Der Eremit

Wenn ein Farang mit einer bekennenden Buddhistin verheiratet ist, hat er es schwer, dem Seelenheil oder einer spirituellen Karriere zu entkommen. Meine Frau setzt alles daran, mein Karma so zu verbessern, dass ich im nächsten Leben den evolutionären Sprung vom Farang zu einer Existenz als Thai schaffe. Dass dies nur auf dem Pfad der Tugend zu erreichen ist, war für sie klar und sie machte sich daran, einen Menschen zu überzeugen, der sich genüsslich in einem Meer von Unzulänglichkeiten suhlte und keinerlei Handlungsbedarf zeigte. Karma? Kann doch warten! Sanook? Jederzeit! Sogar Sisyphos hätte Mitleid mit ihr gehabt, die Thai-Mentalität hatte schon tüchtig auf mich abgefärbt.

Ich muss also in einem Anfall von geistiger Verwirrung ihrem Vorschlag zugestimmt haben, einen Mönch, einen Eremiten, zwecks Segnung (oder subtilem Exorzismus?) aufzusuchen. Zu meinen mildernden Umständen muss ich hinzufügen, dass es ihr Geburtstag war und da nimmt man halt einen Eremiten in Kauf, man ist ja kein Unmensch.

Eremit, nicht Emirates

Nun, ein Eremit wohnt natürlich nicht in einer Villa mit Pool und Jacuzzi. Wer so denkt, verwechselt Eremit mit Emirates. Der Einsiedler meiner Frau haust standesgemäß in einer Hütte mit Wellblechdach und Wänden aus Bambus. Die Rückwand besteht aus Backsteinen, die der abenteuerlichen Konstruktion, die kaum Schutz vor Wind und Wetter bietet, wohl Halt geben soll. Oder vielmehr zu geben verspricht.

Über eine Treppe, die aus den Niederungen das städtischen Sündenbabels zu einem Tempel hoch über der Stadt führt, waren wir bis an die Tore seiner Behausung gelangt. Die Türe war offen, der heilige Mann saß gerade beim Frühstück. Er nickte uns freundlich zu, machte eine einladende Geste zu ein paar Stühlen hin und verdrückte dann in aller Ruhe eine Semmel mit grünem Zuckerguss und eine Flasche Cola. Soviel Askese muss sein.

Altar und Kühlschrank

Das gab mir Gelegenheit, mich ein bisschen in der Klause umzusehen. Die Wände waren über und über mit einem Sammelsurium von Fotos, Kalendern, Zeitungsausschnitten und Votivkrimskrams bedeckt, zwischen welchen zahllose Plastiktaschen mit undefinierbarem Inhalt an Metallbügeln hingen. In einigen davon schien sich etwas zu regen. Vor der Wand aus Backsteinen stand ein kleiner Altar, auf welchem Buddha-Statuen in allen möglichen Größen und Darstellungen – knieend, sitzend, stehend – aufgereiht waren. Der auffälligste Gegenstand war aber nicht irgendwelchen zeremoniellen Handlungen geschuldet, sondern einem sehr irdischen Zweck: Ein gewaltiger Kühlschrank dominierte den spärlich möblierten Raum und unterlegte die Kaugeräusche des Mannes mit einem sonoren Brummen.

Nach einer Weile raffte der Mönch sein safrangelbes Gewand zusammen, stand auf, machte sich am Altar zu schaffen und murmelte kaum hörbar vor sich hin. Dann wandte er sich uns zu. Zwischen ihm und meiner Frau entspann sich ein Dialog. Er sprach mit heller Stimme Gebetsformeln vor, die sie ihrerseits wiederholte. Dieses Ritual zog sich hin. Die Formeln blieben immer mehr oder weniger dieselben. Sie hatten eine wohltuend meditative, aber auch einschläfernde Wirkung auf mich.

Irgendwann warf ich einen Blick aus dem Fenster und wurde großzügig belohnt: Ein großer Makake und ein Hund stritten sich um einen Plastiksack. Der Affe schien zu gewinnen. Er versuchte sich mit der Beute auf einen Baum zu retten, der Hund jagte ihm nach und biss ihn in den Schwanz, worauf er den Sack fallen ließ. Bello ließ sich nicht lange bitten und verschlang den Inhalt in Sekundenschnelle. Es war filmreife tierische Unterhaltung aus erster Hand und wir hatten sogar Eintritt dafür bezahlt. Denn was der Hund da vor meinen Augen verschlang, waren unsere Einkäufe für das Mittagessen, die der Makake von unserem Motorrad gemopst hatte. Der Affe und wir waren die Gelackmeierten.

Auch direkt vor der Klause tat sich etwas, man hörte Gesprächsfetzen näherkommender Leute. Kurz darauf tauchten zwei junge Frauen im Türrahmen auf und blieben da stehen. Als Nonnen eines Frauenordens konnten sie schwerlich durchgehen, denn sie trugen Miniröcke und hatten ausladende, tiefgeschnittene Blusen, die mehr herzeigten als sie verbargen.

Auf dem Weg nach Sodom und Gomorrha?

Was wollen die hier in dieser Aufmachung? Waren sie auf der Pilgerfahrt nach Sodom und Gomorrha vom Weg abgekommen? Meine Fantasie schlug ein paar Haken in alle Himmelsrichtungen, ohne eine befriedigende Antwort zu finden.

Der Eremit indessen schien sie gar nicht zu bemerken und brachte die Zeremonie zu Ende, indem er einen Wedel in Wasser tauchte und uns damit besprengte. Das wars dann. Meine Frau legte diskret einen Obolus in einem Kuvert auf den Tisch, wir machten artig den Wai und wandten uns zum Gehen.

Inzwischen waren die beiden Frauen beim Eingang niedergekniet und erwarteten offensichtlich den Segen des Mönchs. Es muss ihm aus dieser Perspektive schwergefallen sein, noch tieferem Einblick in die Dekolletés der Damen zu widerstehen, doch scheint die Versuchung in Anbetracht seines Körperumfangs und des Kühlschranks anderweitig verortet zu sein.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Marcel Edouard Petter 30.08.20 18:52
Na ja, Khun Resjek
Ein knieender Buddha, haben Sie das wirklich schon gesehen? Ich jedenfalls nicht...