Seit 2010 haben unsere Politiker 330 Milliarden Euro an Griechenland-Hilfen in den Sand gesetzt. Auf Deutschland entfallen davon etwa 60 Milliarden Euro. Während der Niederschrift dieser Kolumne kündigt FOCUS Online 74 Milliarden neue Hilfen für Griechenland an. Macht es Sinn, weiter in ein Fass ohne Boden zu bezahlen?
Man darf sich schon wundern, mit welcher Verbissenheit an einem offensichtlich nicht zielführenden Kurs festgehalten wird. Die Physikerin Merkel müsste eigentlich wissen, dass es keinen Sinn macht, einen Versuch, der nicht funktioniert immer und immer wieder zu wiederholen. Im Grunde geht es seit 5 Jahren immer um dieselbe Frage: Wie kann der griechische Haushalt ausgeglichen werden? Ausgaben runter oder Einnahmen rauf? Die griechische Regierung möchte verständlicherweise nicht an den Ausgaben schrauben, sie verspricht daher regelmäßig hoch und heilig die Steuereinnahmen zu erhöhen. Passiert ist bisher nichts. Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) und/oder die Troika (die neuerdings lächerlicherweise „Institutionen“ genannt wird), begreifen langsam aber sicher, dass der griechische Staat überhaupt nicht ernsthaft versucht, Steuern einzutreiben. Beispiele dafür sind endlos, man denke nur an fehlende Katasterämter, problemlose Steuerstundungen von 100 und mehr Monaten zwischenzeitlich 7 Jahre (!) nach der Finanzkrise von 2008.
Zwischenzeitlich sind sich fast alle führenden Ökonomen einig: Griechenland wird seine Schulden nicht zurückbezahlen können. Dennoch liest und hört man in der öffentlichen Diskussion nach wie vor, man dürfe nicht nur ans Geld denken, sondern müsse auch die politische Dimension bedenken. Außerdem bestünde die Gefahr eines Domino Effektes, wenn Griechenland aus der Eurozone gedrängt würde.
Begehrlichkeiten werden geweckt
Leider sind diese Argumente - zumindest im Jahr 2015 - allesamt falsch. Zugegeben, vor fünf Jahren konnte keiner wissen, wie die Finanzmärkte im Falle eines Grexits (des Austritts Griechenlands aus der Eurozone) reagiert hätten. Heute ist diese Ansteckungsgefahr allerdings nicht mehr gegeben, denn alle privaten Gläubiger Griechenlands haben zwischenzeitlich den Großteil ihres Geldes wieder und haben sich schleunigst aus dem Staub gemacht. Eine Ansteckungsgefahr besteht folglich nicht mehr. Das Gegenteil dürfte richtig sein: Wenn europäische Institutionen fortfahren, ein Land regelwidrig dauerhaft zu unterstützen, dürfte dies Begehrlichkeiten in Spanien, Portugal und Italien wecken. In Spanien sind bald Wahlen und man darf gespannt sein, was passiert, wenn - wie erwartet wird - eine linke Regierung ins Amt gewählt wird.
Genauso falsch ist das politische Argument, man müsse die Griechen um jeden Preis in der Eurozone halten, um die weitere politische Einigung Europas voranzutreiben. Auch hier ist sehr wahrscheinlich das Gegenteil richtig: Der Euro hat sich als Spaltpilz herausgestellt. Seit dem zweiten Weltkrieg gab es nie so viel Zwietracht in Europa wie heute. Es ist Zeit einzusehen, dass es ein Kardinalfehler war, die Währungsunion vor der politischen Union umzusetzen. Die damals verabschiedeten Regeln passen heute nicht mehr. Man dachte damals allen Teilnahmestaaten der Eurozone dasselbe Stimmrecht zubilligen zu können, da erwartet wurde, alle Staaten seien gleichermaßen an Preisstabilität interessiert. In der Theorie stimmt das zwar, doch heute wird beispielsweise Deutschland regelmäßig von der Mehrheit der südeuropäischen Staaten mit inzwischen völlig anderer Interessenlage überstimmt. So wird man auf Dauer nicht weitermachen können.
Es muss einen schon mit Sorge erfüllen, wie wenig Klarsicht und gezielte Maßnahmen zur Überwindung erkannter Probleme bei der Politik in den einzelnen Ländern, aber auch in Brüssel, zu beobachten sind. Die führenden Medien versagen ebenfalls dabei, den Politikern Druck zu machen. Interessanterweise stehen aber auf den Ökonomenrankings in Deutschland, Österreich und auch der Schweiz durchaus Fachleute an erster Stelle, die die Situation realistisch einschätzen und mit ihrer Meinung auch nicht hinter dem Berg halten.
Eines steht Mitte 2015 fest: Wir haben kein Erkenntnisproblem mehr, sondern ein Umsetzungsproblem.
Über den Autor Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |
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