Biden und Putin reden in Genf

​Der Handschlag ohne Illusionen 

Foto: epa/Peter Klaunzer
Foto: epa/Peter Klaunzer

GENF: Bei ihrem ersten Gipfel sprechen Russlands Präsident Putin und sein US-Kollege Biden rund drei Stunden am Genfersee. Einen «neuen Kalten Krieg» wolle Putin nicht, sagt Biden danach. Aber gibt es nun auch Hoffnung auf einen Neustart in den Beziehungen?

Ein kräftiger Händedruck, ein Daumen hoch vom US-Präsidenten, aber am Ende ihrer rund dreistündigen Gespräche in Genf gehen Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin sofort getrennte Wege. Biden will nach dem weltweit mit Spannung beobachteten Gipfel das letzte Wort haben, daher sieht die Choreografie vor, dass Putin zuerst seine Pressekonferenz gibt. Mit seinem metallisch klirrenden Klang in der Stimme lobt der 68-jährige Russe, dass er mit dem zehn Jahre älteren Kollegen tatsächlich «eine gemeinsame Sprache» gefunden habe. Und doch: «Es gibt keine Illusionen und kann auch keine geben», sagt Putin auf die Frage, ob nun alles besser werde in den russisch-amerikanischen Beziehungen.

«KEIN KUMBAYA-MOMENT»

Biden hat zumindest einen Teil von Putins Pressekonferenz gesehen, als er kurz danach rund 300 Meter Luftlinie entfernt vor die Journalisten tritt. Auch der Amerikaner gibt sich keinen Illusionen hin. Er berichtet, er habe Putin gesagt: «Das ist kein Kumbaya-Moment, wie wir in den 60er-Jahren in den Vereinigten Staaten zu sagen pflegten.» Es gehe nicht darum, sich zu umarmen oder gar zu lieben. Es sei aber weder im Interesse Russlands noch der USA, «in einer Situation zu sein, in der wir in einem neuen Kalten Krieg sind». Es gehe nicht um Vertrauen - es gehe um Eigeninteresse.

GIPFEL DER GEDÄMPFTEN ERWARTUNGEN

Sowohl das Weiße Haus als auch der Kreml hatten vor dem Gipfel deutlich gemacht, dass keine Durchbrüche zu erwarten seien. Immerhin vereinbaren beide Seiten nach Putins Angaben, dass die Botschafter jeweils wieder nach Washington und Moskau zurückkehren. Gespräche soll es außerdem geben über Rüstungskontrolle über einen möglichen Austausch von Gefangenen und über Cybersicherheit. Biden sagt, die nächsten Monate würden zeigen, ob es dort Erfolge geben könne. Der US-Präsident hat aber davor auch deutlich gemacht, dass er nicht trotz des miserablen Verhältnisses zwischen den beiden Atommächten mit Putin zusammenkomme - sondern gerade wegen.

BIDEN UND DIE PERSÖNLICHEN BEZIEHUNGEN

In Washington war der Gipfel nicht unumstritten, Kritiker sprachen von einer «Belohnung» für Putin. Biden wiederholt schon zum Auftakt seines Treffens mit dem Kremlchef sein Mantra: «Ich denke, es ist immer besser, sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen.» Bei seiner Pressekonferenz sagt er später, Außenpolitik sei «eine logische Erweiterung der persönlichen Beziehungen».

Biden wertet es als Erfolg, überhaupt ins Gespräch gekommen zu sein - und das ohne Eklat. «Der Ton des ganzen Treffens war gut, positiv», sagt er. «Es gab keine schrillen Aktionen. Wenn wir nicht gleicher Meinung waren, haben wir es gesagt, aber nicht in einer hitzigen Atmosphäre.» Vor dem Gipfel hat sich Biden bei seiner einwöchigen Europareise die Unterstützung von Verbündeten geholt - die hat er beim G7-Gipfel, bei der Nato und bei der EU bekommen.

PUTINS FÜNFTER US-PRÄSIDENT

Putin ist seit 21 Jahren an der Macht, Biden ist für ihn der fünfte US-Präsident, mit dem er zusammenkommt. Der Amerikaner ist daher für ihn nur einer, der vorbeizieht unter der heißen Sonne am idyllischen Genfersee. Weder einen Spaziergang noch ein gemeinsames Essen gibt es. Zwar sei über Privates gesprochen worden, sagt Putin. Aber «familiäres Vertrauen» könne es nicht geben unter Staatschefs, macht er deutlich. Er hat schon zuvor den US-Amerikanern in Interviews erklärt, es gebe Partner und Konkurrenten in der Politik.

DIE DNA AMERIKAS

Putin zeigt sich nach dem Treffen stahlhart und liest jenen die Leviten, die - wie Biden - die international umstrittene Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny kritisieren. Warum in Russland Oppositionelle getötet oder eingesperrt würden, will eine US-Journalisten wissen. Putin bringt kühl seine immer wieder gegebene Antwort: Schauen sie in die USA, wie dort mit den Erstürmern des Kapitols umgegangen werde. Die Haftstrafen seien höher als in Russland. Biden sagt, er habe Putin zu verstehen gegeben, dass die USA Menschenrechtsverletzungen in Russland weiter anprangern würden. «Es geht nicht darum, Russland anzugreifen, wenn sie Menschenrechte verletzen», sagt er. «Das ist einfach Teil der DNA unseres Landes.»

Putin meint zu Nawalny, der habe es nicht anders gewollt und gegen Russlands Gesetze verstoßen. Sein Gegner habe es darauf angelegt, ins Straflager zu kommen. Und die «roten Linien», die Biden Russland aufzeigen wollte? Die habe doch jeder. Putin hat das alles schon gehört. Nicht Russland halte Militärmanöver vor den US-Grenzen ab, sondern die US-Soldaten in der Ukraine vor der russischen Grenze. Nicht Russland sorge für ein schlechtes Verhältnis zum Westen. Es sei umgekehrt.

PUTIN HÄLT RUSSLAND FÜR BERECHENBAR

Warum Putin zufrieden ist mit dem Gipfel, den er «konstruktiv» nennt und «ohne Feindseligkeiten»? Es wird in seinem selbstbewussten Ton rasch klar, dass er dem US-Kollegen wohl Paroli bieten konnte. Auch sei Russland geradlinig, meint Putin auf Bidens Wunsch, «ein stabiles und berechenbares Verhältnis» zu Russland aufbauen zu wollen. Er hätte gern mit Biden gemeinsam eine Pressekonferenz abgehalten wie 2018 in Helsinki mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Biden wollte das nicht. Für die US-Seite war die Pressekonferenz in Helsinki mit Trumps umstrittenen Aussagen damals ein Debakel. Einen solchen Triumph wollten die Amerikaner Putin nicht nochmal gönnen.

Putin ist erfahren genug, nicht in Euphorie auszubrechen. Viele Russen erinnern sich gut, dass nach dem augenscheinlich harmonischen Treffen mit Trump alles nur noch viel schlimmer wurde. So macht Putin auch diesmal deutlich, sollten jetzt wieder zu den vielen US-Sanktionen gegen Russland weitere hinzukommen, dann sei das Treffen einmal mehr eine «vertane Gelegenheit» gewesen.

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