann auf, der mit einer signalroten Schwimmweste und einer Art Schwimmflügel auf dem Wasser trieb. „Das ist mein Bruder,“ sagte der Bademeister. „Er lernt schwimmen... seit über zwanzig Jahren!“ Wir lachten beide, auch sein Bruder grinste aus dem Pool zu uns hinauf. Vermutlich konnte er den Inhalt des Gesprächs erahnen.

Bademeister als Nichtschwimmer

Ein paar Wochen später waren am Poolrand riesige, aufblasbare Plastikmonster à la Disneyland zu sehen, daneben Rettungsringe und eine meterlange Metallstange mit einem Ring am Ende. Ich muss wohl einen Augenblick zu lange darauf gestarrt haben, denn der Bademeister fühlte sich bemüßigt, mir zu erklären, dass es sich um eine Vorsichtsmaßnahme handle, falls jemand im Pool in Schwierigkeiten gerate. So könne er jederzeit eingreifen. Ich sagte nicht gleich etwas, und da fügte er mit einem Schulterzucken hinzu: „Ich kann nämlich auch nicht schwimmen.“

P.S: Der Bademeister ist fort, leider nicht in einem Schwimmkurs, sondern im Spital. Das Wasser im Pool ist jetzt Grün, in ein paar Tagen schwimmen dort Seerosen. Die bringe ich ihm dann ans Krankenbett.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Jürgen Franke 09.07.19 14:38
Völlig richtig erkannt, lieber Michael
ich habe mich nach der Musterung seinerzeit nach Berlin abgemeldet, um dort zu studieren. So konnte ich mich der Einberufung entziehen. (Für die jüngeren Bürger unter uns: Der Westen der Stadt Berlin gehörte bis 1990 nicht zur BRD, sondern stand unter der Regentschaft der vier Siegermächte) Grundsätzlich müssen sämtliche Einsätze der Bundeswehr vom Bundestag gebilligt werden. Durch die Mitgliedschaft in der NATO entscheidet in letzter Instanz immer der amerikanische Präsident, wer als Feind zu gelten hat. Die entsprechenden Feindbilder werden uns permanent von den Medien vermittelt.
Jürgen Franke 07.07.19 17:05
Lieber Michael, ich erkenne keinen
Zusammenhang zwischen dem Redaktionsbericht und Deinen Zeilen. Abgesehen davon ist Deine Analyse von der Bundeswehr völlig daneben.