Der Kampf für eine gerechtere Welt

Der Kampf für eine gerechtere Welt

Würden Sie schweigen, wenn Sie Kenntnis von schwerem Unrecht bekämen? Wer sich ein Gespür dafür bewahrt hat, dass Unrecht Unrecht ist, der wird sich darum bemühen, es zu beheben oder dafür zu sorgen, dass es geahndet wird.

Ich empfinde es als himmelschreiendes Unrecht, wenn der Überbringer der schlechten Nachricht dafür hingerichtet wird, wie wir es aus der Geschichte kennen. Das kann heute nicht mehr geschehen, meinen Sie? Vielleicht ahnen Sie, auf was ich anspiele: Hacker und Whistleblower, die Zugang zu als „top secret“ deklarierten Staatsgeheimnissen erlangt hatten, die in Wirklichkeit schlimmste Morde verdecken sollten, spielten sie der Presse zu, die sie veröffentlichten. Ihr Kampf für mehr Gerechtigkeit gilt als Hochverrat. Unfassbar für mich! Statt die Verursacher dieser Verbrechen zu bestrafen, versucht man diese Whistleblower mundtot zu machen. Das ist der eigentliche aktuelle Skandal.

Edward Snowden und Chelsea Elizabeth Manning hatten tausende Beweise für schwerste amerikanische Rechtsverletzungen entdeckt, sie heimlich kopiert und dem Gründer von Wiki Leaks, Julian Assange, zugespielt, der sie anonym großen europäischen Pressehäusern zukommen ließ. Die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel beispielsweise haben diese Unterlagen in monatelanger Arbeit geprüft und, nachdem diese Unterlagen sich als authentisch erwiesen hatten, mit Kommentaren versehen und gedruckt. Jetzt soll Snowden, dieser „Hochverräter“, dafür büßen! Befehl von höchster Stelle: Festnehmen, verurteilen und ab in den Knast! Obwohl 55 Prozent der befragten Amerikaner Edward Snowden für einen Whistleblower mit einem legitimen Anliegen hielten, wurde er verfolgt, sobald er als Quelle enttarnt worden war. Ohne ihn wäre nie bekannt geworden, wie zivile Menschen im Irak aus einem amerikanischen Helikopter heraus mit Maschinengewehren auf brutalste Weise hingerichtet wurden. In letzter Minute und über verschiedene Länder konnte er sich nach Moskau retten, wo er inzwischen mit einer Daueraufenthaltserlaubnis lebt. In den USA würde ihm eine lebenslange Haftstrafe drohen, vielleicht sogar die Todesstrafe. Im Jahr 2014 wurde ihm der alternative Nobelpreis zuerkannt, zwei Jahre später wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert.

Julian Assange wurde ebenfalls des Hochverrats beschuldigt. Er wurde als Spion angeklagt, weil er angeblich hochsensible Staatsgeheimnisse, die Snowden und Manning ihm anonym zugeschickt hatten, Journalisten zukommen ließ, und damit Amerika schwer geschadet hätte. Die mögliche Haftstrafe könnte bei Addierung aller Straftatbestände 175 Jahre betragen, wenn er an die USA ausgeliefert würde. Er lebt jetzt, schwerkrank, im Hochsicherheitsgefängnis Bethmarsh in London. Warum? Weil er für die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit gekämpft hat. Er war in die Londoner Botschaft von Ecuador geflüchtet und hatte dort Asyl erhalten. 2019 holte die englische Polizei, mit Billigung des neu gewählten Präsidenten von Ecuador, ihn dort heraus.

Chelsea Elizabeth Manning, die als Bradley Manning geboren wurde, hatte Kontakt zu Assange und lieferte ihm brisante Geheimunterlagen. Manning wurde in einem Militärprozess 2013 zu 35 Jahren Haftstrafe verurteilt. Nach einer Petition von 117.000 Menschen wurde sie 2017 von Barack Obama begnadigt.

Die erwähnten Whistleblower und andere wurden von verschiedenen NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) mit Preisen überhäuft. Der Mehrheit der Bevölkerung weltweit gelten sie als Helden, die ihre Freiheit und ihr Leben dafür eingesetzt haben, dass staatlich sanktionierte Verbrechen an die Öffentlichkeit kamen. Ich schließe mich dieser Einschätzung vorbehaltlos an, obwohl ich weiß, dass viele Menschen anderer Meinung sind. Wer für eine gerechtere Welt kämpft, der muss sich für die Freiheit der Whistleblower einsetzen, da sie die Wahrheit ans Licht gebracht haben.

