Abhören enger Verbündeter «ist inakzeptabel»

​Dänische Ministerin 

Verteidigungsministerin Trine Bramsen während einer Pressekonferenz auf Holmen in Kopenhagen. Foto: epa/Mads Claus Rasmussen
Verteidigungsministerin Trine Bramsen während einer Pressekonferenz auf Holmen in Kopenhagen. Foto: epa/Mads Claus Rasmussen

KOPENHAGEN: Nach Berichten über eine dänische Unterstützung beim Belauschen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen Top-Politikern durch den US-Geheimdienst NSA hat die Regierung in Kopenhagen sich von dieser Abhörpraxis distanziert. Die jetzige Regierung sei derselben Ansicht, wie sie der frühere Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen bereits 2013 und 2014 geäußert habe, teilte die Verteidigungsministerin Trine Bramsen am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. «Systematisches Abhören enger Verbündeter ist inakzeptabel.»

Ein Rechercheverbund um den dänischen Rundfunksender DR sowie NDR, WDR, «Süddeutsche Zeitung» und weitere Medien hatte zuvor unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, die NSA habe mit Hilfe Dänemarks europäische Spitzenpolitiker gezielt belauscht. Zugrunde liegt den Angaben eine interne Analyse des dänischen Militärnachrichtendienstes FE aus den Jahren 2012 und 2014. Unter den Belauschten waren demnach neben Merkel auch der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sowie Spitzenpolitiker aus Schweden, Norwegen und Frankreich.

Verteidigungsministerin Bramsen teilte mit, zu Spekulationen über mögliche geheimdienstliche Angelegenheiten äußere man sich nicht. Der dänische Militärnachrichtendienst wollte die Berichte auf Anfrage ebenfalls nicht kommentieren.

Der Whistleblower Edward Snowden hatte 2013 die massenhafte und weltweite Ausspähung durch die NSA enthüllt. Neun Quellen haben dem DR nun unabhängig voneinander bestätigt, dass das Abhören mit Hilfe des dänischen Militärnachrichtendienstes FE stattgefunden habe. Wie die beteiligten Medien berichteten, griff die NSA die Telefone der Politiker offenbar über ein vom FE betriebenes Spähprogramm an. Das Ausmaß der dänisch-amerikanischen Zusammenarbeit ist nach Informationen der Rechercheure bislang nicht bekannt gewesen - ebenso wenig wie, dass neben Merkel und Steinmeier auch Steinbrück zu den Abgehörten zählte.

Innerhalb des FE wurde den Berichten zufolge eine heimliche, interne Untersuchung namens «Operation Dunhammer» (Operation Rohrkolben) zu der US-Spionage mittels in Dänemark endenden Unterseekabeln durchgeführt, zu der eine Arbeitsgruppe 2015 einen geheimen Bericht vorlegte. Ein Ergebnis des Dunhammer-Berichts ist laut DR-Angaben, dass die NSA durch die dänisch-amerikanische Zusammenarbeit zielgerichtet Daten von norwegischen, schwedischen, deutschen und französischen Politikern eingesammelt hat. Nach Recherchen von «SZ», NDR und WDR haben die Dänen ihre deutschen Gegenüber oder die Bundesregierung nicht über die Ergebnisse informiert.

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Ingo Kerp 01.06.21 12:20
Es dürfte politisch nicht verwundern, das so mancher Geheimdienst ein Eigenleben führt, neben der Regierung. Leider wird man davon immer nur dann etwas erfahren, wenn es zu spät ist und dabei der Regierung und den Menschen des jeweiligen Landes im Nachhinein schadet.