Der ewige Hun Sen? - Wahlen in Kambodscha

Der kambodschanische Premierminister Hun Sen (M-r.). Foto: epa/Mak Remissa
Der kambodschanische Premierminister Hun Sen (M-r.). Foto: epa/Mak Remissa

PHNOM PENH (dpa) - Als der heutige Premier Hun Sen in Kambodscha an die Macht kam, war Merkel noch in der DDR, Trump verkaufte Immobilien, und Macron ging in die Grundschule. Die Parlamentswahl am Sonntag wird nichts groß ändern. Interessant ist sie doch.

In Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh gibt es eine Tankstelle, die die Leute «Kems Platz» nennen. Der Name kommt vom Oppositionspolitiker Kem Ley, der hier ermordet wurde, als er sich einen Kaffee holen wollte. Der bisherige Oppositionsführer Kem Sokha sitzt seit vergangenem Herbst unter dem Vorwurf des Hochverrats im Gefängnis, seine Partei ist verboten. Vorgänger Sam Rainsy hat es wenigstens nach Frankreich ins Exil geschafft.

Von der Opposition, die zwischenzeitlich so stark schien, ist in dem 16-Millionen-Einwohner-Land heute kaum noch etwas übrig. Deswegen ist die Vorhersage, wer die Wahl an diesem Sonntag für sich entscheiden wird, auch denkbar einfach: der amtierende Ministerpräsident Hun Sen. Der 65-Jährige ist in Kambodscha schon seit 33 Jahren an der Macht. Damit ist er einer der dienstältesten Regierungschefs der Welt.

Der Vorsitzende der ehemals marxistisch-leninistischen Volkspartei (CPP) hat auch schon klargestellt, dass sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern soll. Hun Sen verkündete bereits, Wahlen hin oder her: «Ich habe beschlossen, dass ich meine Arbeit zehn weitere Jahre fortsetzen werde.» Früher hatte er auch schon fabuliert, noch mit 90 regieren zu wollen. Das wäre dann bis ins Jahr 2042.

Man muss das nicht glauben, aber nach diesem Sonntag, darin sind sich alle Experten einig, wird Hun Sen weitermachen können. Nach dem politisch motivierten Verbot der größten Oppositionspartei CNRP (Nationale Rettungspartei), die die letzte Wahl 2013 mit knapp 45 Prozent (so die offiziellen Zahlen) fast gewonnen hätte, gibt es keine ernsthafte Konkurrenz mehr.

Die 19 Parteien, die sonst noch antreten, werden in Kambodscha «ampil ampik» genannt: «Glühwürmchen». Soll heißen: Pseudo-Konkurrenz von begrenzter Dauer, nur dazu da, um den Wahlen einen demokratischen Anschein zu geben. Der Kambodscha-Experte Lee Morgenbesser von der australischen Griffith-Universität sagt: «Das dient dazu, die Fassade eines Wettbewerbs zu erhalten.»

Auf die Entsendung von Wahlbeobachtern verzichten die Europäische Union und die USA dieses Mal. Auch Geld gibt es keines mehr. Dafür kann sich Hun Sen darauf verlassen, dass China das Ergebnis anerkennen wird. Für Kambodscha, das immer noch unter den Folgen des Bürgerkriegs und der Gewaltherrschaft von Pol Pot (1975-79) mit schätzungsweise 1,7 Millionen Toten leidet, ist die Volksrepublik mit Abstand wichtigster Unterstützer.

Mit Interesse wird jedoch verfolgt, wie hoch am Sonntag die Wahlbeteiligung sein wird. Die CNRP hat zum Boykott aufgerufen, mit einem Appell zum «sauberen Finger». Meint: Wenn es schon keine echte Alternative gibt, sollen die Kambodschaner gar nicht erst wählen gehen. Und damit auch darauf verzichten, Finger in haltbare Tinte zu tunken - in Kambodscha ein Zeichen, dass man seine Stimme abgegeben hat.

Hun Sen braucht jedoch eine möglichst hohe Wahlbeteiligung als Beweis für seine Legitimation. Die Volkspartei setzt deshalb viel daran, dass alle Wahlberechtigten auch hingehen: Für Schüler gibt es freie Tage, auf Wahlveranstaltungen werden Umschläge mit Bargeld verteilt, und auch an Drohungen und Einschüchterungen fehlt es nicht. Aus manchen Bezirken wird berichtet, dass Leute aufgefordert werden, in der Wahlkabine als Beweisfoto ein Selfie zu machen.

Die Kampagne zielt vor allem auf Kambodschas Jungwähler, die in sozialen Netzwerken wie Facebook enorm aktiv sind. Wer unter 33 ist, hat immer schon mit Hun Sen als Ministerpräsident gelebt. Der Kambodscha-Experte Markus Karbaum hält das Land deshalb für die «Fassaden-Demokratie» eines Mannes, der auch innerparteiliche Gegner gnadenlos ausgeschaltet habe. «Die Wahl wird daran nichts ändern. Jede Partei, die - wenn auch nur durch Zufall - zu einem ernsthaften Rivalen wird, dürfte dies bitter bereuen.»

Für den Fall, dass der Premier eines Tages doch abtreten muss, möglicherweise aus Gesundheitsgründen, werden bereits seine drei Söhne als Nachfolger gehandelt. Einer von ihnen ist bei der jetzigen Wahl schon in wichtiger Position dabei - als Vorsitzender der größten Gruppe von einheimischen Wahlbeobachtern, mehr als 36 000 Leuten.

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