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Leserkommentare

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Thomas Knauer 22.01.21 01:33
Der Kampf für eine gerechte Welt ist eine Illusion, weder ist der Mensch in der Lage dies umzusetzen, widerspricht seiner Natur, noch gibt es eine allgemein gültige festgelegte Gerechtigkeit.
Sicher kann jeder in seinem Umfeld und seinem Leben für Gerechtigkeit sorgen soweit es in seiner Macht steht und es ist viel erreicht. Seh hier aber weder ein Bewusstsein noch den Willen.
Ich kann durch mein Einkaufsverhalten dafür sorgen, durch mein Umgang mit den Tagelöhnern .....
Viele Wege stehen jedem in seiner Welt offen, er muss sie nur gehen wollen.
Hans-Dieter Volkmann 28.12.20 20:13
Der Kampf für eine gerechtere Welt
Ja, es ist erschreckend das Rechtsempfinden in unserer Gesellschaft. Die Täter, welche schwere Blutschuld auf sich geladen haben, sonnen sich in der Unantastbarkeit. Diejenigen, welche die Taten an die Öffentlichkeit bringen in der Hoffnung das die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, müssen um ihr Leben fürchten. Es gilt das Gesetz: "Der Stärkere hat Recht." Ich habe einen Wunsch. So wie sich für den Klimaschutz (Friday For Future) eine gesellschaftliche Bewegung entwickelt hat, so möge sich eine Bewegung entwickeln, die den Whistleblower schützt und den Täter und deren Beschützer zur Rechenschaft zieht und ihnen das Fürchten lehrt.
Josef Hupe 28.12.20 15:06
Bestätigung
Ja @Mark, das was @Thomas betr. Clinton Mails schreibt habe ich gemeint.
Gross angekündigt, von Assange der sich vorher auf die Verbreitung von Dokumenten beschränkt hat, die Unrecht bestätigt haben. Rausgekommen ist bei den Dem. nur, dass gewisse GOP Gläubige eine Verschwörung erkennen konnten, die es wohl nie gab.
Thomas Sylten 27.12.20 19:44
@Mark
Er meint vermutlich die geleakten Hillary-mails:
Witzig, dass oft dieselben Leute, die Einseitigkeit bemängeln, diese zugleich fordern..
Josef Hupe 27.12.20 15:39
2 Helden ein Gekaufter
Das man Assangen, der sich mMn von den Russen hat kaufen lassen und seinen Beitrag zu Trumps Wahlsieg beigetragen hat, auf die gleiche Ebene wie ehrliche Leute stellt, die nichts zu gewinnen hatten, finde ich nicht ganz i.O.. Grundsätzlich stimme ich der Analyse aber zu.
Thomas Sylten 27.12.20 14:48
Vielen Dank, Herr Krüger, für Ihre klare Stellungnahme -
tatsächlich ist es ein wirklich brutaler Schlag ins Gesicht eines jeden rechtschaffen erzogenen Menschen, wenn ausgerechnet die Aufklärer von Staatsverbrechen um ihr (eigentliches) Leben gebracht werden und in der Fremde (Snowden) oder gar im finstersten Verließ (Assange) versauern,
während nicht etwa irgendwelche Bananendiktatoren, sondern unsere angeblich so freiheitlich-demokratische Führungsmacht diese aufrechten Menschen bis in den Tod verfolgt.

Früher retteten sich sowjetische Dissidenten in westlich-aufgeklärte Länder -
heute nimmt ausgerechnet Russland solche wahren Helden in Schutz. Verkehrte Welt -
ich schäme mich für unsere Führungsmacht und auch für unsere eigene Regierung, die nicht den Mut hat, hier so deutlich wie sonst nach Osten nun auch mal nach Westen zu werden.

Merke: Wer zur Selbstkritik nicht fähig ist, hat überhaupt kein Recht zu Kritik.
Dieter Kowalski 27.12.20 13:04
Gut gebrüllt Herr Krüger ! - Bin ganz bei Ihnen.
Scheinbar interessiert das weniger Leute als erwartet. Die Beschneidung von Persönlichkeitsrechten und der Menschenrechte, schreitet jedenfalls weltweit voran - auch, oder gerade wegen der Pandemie.
Assange in einem englischen Gefängnis verrotten zu lassen, ist jedenfalls eine Schande für ganz Europa.
Man will es sich scheinbar nicht mit Uncle Sam verscherzen. Traurig das Ganze.