Bei den Winzern im Nordwesten Seelands

​Dänischer Wein 

In diesem Licht wirkt der Nordwesten Seelands fast schon mediterran. Foto: Claus Bjørn Larsen/Stub Vineyard/dpa-tmn
In diesem Licht wirkt der Nordwesten Seelands fast schon mediterran. Foto: Claus Bjørn Larsen/Stub Vineyard/dpa-tmn

KALUNDBORG: Die dänische Halbinsel Røsnæs zeigt sich überwiegend flach, von einigen wenigen Hügeln abgesehen. Getreide ist das vorherrschende Gewächs, auf den Feldern ist nichts anderes zu sehen als Ähren, die sich im Wind wiegen. Ab und zu mal ein paar Pferde oder Schafe. Und alle paar Kilometer: Weinreben.

Weinreben? Im Nordwesten Seelands? Klar. Sie heißen Solaris, Souvignier gris, Rondo. Alles Trauben, die im kühlen dänischen Meeresklima gedeihen und die mit dem Niederschlag klarkommen, den der Wind verlässlich trocknet, sobald er gefallen ist.

«Wir haben lange Sonnenstunden, gute Böden für die Reben und Menschen, die sich an den Weinbau trauen», sagt Carl Stub Trock. Er ist einer von denen, die Trauben gepflanzt haben.

Vier verschiedene Weine verkauft er in seinem alten Steinturm in Kalundborg: Einen Schaumwein, zwei weiße und einen Rosé – alle mit Namen aus der Welt der Pferde: Sparkling Stallion, Yellow Yearling, Mellow Mare und Pink Pony. Denn Stub Trock ist auch ein Züchter - vor allem aber hat er eine lange Karriere in Unternehmen hinter sich und plant auch für andere Winzer das Business.

Vom Schweinezüchter zum Winzer

Für Tom Christensen zum Beispiel, dem der Dyrehøj Vingaard gehört, das größte Weingut Dänemarks. 2008 hat Christensen die ersten Reben bei Kalundborg gesetzt. Auch er kam aus einem ganz anderen Bereich: Christensen war Schweinezüchter.

Dann wollte er sich verändern. Den Hof, der heute noch das Herzstück der Farm ist, hatte er schon gekauft. «Ich habe nicht lange überlegt - ich wollte Wein anbauen und habe damit angefangen.»

Offensichtlich hat Christensen einiges richtig gemacht. Seine Weine gewinnen in schöner Regelmäßigkeit Preise und verkaufen sich gut. In seinem Café auf dem Hof steht ein Kühlschrank, aus dem man Wein zum Verkosten nehmen kann - die Zahlung geht, typisch skandinavisch, problemlos mit Kreditkarte, direkt am Kühlschrank.

Gerne führen Christensen oder einer seiner Mitarbeiter auch durch die Reben und erzählen die Geschichte von Dyrehøj.

Spezielle Trauben fürs spezielle Klima

Luca Filannino ist der Kellermeister der Winzerei. Er kommt aus Puglia im Süden Italiens. Filannino hat unter anderem im deutschen Geisenheim studiert und in Italien und Australien gearbeitet - Ländern, die eher süße Trauben produzieren.

«Die Trauben in Dänemark sind ganz anders als die in den südlichen Ländern», sagt er. Das Terroir mit dem kühlen Klima zeige sich in der hohen Säure der Weine ebenso wie in den Trauben, die man hier anbaut. Sie werden speziell für das kühlere, feuchte Klima gezüchtet. «Sie haben ein ganz anderes Aromaprofil als die Trauben, die wir bisher international kennen», sagt Filannino.

Die einzelnen Trauben sind außerdem nicht so eng aneinander gewachsen wie bei vielen altbekannten Sorten. So kann sich Feuchtigkeit nicht so leicht in den Trauben festsetzen und Mehltau entstehen lassen, der die Reben faulen lassen würde.

Schwere Rotweine? Keine Chance

Besonderen Spaß macht dem Fachmann aus Süditalien, dass er in Dänemark alle Freiheiten hat. «In klassischen Weinländern ist es oft schwierig, etwas ganz Neues zu machen», sagt Filannino. In Dyrehøj und auch bei Carl Stub Trock hingegen kann er mit eigenen, teils unkonventionellen Ideen das Beste aus den Trauben herausholen.

Spritzige Weißweine etwa, die überwiegend aus Solaris-Trauben gekeltert werden und oft im Geschmack leicht an Holunderblüten erinnern. Schwere Rotweine werden hier nie wachsen, so Filannino.

Arbeitgeber wie Tom Christensen sind die anderen Winzer auf Røsnæs nicht. Ihre Ländereien sind lange nicht so weitreichend wie Dyrehøj und dessen umliegenden Weinberge. Aber sie haben alle ihre Nische und arbeiten freundschaftlich miteinander - Konkurrenz kennen sie nur mit nettem Umgangston.

