Der Familienbesuch

​Callolo und seine Herzallerliebste - Eine humorvolle Geschichte 

Der Familienbesuch

Ach, Callolo, ich freue mich ja so.

"Worüber?"

"Meine Familie hat sich entschlossen, uns endlich einmal zu besuchen."

"Deine Familie?"

"Ja, meine Mutter, ihre Schwester mit Mann und den Kindern, mein Bruder, der Bruder meiner Mutter mit Anhang, mein Lieblingsonkel, ein Cousin und drei Neffen. Wer sonst noch mitkommt, weiß ich nicht. Ich freu mich so auf sie. Das wird bestimmt wunderbar."

Mir ahnte Schreckliches.

"Das ist ihre erste große Reise, Callolo. Sie sind alle über Sakon Nakhon noch nie hinausgekommen, haben noch nie das Meer gesehen. Ich möchte, dass es für sie ein großartiges Erlebnis wird."

So ist sie, meine Herzallerliebste.

Sie war nicht einmal verwundert, als am nächsten Abend ein Pickup vor unserem Haus stoppte und mehr als zwanzig Personen uns entgegeneilten.

Oh, mein Gott!

"Das ist meine Mutter, Callolo, die kennst du ja, und das ist Lin, das ist Deng, mein Onkel Nak, Pani und Lani"

"Bitte, hör auf, Schatz, sage mir lieber, wo wir die alle unterbringen sollen."

"Aber wir haben doch ein großes Haus. Die haben alle ihre Matten mitgebracht und schlafen auf dem Boden, so wie sie es von zuhause gewöhnt sind."

Sie gab mir einen Kuss und bat mich, zum Einkaufen zu fahren.

"Ich habe alles aufgeschrieben, was wir brauchen, Callolo. Und beeil dich bitte. Die haben sicher alle einen Riesenhunger."

Ich sah mir den endlosen Zettel genauer an. An oberster Stelle stand ein Karton mit Whisky.

Dann folgten zehn Kisten Wasser, Bier, Cola.

"Dafür brauch ich den Pickup, Schatz, das geht in unseren Wagen nicht hinein."

"Okay, mein Cousin kann dich fahren, und Pani und Lani können dir beim Einladen helfen."

Als wir zurück kamen, hatte die Sippe sich in meinem Haus breit gemacht. Da war für mich kein Platz mehr. In der Küche wurde geschnippelt, gekocht und gebrutzelt. Im Garten tobten die Kinder. Der Rest der Familie hockte auf dem Fußboden vorm Fernseher, rauchend, trinkend und johlend. Ich war in unserem Haus ein Fremder und völlig überflüssig. Niemand beachtete mich oder versuchte mit mir zu sprechen.

"Wie lange werden wir das Vergnügen haben mit unseren teuren Familienangehörigen?" fragte ich meine Herzallerliebste.

"Ach, Schatz, das weiß ich jetzt auch nicht so genau, vielleicht zwei oder drei Tage."

"Ich schlafe solange bei meinem Freund Martin", sagte ich. "Dann haben die lieben Verwandten mehr Platz."

Meine Herzallerliebste war damit sofort einverstanden.

Nach zwei Tagen rief sie mich an, um zu fragen, wie es mir geht.

"Okay, alles bestens", antwortete ich, "und wie sieht es bei uns, bei euch aus?"

"Es ist wunderschön, Callolo, fast so wie früher in Sakon Nakhon. Wir haben im Garten alles platt gemacht, und da sitzen wir jetzt alle und feiern."

"Und wie lange noch?" wagte ich eine vorsichtige Anfrage.

"Callolo, meine Familie ist zum ersten Mal verreist. Da wirst du sie doch nicht gleich wieder nach Hause schicken wollen oder?"

Ich wagte keinen Widerspruch, und mein Freund Martin meinte: "Sei doch froh, jetzt genießen wir unsere Freiheit."

Das taten wir auch.

Aber nach einer Woche wurde ich unruhig und fuhr zu meinem Haus. Mein Haus?

Ich erkannte es nicht wieder. Im Haus hatte sich das totale Chaos ausgebreitet, und der Garten war eine einzige Mülldeponie.

Meine Herzallerliebste strahlte mich aus übernächtigten Augen an. Sie schien mir um Jahre gealtert.

"Wie lange soll das noch so weiter gehen?" fragte ich sie.

"Ich weiß es nicht, Callolo."

"Aber ich weiß es", entgegnete ich. "Morgen ist Schicht!"

"Callolo",

"Nix, Callolo! Der Urlaub ist vorbei!"

Abends, als alle im Garten versammelt waren, hielt ich eine kleine Rede.

"Liebe Familie, liebe Freunde", sagte ich, "euer Besuch war für uns eine große Freude und Ehre, und wir werden ihn immer in allerbester Erinnerung behalten. Da ihr leider morgen schon abreist, möchten wir mit euch anstoßen auf eine glückliche Heimreise. Chok dee khrap."

Nai hatte meine Worte übersetzt, und alle erhoben ihre Gläser, tranken und genossen den letzten Abend bei uns, der für sie vielleicht etwas überraschend gekommen war. Aber am anderen Morgen reisten sie alle ab.

"Dieser Urlaub wird für sie ein einmaliges Erlebnis bleiben", meinte Nai.

"Für mich hoffentlich auch", erwiderte ich.

Und dann machten wir uns an die Aufräumarbeiten.

Als wir nach einigen Tagen Haus und Garten wieder auf Vordermann gebracht hatten, sagte meine Herzallerliebste: "Callolo, die Zeit mit meiner Familie war sehr schön, aber mit dir allein ist es doch am allerschönsten."

Diese Eingebung kam spät, aber nicht zu spät, und wir haben sie dann auch ausführlich genossen.

Callolo und seine Herzallerliebste und Angekommen in der Wirklichkeit

Callolo und seine Herzallerliebste

In 130 heiteren Kurzgeschichten hat Autor Carolus in zwei Büchern sich mit unterschiedlichen Erfahrungen, die sich aus dem Zusammenleben zwischen Thais und Farangs ergeben, verfasst. Die humorvollen Geschichten behandeln das Eheleben zwischen Nai und Callolo. Im Leben der beiden wird viel Toleranz abverlangt. Dass es trotzdem immer wieder ein Happy End geben kann, beweist der Autor, im ersten Buch, in vielen unerwarteten Entwicklungen. Im zweiten Werk hat der Autor seine „rosarote Brille“ abgenommen und erzählt auf ehrliche und gewohnt charmante Weise über Probleme und Schwierigkeiten, die in seiner nicht mehr ganz taufrischen Beziehung zu Nai entstehen.

Die beiden Taschenbücher können Sie im FARANG-Onlineshop bestellen.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Markus Boos 24.01.21 13:07
Na sowas
Der Mann tut mir leid. Aber nur ein Bisschen.