Marke von 100.000 Corona-Toten überschritten

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, zeigt auf einer Pressekonferenz eine Deutschlandkarte, auf der die Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) dargestellt ist. Foto: epa/Filip Singer
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, zeigt auf einer Pressekonferenz eine Deutschlandkarte, auf der die Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit (COVID-19) dargestellt ist. Foto: epa/Filip Singer

BERLIN: Als Naturkatastrophe in Zeitlupe bezeichnen manche Experten die Corona-Pandemie. Nach RKI-Statistik entspricht die Zahl der Gestorbenen hierzulande jetzt ungefähr der Einwohnerzahl so mancher Großstadt. Und dabei dürfte es nicht bleiben.

Seit Beginn der Pandemie sind in Deutschland mehr als 100.000 Menschen an oder mit dem Coronavirus gestorben. Das geht aus Zahlen von Donnerstagmorgen hervor, die den Stand des Dashboards des Robert Koch-Instituts (RKI) von 03.47 Uhr wiedergeben. Demnach meldeten die Gesundheitsämter jüngst 351 Todesfälle binnen 24 Stunden, insgesamt sind es nun 100.119. «Hinter dieser Zahl stehen 100.000 Menschen, die ihr Leben verloren haben. Und noch viel mehr Kinder, Eltern, Geschwister, Partner*innen, Freund*innen, Kolleg*innen, die um sie trauern», schrieb das RKI dazu auf Twitter. Eine Vielzahl der Todesfälle sei vermeidbar, etwa durch Impfung.

Wer waren diesen Menschen? Der RKI-Wochenbericht (Stand 18. November) erlaubt zumindest eine Annäherung: Der überwiegende Großteil der Gestorbenen, 86 Prozent, sei 70 Jahre und älter gewesen. Mit dem Alter steigt bei Corona das Risiko für schwere und tödliche Verläufe. Die Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 20, die in dem Zusammenhang starben, ist laut Bericht mit 33 wesentlich niedriger. Die Todesfälle bei jungen Menschen prüft das RKI einzeln.

Neben dem Alter gehen auch eine Reihe von Vorerkrankungen und Behinderungen mit einem höheren Covid-19-Risiko einher. Wie die Ständige Impfkommission aufzählte, gilt das etwa bei dialysepflichtigen chronischen Nierenerkrankungen, Demenz, Down-Syndrom, starkem Übergewicht, Diabetes, bestimmten Lungenerkrankungen und psychiatrische Erkrankungen wie schwerer Depression. Auch Schwangere haben ein deutlich erhöhtes Corona-Risiko: Ärzte berichteten wiederholt von Fällen, in denen Babys noch gerettet werden konnten, die Mütter aber starben.

Es gibt aber auch noch weitere Faktoren: Während der zweiten Welle im vorigen Winter stellte das RKI fest, dass der Anstieg der Todesfälle in sozial benachteiligten Regionen Deutschlands am stärksten ausfiel.

Mit täglichen Meldungen einer abstrakten Zahl von Toten gingen durchaus auch Gewöhnungseffekte einher, sagte der Soziologe Matthias Meitzler von der Universität Passau. Das klinge zwar hart, lasse sich aber nicht ganz vermeiden. «Wir können nun mal nicht um alle Menschen trauern. Ansonsten würde unser Alltag schlichtweg nicht funktionieren», sagte der Trauerforscher. «Das macht betroffen, das schockiert, aber es sind nun mal in der Regel keine persönlichen Verluste aus dem unmittelbaren Umfeld.» In der Trauerkultur habe Corona einiges durcheinandergebracht, ob beim Abschied am Sterbebett oder bei Trauerfeiern. Meitzler sprach von einer «weiteren Privatisierung von Trauer».

Die meisten Corona-Toten gab es laut RKI im vergangenen Winter mit teils mehr als 1000 pro Tag gemeldeten Fällen. Damals starben auch nach Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen viele Menschen. Momentan sind die Sterbezahlen wesentlich niedriger, obwohl es deutlich mehr Infektionen gibt. Am Donnerstag erreichte die Sieben-Tage-Inzidenz einen Höchststand von 419,7. Die Zahl der binnen eines Tages übermittelten Corona-Neuinfektionen überschritt erstmals die Schwelle von 70.000. Die Gesundheitsämter meldeten laut RKI-Angaben 75.961 Fälle in 24 Stunden. Von diesen Menschen stürben in zwei bis drei Wochen einige Hundert, mahnte das RKI.

Dass jetzt weniger Infizierte sterben, liegt auch daran, dass große Teile der Bevölkerung geimpft sind - insbesondere bei den besonders gefährdeten älteren Menschen. Die Schutzwirkung der Impfung vor einem coronabedingten Tod schätzte das RKI schätzte das RKI für die vergangenen Wochen bei Menschen ab 60 meist auf über 85 Prozent. Unter den Patienten, die eine intensivmedizinische Behandlung bekommen, liegt die Sterblichkeit laut Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bei 30 bis 50 Prozent.