Winzerei eher nebenbei

Anders Lejbach zum Beispiel pflegt seine Reben-Reihen im Garten hinter dem Haus. Der allerdings reicht mehrere Hundert Meter bis zur Ostsee. Røsnæs Vingård heißt sein Unternehmen, das er vom Stiefvater geerbt hat. Der war der erste, der die kühne Idee hatte, in Seeland Wein anzupflanzen. «Er hat gewusst, dass der Boden hier für vieles nicht taugt - für Reben aber schon.» Das war 1995.

Seither ist das Weingut stetig gewachsen. Frost gibt es nur selten dank der Nähe zum Meer. Und über den Sommer saugen die Trauben so viel Sonne und Wärme auf, wie sie nur kriegen können. «Geerntet wird meist Ende Oktober, dann sind sie reif», sagt Anders. Seine ganze Familie muss dann anpacken. Denn hauptberuflich macht Anders das Geschäft nicht - er ist noch Manager auf einer Fischfarm.

Ökologisch produzierte Tropfen als Erfolgsmodell

Gleich ums Eck sind Lise Hyttel und ihr Mann zu Hause und haben hier ihre Felder mit 16.000 Rebstöcken, in denen ihr Barfod Vin produziert wird. Ihre Nische: Biodynamische Weine, die den Demeter-Richtlinien entsprechen - und das bedeutet, dass sie im gesamten Prozess vom Anbau der Trauben über die spontane Fermentierung bis hin zur Abfüllung viel zu beachten haben.

«Aber das ist gut so, wir wollen keinen anderen Wein produzieren», sagt Hyttel, die wie ihr Mann viele Jahre in Kopenhagen Architektin war und nun in den Weinanbau eingestiegen ist. Ihr Ansatz wird schon honoriert, obwohl sie noch nicht lange im Geschäft sind.

Einige Sterne-Restaurants in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen am anderen Ende von Seeland servieren Hyttels Weine: nicht nur, weil sie ökologisch hergestellt sind und zur Speisekarte passen, sondern natürlich auch, weil sie von Gästen goutiert werden.

Statt Wein erstmal Cider

An diesen Punkt muss Sofie Saerens mit ihrem Tusen Vin in Holbæk noch kommen. Ihre Winzerei ist ein Corona-Projekt - aber eines, das von langer Hand geplant ist. «Während der Pandemie haben wir uns auf unserer Farm eingerichtet und die Reben setzen lassen», sagt die studierte Biochemikerin, die in einem großen Lebensmittellabor in der Hauptstadt angestellt ist.

Wie bei manchem anderen Winzer stehen auch bei ihnen die Reben schnurgerade in der Landschaft nahe dem Holbækfjord - sie sind nach GPS-Daten gepflanzt worden. «Das kann es uns in Zukunft leichter machen, die Trauben maschinell zu ernten», erklärt sie. Die Technik ist nicht der Feind dieser neuen Generation Winzer, sondern sie wird da eingesetzt, wo sie die Arbeit effizienter macht.

Bis die Trauben bei Tusen Vin aber endlich so weit sind und Saerens sich an das Keltern machen kann, vergeht wohl noch eine Saison. «Mir juckt es schon in den Fingern», sagt sie. «Denn das ist der Prozess, auf den ich mich mit meinem Wissen besonders freue.»

In der Zwischenzeit probiert sie sich schonmal an Apfelwein britischer Art, dem Hard Cider. «In der Nachbarschaft leben einige Apfelproduzenten», sagt sie. Von ihnen hat sie Früchte bekommen - und konnte ihre Edelstahltanks bereits befüllen.

Info-Kasten: Halbinsel Røsnæs

Reiseziel: Die dänische Halbinsel Røsnæs liegt am Großen Belt. Sie ist der westlichste Punkt der Insel Seeland.

Anreise: Mit der Fähre über die Vogelfluglinie (Puttgarden - Rødby) oder via Jütland und Fünen über die Großer-Belt-Brücke. Alternativ per Flugzeug nach Kopenhagen und weiter mit dem Mietauto etwa eineinhalb Stunden nach Røsnæs.

Einreise: Ein Personalausweis genügt. Es gibt aktuell keine Corona-bedingten Einreisebeschränkungen. (Stand: 28. September 2022)

Übernachtung: In Kalundborg und in den ländlicheren Gegenden drum herum gibt es vereinzelt Hotels und andere Unterkünfte.

Informationen: Dänische Tourismusagentur Visit Danmark (E-Mail: daninfo@visitdenmark.com; Website: www.visitdenmark.de)

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