Dagegen und doch dafür

Barley und der Streit um Upload-Filter

Foto: epa/Felipe Trueba
Foto: epa/Felipe Trueba

BERLIN (dpa) - Droht Zensur im Netz? Die Reform des EU-Urheberrechts spaltet nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die CDU. Die unglückliche Hauptrolle spielt allerdings Justizministerin Katarina Barley.

Ist das freie Internet in Gefahr, durch die Reform des europäischen Urheberrechts, der auch Deutschland diese Woche zugestimmt hat? Mehr als 4,8 Millionen Unterzeichner einer Online-Petition fürchten genau das. Regierungssprecher Steffen Seibert winkt ab und spricht an diesem Freitag von einem «fairen Ausgleich zwischen ganz vielfältigen Interessen». Und Bundesjustizministerin Katarina Barley?

Die SPD-Politikerin hat in dieser Geschichte eine ganz undankbare Rolle: Sie ist gegen einen umstrittenen Aspekt des Pakets - und hat am Ende doch zugelassen, dass die Bundesregierung Ja sagt. Dabei hätte ihr Nein gereicht, um die Pläne auf EU-Ebene vorerst zu stoppen.

Stein des Anstoßes ist Artikel 13 der geplanten Neuregelung. Er sieht vor, dass Internetplattformen wie YouTube haftbar gemacht werden können, wenn Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte wie Filme, Texte oder Musik illegal hochladen. Kritiker meinen, das sei verlässlich nur mit dem Einsatz von Upload-Filtern zu verhindern, die schon beim Hochladen von Bildern, Filmen oder Musik die Lizenz prüfen.

«Ich sehe nicht, wie man bei der Anwendung von Artikel 13 um Upload-Filter herumkäme. Da wird man ja niemanden hinsetzen, der sich alle YouTube-Videos anschaut», meint der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer. Die Befürchtung: Die Filter könnten mehr, als nur illegale Inhalte auszusieben.

Sorgen, die auch Barley umtreiben. «Regierungsintern habe ich mich für eine Streichung eingesetzt - trotz großer Bedenken ist Artikel 13 leider Teil der Urheberrechtsrichtlinie geblieben», twitterte sie. Aber am Ende wollte sie für Artikel 13 nicht alles aufs Spiel setzen: «Bei der Reform des europäischen Urheberrechts geht es unter anderem um bessere Vertragsbedingungen für Künstler und Kreative, um grenzüberschreitende Bildungsangebote oder rechtliche Grundlagen für die Entwicklung künstlicher Intelligenz», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Wenn Barley sich innerhalb der Bundesregierung quer gestellt hätte, hätte die mühsam ausgehandelte Reform auf der Kippe gestanden. Denn dann hätte Deutschland sich bei der Abstimmung in Brüssel am Mittwoch enthalten müssen, die nötige qualifizierte Mehrheit wäre nicht zustande gekommen. Die EU-Staaten hätten dann zwar versuchen können, erneut mit dem Europaparlament zu verhandeln.

Bis zur Europawahl Ende Mai wäre die Zeit aber ziemlich knapp geworden - und wer weiß, welche Mehrheiten sich dafür in einem frisch gewählten Europaparlament gefunden hätten. Ein Parlament, in dem der Noch-Ministerin ein Platz sicher ist - schließlich schickt die SPD Barley als Spitzenkandidatin in die Europawahl.

Politiker auch innerhalb der Regierungsparteien sehen die Schuld für das ungeliebte Ergebnis auf beiden Seiten der Koalition aus Union und SPD. «Da hat sich Frau Barley einfach vom Acker gemacht. Ich hätte schon mehr Rückgrat von ihr erwartet», schimpft CDU-Mann Hauer. Am Ende kritisiere er aber beide Seiten. «Wer Merkelfilter sagt, der muss auch Barleyfilter sagen», sagt er in Anspielung auf Twitter-Hashtags zum Thema.

Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken, der sich gegen Artikel 13 und Upload-Filter einsetzt, sieht die Verantwortung für die deutsche Haltung vor allem bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU). «Für mich ist ganz klar, dass das auf höchster Ebene entschieden wurde», sagt er. Justizministerin Barley habe zwei Mal versucht, die Reform in dieser Form zu verhindern. Auch Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) seien gegen Uploadfilter gewesen - hätten sich gegen Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) jedoch nicht durchsetzen können.

CDU-Politiker Hauer zeigt sich überrascht von der Haltung der Bundesregierung und verweist auf den Koalitionsvertrag: «Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu "filtern", lehnen wir als unverhältnismäßig ab», steht dort.

Wölken, Hauer und viele andere Kritiker setzen ihre Hoffnung nun auf eine Abstimmung im Europaparlament voraussichtlich Ende März. «Ich glaube, dass Artikel 13 im Plenum tatsächlich verhindert werden könnte, aufgrund des starken zivilgesellschaftlichen Protests», sagt Wölken. Innerhalb der SPD-Europagruppe habe man zwar noch nicht über eine gemeinsame Haltung beraten. «Aber meine Vermutung ist, dass das Verhandlungsergebnis für viele nicht ausreichend sein wird.»

Hauer klingt ganz ähnlich: «Ich gebe das Thema noch nicht verloren», sagt er - und fordert die Unionskollegen im Europaparlament auf, die Pläne zu verhindern. Pikant ist allerdings, dass sein Parteikollege Axel Voss den Kompromiss federführend für das Parlament ausgehandelt hat.

Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Im September hatte das Plenum mit 438 zu 226 Stimmen noch dafür gestimmt, in Verhandlungen mit den EU-Staaten zu treten. Doch inzwischen bläst der Gegenwind schärfer.

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