Um die Zahl der Corona-Toten aber dauerhaft niedrig zu halten, müssten deutlich mehr Menschen in Deutschland geimpft sein. Sollte es da keinen Fortschritt geben, müsse sich Deutschland auf mindestens 100.000 weitere Corona-Tote vorbereiten, «bevor sich das Fahrwasser beruhigt», sagte kürzlich der Berliner Virologe Christian Drosten. «Das ist eine konservative Schätzung.» Er leitet die Zahl durch vergleichende Überlegungen mit Großbritannien her.

Laut RKI gehen in die Statistik Todesfälle ein, bei denen ein laborbestätigter Corona-Nachweis vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind. Erfasst werden demnach sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, als auch Infizierte mit Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend die Todesursache bestimmen lässt.

Im Vergleich zu einigen anderen Industrienationen steht Deutschland noch relativ gut da, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) in Baltimore hervorgeht. Deutlich mehr Tote pro 100.000 Einwohner sind es in Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien. Fast doppelt so viele Corona-Tote pro 100.000 Einwohner wie Deutschland verzeichnen die USA, mehr als drei Mal so viele sind es in Bulgarien. Dagegen gibt es in Dänemark bislang weniger als halb so viele Corona-Tote pro 100.000 Einwohner wie in Deutschland. Allerdings ist zu beachten, dass die Zahlen etwa wegen unterschiedlicher Meldesysteme nur bedingt Vergleiche zulassen.

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Jürgen Franke 28.11.21 19:20
Es ist völlig klar, dass immer wieder auf
die Wichtigkeit einer Impfung hingewiesen wird. Auf die Möglichkeit, sich selbst zu schützen, insbesondere auf die Stärkung seines Immunsystems hinzuweisen, wird geflissentlich übersehen. In den USA z.B. sind 60% der Bevölkerung übergewichtigt. Dazu kommen falsche Ernährung, Pillenkonsum und Rauchen, die nicht gesundheitsfördernd sind. Abstand halten und Maske tragen, sind angesagt, damit man nicht noch zum Xten Mal geimpft werden muß.
Jürgen Franke 28.11.21 18:50
Die Rentenkasse atmet zwar auf, aber
unter den Toten werden auch einige Steuerzahler sein, die dem Staat fehlen. Ob es zu einer erheblichen Übersterblichkeit gekommen ist, werden uns später die Statistiker sagen, wenn exakte Zahlen vorliegen. Teile der horrenden Gewinne der Pharmaindutrie fließen auch in die Staatskasse, sofern sie in Deutschland Steuern zahlen.
Marc Weber 27.11.21 00:40
@See You
Schöner Name, schönes Foto. Anonym lässt sich ja leicht stänkern. Wenn sie vom Bevölkerungszuwachs nichts mitbekommen haben gehören sie ja wahrscheinlich zu den „Dampfbacken“. Oder meinten sie Dumpfbacken? Ich hoffe nur, dass sie zum Bevölkerungszuwachs nichts beitragen. Das würde ja dann fatal enden.
SeeYou 26.11.21 21:20
@Marc Weber
Bei der von Dir erklärten "rasanten Bevölkerungszunahme" müsste statistisch gesehen auch die Anzahl der "Dampfbacken" zugenommen haben. Jetzt wird mir natürlich einiges klar!
Marc Weber 26.11.21 19:20
Die lieben Verstorbenen
Wie viele Verstorbene ohne Covid gab es denn in den letzten 2 Jahren in Deutschland?? Davon erfahren wir nichts. Bei der rasanten Bevölkerungszunahme müssen die Todeszahlen natürlich auch rasant steigen. Sonst wäre etwas nicht normal. Mehr Einwohner=weniger Sterbefälle?
Ling Uaan 26.11.21 16:00
An oder mit?
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat viele Obduktionen durchgeführt und dabei festgestellt das ca.
20% der Corona toten an einer Erkrankung der Lunge und Atemwege versterben
20% an Thrombosen
20% an Herzinfarkt
20% an Schlaganfall und
20% an multiplen Organversagen
Corona befällt ja nicht nur die Lunge sondern kann ALLE Organe UND auch das Blut befallen. Die Blutblättchen werden dann etwas spröder und können dann auch leichter verlumpen, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen, wie man aus den Obduktionsergebnissen sehen kann.

Ob Corona nun die einzige Ursache oder „nur“ der „Brandbeschleuniger“ war ändert nichts an der Tatsache dass viele der Verstorbenen noch ein paar Jährchen ohne Corona gehabt hätten.

UND es wurde glaubhaft versichert das seit Corona nicht mehr Dachdecker versterben als sonst, egal ob von der Leiter, dem Dach oder von Mutti gefallen. 55555

Und wie viele Leute an Krebs versterben weil sie nicht mehr zur Behandlung angenommen werden (Triage), weil all die ungeimpften Corona Patienten alle Krankenhäuser unnötiger Weise füllen weiß man nicht. Wir jedenfalls haben einen Verwandten auf diese unschöne Weise verloren.
Hans Wopalensky 26.11.21 12:10
An oder mit
Genau das ist die Frage. Aber eben dies sagt man nicht, weil man gerne auch Leute mit Herzinfarkt, Krebs, Autounfall oder von der Leiter gefallene Tote zu den Coronatoten zählt. Hauptsache der PCR test war positiv.