Der Koch, der Nordkorea infiltrierte

Der dänische Außenminister Jeppe Kofod spricht während einer gemeinsamen Pressekonferenz. Foto: epa/Ida Marie Odgaard
Der dänische Außenminister Jeppe Kofod spricht während einer gemeinsamen Pressekonferenz. Foto: epa/Ida Marie Odgaard

KOPENHAGEN: In wenigen Ländern der Erde dürfte es wohl schwieriger als in Nordkorea sein, an sensible Informationen zu gelangen. Ein Däne hat es trotzdem versucht - mit Erfolg, wie eine Dokumentation zeigt. Die Enthüllungen könnten ein Nachspiel bei den Vereinten Nationen haben.

Warum er sich in das Doppelleben eines Nordkorea-Spions geworfen hat, das ist auch Ulrich Larsen selbst ein Rätsel. Er lebt mit seiner Familie in einem Vorort von Kopenhagen, arbeitete als Koch, ehe er in Vorruhestand ging. Dann kam Nordkorea. «Also, ich weiß das selbst eigentlich nicht genau. Ich war immer nur ein ziemlich gewöhnlicher Mann», sagt der Däne, der nun im Zentrum einer aufsehenerregenden dänischen Dokumentation steht - und dessen Enthüllungen gar die Vereinten Nationen beschäftigen könnten.

Nun ist ein ganz gewöhnlicher Däne gemeinhin nicht die klassische Figur, aus der Spionagefilme gemacht werden, geschweige denn eine Dokumentation über echte Machenschaften Nordkoreas. Dennoch oder gerade deshalb ist die Doku «Muldvarpen - undercover i Nordkorea» (Der Maulwurf - Undercover in Nordkorea) des Dokumentarfilmers Mads Brügger so brisant. Sie zeigt auf, wie die nordkoreanische Führung UN-Sanktionen umgehen will und sich bereitwillig als Waffenlieferant und Drogenproduzent anbietet, um an Geld und auch an Öl zu gelangen.

Der dänische Rundfunksender DR hat all das nun in einer dreiteiligen Doku-Serie veröffentlicht, es handelt sich um eine Koproduktion mit dem norwegischen Rundfunk NRK, dem schwedischen Sender SVT sowie der britischen BBC.

Für Larsen beginnt alles mit der Neugier auf ein abgeschottetes Land, die durch Brüggers in Nordkorea heftig kritisierte Fernseh-Doku «Det Røde Kapel» (Die rote Kapelle) geweckt wird. Der ehemalige Koch tritt darauf in die dänisch-koreanische Freundschaftsvereinigung ein - einen recht seltsamen und langweiligen Haufen, wie er sagt.

Doch schnell arbeitet sich der zurückhaltende Mann in der Vereinigung hoch und trifft auf den Vorsitzenden der internationalen koreanischen Freundschaftsvereinigung KFA, einen Spanier mit aristokratischen Wurzeln, der sich in besonderem Maße für Nordkoreas Belange einsetzt. Larsen wird zu seinem engen Vertrautem, reist mit Hilfe von Brügger erstmals nach Nordkorea und findet sich schließlich immer stärker in einem Doppelleben wieder, von dem selbst seine Frau nichts weiß.

Im Laufe von zehn Jahren infiltriert Larsen der Dokumentation zufolge somit die KFA, begegnet erst einem Kontaktmann im nordkoreanischen Kulturministerium und gelangt dann immer näher heran an Vertreter der nordkoreanischen Führung. Am Ende verhandeln er und ein vermeintlicher skandinavischer Geschäftsmann - ein früherer Fremdenlegionär und Kokain-Dealer, der in die Rolle von «Mr James» schlüpft - mit hochrangigen Nordkoreanern über den Verkauf komplexer Waffensysteme und die Herstellung von Drogen. In Uganda - so die Doku - planen sie gemeinsam den Bau einer heimlichen unterirdischen Waffen- und Drogenfabrik, während anderswo der Plan ausgeheckt wird, wie ein Millionen-Deal zwischen Nordkorea, Mr James und einem jordanischen Ölhändler über die Bühne gebracht werden kann.

Bei all dem handelt es sich mutmaßlich um Verstöße gegen die UN-Sanktionen, die wegen Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm verhängt worden sind. Sie verbieten unter anderem ausdrücklich den Handel mit Waffen und Öl mit Nordkorea. Nordkorea wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, die Sanktionen zu umgehen.

Trotz der damit verbundenen erheblichen Risiken werden die Treffen mit versteckten Mikrofonen und Kameras aufgenommen. Die Doku erinnert dabei an manchen Stellen an die Hollywood-Komödie «The Interview» mit James Franco und Seth Rogen, in der ein US-Showmaster für die CIA im Rahmen eines Interviews den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un ermorden soll. Das löste 2014 gehörigen politischen Ärger mit Pjöngjang aus, in dessen Zuge gar mit Anschlägen auf Kinos gedroht wurde. Der entscheidende Unterschied diesmal ist: Die Dokumentation ist nicht fiktiv, sondern zeigt reale Treffen und Abmachungen.

Dass er sich dabei erheblichen Gefahren ausgesetzt hat, ist Larsen durchaus bewusst. «Es besteht kein Zweifel, dass da jemand wütend wird. Ich habe ja einigen Leuten ziemlich ans Bein gepinkelt und gegenüber diesen Menschen unfassbar viel gelogen», sagte er dem DR.

International hat die Doku nun ein Nachspiel: Dänemark und Schweden haben ihre UN-Vertretungen damit beauftragt, das Sanktionskomitee der Vereinten Nationen über die Serie in Kenntnis zu setzen. Man sei sehr besorgt über den Inhalt und die gezeigten Aktivitäten im Zusammenhang mit Nordkorea, teilten die schwedische Außenministerin Ann Linde und der dänische Außenminister Jeppe Kofod am Montag mit. «Wir nehmen den Inhalt der Dokumentation sehr ernst, da er eine Reihe von zutiefst problematischen Fragen und Bedenken hervorruft.» Auch in der EU soll die Angelegenheit angesprochen werden. Und Larsen ist nach DR-Angaben bereits zu einem Treffen mit dem zuständigen UN-Expertenausschuss eingeladen worden.

In der Doku ziehen die Dänen schließlich die Handbremse: «Mr James» taucht ab, da der nächste Schritt gewesen wäre, tatsächlich die versprochenen Millionen auf den Tisch zu legen. Und auch der Maulwurf macht reinen Tisch, indem er seine Frau einweiht, die über all die Jahre nichts davon wusste. Und auch seinem spanischen KFA-Mentor legt er die Wahrheit schließlich offen. Der kappt die Verbindung, und Larsen atmet tief durch. «Würdest du gerne nochmal Maulwurf sein?», fragt ihn Filmemacher Brügger. «Nicht auf die gleiche Weise», sagt Larsen. Dann ergänzt er: «Aber man soll ja niemals nie sagen.»

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