«Der König der Löwen» wird 30: Das macht den Film so zeitlos

Der Löwe Mufasa steht in einer Szene aus dem Zeichentrickfilm «Der König der Löwen» auf einem Felsen. Foto: Disney/dpa
Der Löwe Mufasa steht in einer Szene aus dem Zeichentrickfilm «Der König der Löwen» auf einem Felsen. Foto: Disney/dpa

Berlin: Es gibt sehr wenige Filme, die man ganz ohne Bilder, allein am Ton, auch nach 30 Jahren innerhalb von Sekunden wiedererkennt. Ein Disney-Klassiker gehört dazu. 

Erste Szene, eine Savannenlandschaft voller Tiere - Elefanten, Zebras, Ameisen. Und dann ein langgezogener Ruf: «Nants ingonyama bagithi baba!» Auch wenn man diesen Text (mancher Zuschauer soll heute noch überzeugt sein, dass jemand «Ahh Svenja!» ruft) so niemals hätte fehlerfrei niederschreiben können, weiß man sofort, was gleich passiert. Simba, klein und putzig, wird in den Himmel gereckt, das Tiervolk kniet. «Der König der Löwen» beginnt.

Vor 30 Jahren, am 17. November 1994, lief der Film in deutschen Kinos an - bis heute ist er gegenwärtig, weil wenige Zeichentrick-Werke derart tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen haben. Sei es die zeitlose Eleganz des Soundtracks, das Musical, einzelne Sätze oder Bilder: Irgendwo dockt jeder an. 

Die berühmte Eröffnungsszene, in der der Affe Rafiki den Tieren feierlich den kleinen Löwen Simba präsentiert, wurde schon zigfach nachgespielt, zum Beispiel in der Comedy-Serie «Modern Family». Der Sänger Pietro Lombardi nutzte sie mal als Vehikel, um seinen Followern das Geschlecht seines nächsten Kindes zu verraten. Es geht wirklich durch alle Niederung und Erhebungen der Popkultur.

Die Löwen bieten keine leichte Kost

Interessant ist das vor allem, weil ein derartiger Mega-Erfolg - auch finanziell - der royalen Großkatzen-Familie nicht in die Wiege gelegt schien. Die Produktion stand intern zunächst im Schatten von «Pocahontas», einem anderen Disney-Film, der damals lange als die heißere Aktie galt. Die Regisseure von «König der Löwen» mussten Leute regelrecht anbetteln, bitte in ihr Team zu kommen. Viele rückten in Jobs auf, die sie zuvor noch nicht gemacht hatten.

Interessant ist der immense Erfolg auch, weil der Film eigentlich gar keine leichte Kost ist. Die Szene, in der Löwenvater Mufasa - dieser Spoiler darf nach 30 Jahren erlaubt sein - vor den Augen seines Sohnes totgetrampelt wird, lässt noch heute erwachsene Menschen zu heulendem Brei werden. Schon nach zehn Minuten wird zudem im Plauderton darüber gesprochen, dass es für die Löwen - die sympathischen Helden der Geschichte - total selbstverständlich ist, Antilopen zu fressen. Gehört natürlich zu Realität - ist aber auf der Couch neben einem Fünfjährigen, der mitschaut, schnell emotionaler Sprengstoff.

Aber: Der Film ist eben noch viel mehr. Er erzählt auch von Liebe (zwischen Simba und Nala), von Mut, einem Helden und hat ein lustiges furzendes Warzenschwein zu bieten (Pumbaa). Die Bandbreite - von Vatertod bis Flatulenzen - ist erstaunlich. Ohne dass sich der Film dabei in zu komplizierten Seiten-Strängen verliert.

«Wenn man ihn heute anschaut, wirkt er ziemlich oldschool»

Wenn man mit dem Film-Experten Joachim Friedmann über den «König der Löwen» spricht, dann fällt oft ein Wort: «archaisch». Gestalterisch sei der Film aus seiner Sicht damals nicht wirklich innovativ gewesen, sagt Friedmann, Professor für Serial Storytelling an der ifs Köln und Professor für Interaktive Dramaturgie an der HAW Hamburg. «Wenn man ihn heute anschaut, wirkt er ziemlich oldschool. Und das eigentlich auch schon damals», sagt er.

Aus der Not habe der Film aber eine Tugend gemacht. «Er war gestalterisch nicht sonderlich innovativ – und war es auch erzählerisch nicht», sagt Friedmann. «Dadurch ist er allerdings extrem archaisch und auf den Punkt.»

Tatsächlich wird in der «König der Löwen» eine Urzählung mit Tieren aufgeführt. Simba, der Prinz, wird von seinem Onkel Scar (im Original maliziös-genial gesprochen vom britischen Schauspieler Jeremy Irons) vertrieben, ist fast tot, rappelt sich aber mit Hilfe von Freunden (Timon und Pumbaa) auf, mäandert zwischen Freiheitsfreude und Pflichterfüllung, findet die Liebe, kehrt schließlich gestärkt zurück und besiegt den Feind. Und das alles spielt sich in einer Art absolutistischen Erbmonarchie ab, die ziemlich vormodern wirkt.

Der böse Onkel

Friedmann verweist auf das Konzept der Heldenreise, ein Erzählmuster, dass sich in vielen Sagen und Märchen in aller Welt finden lässt. Der Film bilde es 1:1 ab. Christopher Vogler, einst Disney-Dramaturg, sei heute dafür bekannt, das Konzept für die Drehbuch-Welt tauglich gemacht zu haben. 

Mit seinen mythologischen Ideen habe er auch Einfluss auf das Drehbuch von «König der Löwen» genommen. «Und das merkt man extrem an der explizit archaischen und traditionellen Handlungsführung», sagt Friedmann. Und wenn man so archaisch erzähle - dann könne man das Publikum auch mit dem Tod konfrontieren.

Offensichtlich sind auch die Parallelen zu Shakespeares Hamlet. Scar, der böse Onkel, ist das, was eine Künstliche Intelligenz (KI) wohl als klassischen Shakespeare-Charakter ausspucken würde. Nur gab es damals noch keine KI. 

Disney warf also durchaus bewährte Zutaten in den Topf - und schuf am Ende doch etwas ganz Eigenes.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.