Der blutige Weg zur Demokratie

Vor 40 Jahren zogen 500.000 Demonstranten durch Bangkok / Ein Zeitzeuge berichtet

Demonstrierende Studenten werden von Polizei und Geheimdienstmitarbeitern verhaftet.
Demonstrierende Studenten werden von Polizei und Geheimdienstmitarbeitern verhaftet.

Anfang der 1970er Jahre organisierten sich in Bangkok die ersten Studenten an Universitäten und Hochschulen. Schon bald richtete sich ihr Protest gegen die von Thanom Kittikachorn angeführte Regierung. Nachdem Polizei und Geheimdienst Studenten, Lehrer und Journalisten verhaftet hatten, eskalierte der Protest. Vor jetzt 40 Jahren, am 14. Oktober 1973, demonstrierten 500.000 Studenten, Arbeiter und weitere Bevölkerungsgruppen gegen das Militärregime und für die Demokratie.

Doch der Regierungswechsel wurde mit einem großen Blutvergießen erkauft. König Bhumibol Adulyadej griff schließlich ein und stellte die Ruhe im Land wieder her. Er drängte Thanom Kittikachorn, abzutreten und Thailand zu verlassen. Drei Jahre später putschte sich das Militär wieder an die Macht.

Nach offiziellen Angaben wurden bei den Unruhen am 14. Oktober 1973 in Bangkok 77 Demonstranten von der Armee erschossen und über 800 Menschen verletzt. Beim Angriff von Sicherheitskräften und rechtsextremen Gruppen auf Studenten und weitere Demonstranten starben am 6. Oktober 1976 auf dem Campus der Thammasat-Universität nach offiziellen Angaben 46 Menschen. Augenzeugen zählten sowohl 1973 als auch 1976 wesentlich mehr Todesopfer.

Wahlen waren meist manipuliert

Nach dem Ende der absoluten Monarchie im Jahre 1932 wetteiferten in Thailand das Militär und die Bürokratie um die Macht. Die seltenen Wahlen waren meist manipuliert. Nur solche Parteien waren zugelassen, die eng mit der herrschenden Elite verbunden waren. Doch meistens regierte das Militär alleine, ohne sich irgendwelchen demokratischen Anschein zu geben.

So kam es nach vielen Jahren der Militärdiktatur am 14. Oktober 1973 in Bangkok zu einem Aufstand. „Ich war damals noch ein junger Student. Drei Tage lang zogen wir durch Bangkok, Hunderttausende hatten sich uns angeschlossen. Nachts schliefen wir in den Straßen, und die Bewohner der Stadt versorgten uns mit Essen“, erinnert sich Sakul Suntharee. Der spätere Dozent für Sozialgeschichte an einer Bangkoker Universität war damals aktiv in der Studentenbewegung tätig.

„Obwohl wir uns nur mit blanken Händen verteidigten, ging das Militär mit großer Brutalität gegen uns vor. Viele von uns starben, auch zwei meiner besten Freunde. Am dritten Tag schließlich hatten wir Erfolg, und die verhasste Regierung unter Feldmarschall Thanom Kittikachorn musste ins Exil gehen“, berichtet der Zeitzeuge weiter.

Studenten halfen und klärten auf

Eine halbe Million Menschen zogen am 14. Oktober 1973 durch Bangkok und forderten Demokratie.Thailand erlebte nun eine Phase der Demokratisierung. Bis dahin verbotene Parteien wurden wieder zugelassen. Die unterdrückten Gewerkschaften erstarkten und fassten Fuß in Industriebetrieben. Im ganzen Land bildeten sich Bauernvereinigungen. Besonders aktiv waren Studenten. Ihre Organisationen versuchten überall im Lande Aufklärung und Hilfe zu leisten.

Die politische Macht lag nun in den Händen einer frei gewählten demokratischen Regierung. „Doch die alte herrschende Klasse verfügte nach wie vor über die wirtschaftliche Macht. Sie boykottierte Reformvorhaben, wo sie nur konnte. Sie wartete nur auf einen günstigen Zeitpunkt, um auch wieder die politische Macht zurückzugewinnen“, erzählt Sakul Suntharee. Und weiter: „Immer häufiger wurden unsere Versammlungen von rechtsradikalen Studenten angegriffen. Ich traute mich des Nachts nicht mehr alleine auf die Straße. Killerkommandos des Geheimdienstes ermordeten zahlreiche Bauern- und Gewerkschaftsführer.“

Bewaffnete Truppen stürmten den Campus

Als die Studenten erfuhren, dass Thanom Kittikachorn als Mönch verkleidet aus dem Exil nach Thailand zurückgekehrt sei, versammelten sie sich zu einer großen Protestkundgebung in der Thammasat-Universität. Am Morgen des 6. Oktober 1976, dem Tag des Militärputsches, drangen Mitglieder rechtsgerichteter paramilitärischer Gruppen wie die „Roten Büffel“ und bewaffnete Polizeitruppen auf den Campus der Universität vor. „Was ich dann Grauenvolles mit ansehen musste, werde ich in meinem Leben nicht vergessen. Hunderte von Studentinnen und Studenten wurden totgeschlagen, niedergeschossen, aufgehängt oder mit Benzin übergossen und angezündet. Ich hatte großes Glück und konnte diesem Massaker entkommen. Zusammen mit mehreren tausend anderen Studenten wurden wir verhaftet, nach ein paar Monaten aber wieder freigelassen.“ Viele Freunde Sakuls gingen damals in den Dschungel und schlossen sich der kommunistischen Untergrundbewegung an, „die meisten aus Angst, Verzweiflung und Wut“.

Nach dem Putsch wurden alle Gewerkschaften, Bauernvereinigungen und Studentenorganisationen verboten. Die Nationalversammlung wurde aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Streiks wurden für illegal erklärt. Demonstrationen waren verboten. In vielen Teilen des Landes führte das Militär einen blutigen Krieg gegen die kommunistische Widerstandsbewegung und gegen die Bauern, die die Guerillas unterstützten.

Als am 22. April 1979 zum ersten Mal wieder Wahlen stattfanden, wurde General Kriangsak Chamanand zum Ministerpräsidenten gewählt. Ein knappes Jahr später trat er zurück, und General Prem Tinsulanonda übernahm die Macht als Premierminister und Oberkommandierender der Streitkräfte.“ (Aus der Broschüre „Thailand verstehen“, erschienen 1987.)

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