MADRID: Ein ebenso historischer wie umstrittener Schritt in Spanien: Sprachen, die nur in den jeweiligen Regionen zu 100 Prozent offiziell sind, dürfen künftig auch im Unterhaus verwendet werden. Das sorgt für Streit - und für mehr Arbeit für Simultanübersetzer.
Bei den Debatten im spanischen Parlament werden Ohrhörer zum unerlässlichen Gadget. Mit 180 zu 170 Stimmen billigten die Abgeordneten im Unterhaus in Madrid am Donnerstag eine umstrittene Satzungsänderung, nach der dort künftig auch die sogenannten Co-Amtssprachen des Landes zugelassen sind. Da die große Mehrheit der Politiker im «Congreso de los Diputados» Baskisch überhaupt nicht versteht, aber auch mit Katalanisch und Galicisch große Schwierigkeiten haben dürfte, werden die Abgeordneten auf die Simultan-Übersetzer und -Übersetzerinnen angewiesen sein.
Die Zeitung «El País» bezeichnete dies als «historischen Schritt». Bisher war im Unterhaus nur das gemeinhin als Spanisch bekannte Kastilisch zugelassen. Die Neuerung war bereits vor der Abstimmung bei den Debatten über die Satzungsänderung am Dienstag probeweise eingeführt worden. Die 33 Abgeordneten der rechtspopulistischen Partei Vox verließen aus Protest den Saal. Der Vorstoß gilt als ein Zugeständnis der Sozialisten (PSOE) an die verschiedenen Regionalparteien, deren Stimmen der geschäftsführende Ministerpräsident Pedro Sánchez benötigt, um nach der vorgezogenen Parlamentswahl vom 23. Juli weiterregieren zu dürfen.
Die PSOE hatte bei der Wahl nur den zweiten Platz hinter der PP von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo belegt. Bisher hat aber keiner der beiden ausreichende Unterstützung anderer Parteien zur Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit. König Felipe VI. beschloss, dass Wahlsieger Feijóo sich als erster Kandidat auf das Amt des Ministerpräsidenten der Abstimmung im Unterhaus des Parlaments stellen soll. Diese wird am 27. September stattfinden.
Feijóo dürfte allerdings aller Voraussicht nach scheitern. Dann wird es Sánchez versuchen. Ihm werden mehr Chancen eingeräumt. Neben den Stimmen des Linksbündnisses Sumar und kleinerer Regional-Parteien bräuchte er die Unterstützung der Partei Junts des in Belgien im Exil lebenden Separatistenführers und spanischen Justizflüchtlings Carles Puigdemont. Dafür fordern die Separatisten unter anderem eine Amnestie für jene «Catalanistas», die an dem gescheiterten Abspaltungsversuch vom Herbst 2017 teilnahmen.