Der Backofen

Die Thaiküche hat einen Siegeszug rund um die Welt angetreten, der sich mit der italienischen oder französischen vergleichen lässt. Das hat sie verdient. Die rekordverdächtige Schadstoffbelastung der Feldfrüchte lassen wir hier mal weg, die Kolumne heißt ja nicht „Glyphosat mon amour“.

Auch was ein „Pad Thai“ und ein „Tom Yum Kung“ sind, will ich hier nicht erklären, sonst kündigen die Leser reihenweise ihre Abos mit der Begründung, meine Kochrezepte seien ein Anschlag auf ihre Gesundheit.

Der Leser hat immer recht

Jeder Zeitungsmensch weiß: Der Leser hat immer recht. Sollte er mal völlig daneben liegen, kommt die Diplomatie zum Zug: Seine Frau wird diskret von der Redaktion angerufen und informiert.

Redaktion: „Frau Meier, wir haben ein Problem, Ihr Mann behauptet dies und das und dann noch irgendwas, was meinen Sie dazu?“

Frau Meier: „Was immer es auch ist, mein Mann soll sich gefälligst bei Ihnen entschuldigen, sonst streiche ich ihm das Taschengeld!“

Der Streit wird dadurch auf die private Ebene ausgelagert und beim FARANG reibt man sich die Hände in aller Unschuld. Das Abo muss dann allerdings auf den Namen der Frau umgeschrieben werden.

Aber sorry, ich bin vom Thema abgekommen.

Ich möchte nur der Verwunderung darüber Ausdruck geben, dass in der Thaiküche der Backofen kaum eine Rolle spielt. Ich gehe mal davon aus, dass historische und klimatische Gründe dafür verantwortlich sind. Reis kocht man eben auf offenem Feuer und Brot muss in einem Ofen gebacken werden. Das prägt die Esskultur eines Landes.

Es droht ein schwarzes Loch

Nun ist es aber so, dass in den modernen Küchen auch hier Backöfen groß wie Hühnerställe eingebaut werden. Sie sind mit allen Schikanen ausgestattet und werden direkt von hochdiffizilen Sensoren eines Satelliten überwacht, der ein paar Kilometer weiter oben kreist. Koch oder Köchin stehen dann ziemlich ratlos vor diesem schwarzen Loch. Sie wagen kaum einen Knopf zu drücken, aus Angst, dass da ein Greifarm ausfährt, sie aus lauter Frust ergreift und hineinzieht, weil er sich sonst aus Langeweile selbst den Ste­cker ziehen würde.

Es ist daher naheliegend, dass so ein Ofen zweckentfremdet wird. Mir wurde von einer Familie erzählt, die dort ihre grüne Box mit dem Bioabfall lagert. Das ist aber nicht das Außergewöhnliche daran, sondern die Tatsache, dass hier überhaupt jemand den Abfall trennt.

Fakt ist hingegen ein Erlebnis, wo ich selbst Zeuge einer „erweiterten Nutzung“ eines Backofens wurde:

Ich war zu Gast bei einer Thaifamilie mit zwei halbwüchsigen Buben. Da sie immer bloß mit ihren iPhones beschäftigt waren, sann ich auf Abhilfe, entsprechend der Erkenntnis, dass man etwas als Ersatz anbieten muss, bevor man es verbietet. Ich lud die beiden Jungs ein, mit mir in den Supermarkt zu gehen, mit der Absicht, dort die Zutaten für einen Schokoladenkuchen zu kaufen und diesen dann zuhause gemeinsam zu backen. Die beiden fanden den Vorschlag mäßig lustig und kamen entsprechend motiviert mit. Sie hätten sich lieber noch ein paar hundert Flugzeuge auf ihrer Playstation um die Ohren geschlagen, wo gerade jeder ein Godzilla sein durfte.

Schwer bewaffnet mit Backgerät und allen Zutaten tauchten wir in der Küche auf und machten uns an die Arbeit. Die Jungs bestach ich mit einer Tafel Schokolade, um sie zu motivieren und klarzumachen, dass dies nur das Basis­produkt sei, das Endresultat sei „megageil“ oder so. Erstaunlicherweise fanden die zwei Spaß an der Zubereitung. Sie schäumten Eigelb mit Zucker auf, die Verwandlung von Eiweiß in Schnee rief Erstaunen hervor – endlich Schnee in Thailand – die Schokolade wurde im Bain-Marie zusammen mit Butter geschmolzen, gemahlene Mandeln, Mehl und Backpulver dazu und ab in die gebutterte Cakeform.

Leider hatte ich vergessen, den Backofen vorzuheizen, aber das war nur eine Bagatelle. Einer der Jungs schob die Form hinein, programmierte auf 180 Grad, bei 45 Minuten. Geschafft. Sie verwandelten sich wieder in Gozillas, während ich die Spülmaschine einräumte. Leider gibt es immer noch keine Playstation, die das erledigt.

Nach einiger Zeit machte sich ein sonderbarer Geruch in der Küche breit. Es roch immer penetranter nach Gummi, nach verbranntem Gummi. Dann drang eine dünne Rauchfahne aus dem Ofen. Ich riss die Klappe auf, der Geruch traf mich wie ein Schlag, aber ich zog geistesgegenwärtig die Backform heraus.

„Gâteau au Nike“

Ein Blick in die Tiefe des Ofens machte alles klar: Dort waren Turnschuhe! Die Gummisohlen klebten schon am Gitter fest! Der Ofen wurde von der Familie ausschließlich dazu gebraucht, die regennassen Schuhe zu trocknen.

P.S.:

Der Schokoladenkuchen kann mit einem Stück Nike-Sohle jederzeit originalgetreu nachgebacken werden. Siehe Rezept oben.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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