Covid-Impfung ist wirksam und sinnvoll

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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Corona drückt Lebenserwartung ähnlich wie Zweiter Weltkrieg

OXFORD: Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Lebenserwartung in vielen Ländern einer Studie zufolge so stark gesunken wie seit dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa nicht mehr. In einigen Ländern sei der Fortschritt der vergangenen Jahre in kurzer Zeit zunichtegemacht worden, berichten Forscher des Leverhulme Centre for Demographic Science an der Universität Oxford im «International Journal of Epidemiology». Bei Männern war der Rückgang demnach größer als bei Frauen.

Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler Daten aus 29 Staaten, die meisten aus Europa, darunter Deutschland, sowie Chile und die USA. In 27 dieser Staaten sank demnach 2020 die Lebenserwartung, in 22 Ländern um mindestens ein halbes Jahr. «In westeuropäischen Ländern wie Spanien, England und Wales, Italien, Belgien wurde ein solcher Rückgang der Lebenserwartung in einem einzigen Jahr zum Zeitpunkt der Geburt zuletzt während des Zweiten Weltkriegs beobachtet», sagte Co-Autor José Manuel Aburto.

Am meisten sank die Lebenserwartung von Männern in den USA - um 2,2 Jahre im Vergleich zu 2019. In den USA sei vor allem die gestiegene Sterblichkeit im erwerbsfähigen Alter unter 60 Jahren bemerkenswert, sagte Co-Autorin Ridhi Kashyap. In den meisten europäischen Ländern hingegen habe vor allem die Sterblichkeit bei über 60-Jährigen zugelegt. Bereits im Juni hatte eine Studie im «British Medical Journal» auf die drastisch gesunkene Lebenserwartung in den USA hingewiesen.

Lebenserwartung nennt das Alter, das ein Neugeborenes vermutlich erreicht, wenn die Todeszahlen sich weiter so entwickeln wie zum Zeitpunkt seiner Geburt. In Deutschland lag die Lebenserwartung im August 2021 nach Angaben des Statistischen Bundesamts für Jungen bei 78,6 Jahren und für Mädchen bei 83,4 Jahren. Bekannt war zudem, dass 2020 die Sterblichkeit im Vergleich zu 2019 insbesondere bei über 75-jährigen Männern und Frauen anstieg.

Falsche Angabe zur Sterbewahrscheinlichkeit

Weltweit sind mehr als zweieinhalb Milliarden Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft und haben damit einen guten Schutz vor einem schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf. Trotzdem wird der Nutzen der Impfung nach wie vor angezweifelt. Auf einem Bild, das aktuell auf Facebook kursiert, wird als Zitat verbreitet: «Bei einer Sterbewahrscheinlichkeit von 0,1 % ist es für einen Impfstoff nicht möglich, diese noch weiter zu verringern.» Zugeschrieben werden diese Worte «Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi», einem Arzt für Mikrobiologie im Ruhestand (archiviert). Wird er korrekt zitiert und trifft diese Aussage zu?

Bewertung

Das Zitat ist nicht korrekt wiedergegeben, und die Aussage ist falsch. Die Impfungen sollen nicht nur die Sterbewahrscheinlichkeit verringern, sondern auch vor einem schweren Krankheitsverlauf und einer weiteren Verbreitung des Coronavirus schützen. Im Original bezog sich Bhakdi zudem auf die Altersgruppe unter 70 Jahren - doch auch für dieses Alter liegt die Sterberate nach Einschätzung von Experten höher.

Fakten

Das Zitat ist zunächst einmal deutlich verkürzt. Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, der in der Vergangenheit bereits mehrfach Corona-Falschinformationen verbreitet hat, äußerte sich zur angeblichen Sterbewahrscheinlichkeit im Gespräch mit einem Youtuber im November 2020. Das Video wurde später von Youtube entfernt, weil es laut der Plattform gegen deren Community-Richtlinien verstoßen habe.

Bhakdi sagte damals (ab Minute 10:12): «Wenn Sie unter 70 sind und Sie bekommen dieses Coronavirus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an oder mit diesem Virus sterben, weniger als 0,1 Prozent. Es liegt sogar etwa bei 0,05 Prozent, das heißt 5 von 10.000 werden sterben. In dem Fall ist es nicht möglich für einen Impfstoff, die Sterbewahrscheinlichkeit noch zu verringern, weil sie schon so klein ist.» Im Zitat, das sich auf Facebook verbreitet, fehlt also die Einschränkung, dass sich Bhakdi auf Menschen bezieht, die jünger als 70 Jahre sind.

Die Angabe zur Sterberate ist jedoch ebenfalls nicht so allumfassend gültig, wie es Bhakdi nahelegt. Bei Infektionskrankheiten beschreibt die Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR) den Anteil der Todesfälle an der Zahl der tatsächlich Infizierten - also nicht nur der gemeldeten Infektionsfälle. Sie muss aufwendig gemessen oder berechnet werden. Zudem beeinflussen viele Faktoren, ob jemand in einem bestimmten Land an Covid-19 stirbt - etwa wie gut das Gesundheitssystem und wie krank oder alt die Bevölkerung ist.

Bekannte Schätzungen bzw. Berechnungen liegen deutlich höher als die vermeintliche Sterberate von 0,1 Prozent. Für Deutschland schätzt eine im Oktober 2020 erstmals online erschienene wissenschaftliche Arbeit die Infektionssterblichkeit zwischen 0,5 und 1 Prozent. Weltweit, aber aufgeschlüsselt nach Altersgruppen schätzt eine im Dezember 2020 veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit die Infektionssterblichkeit für 55-Jährige auf 0,4 Prozent, für 65-Jährige auf 1,4 Prozent, für 75-Jährige auf 4,6 Prozent und für 85-Jährige auf 15 Prozent.

Im Video-Interview erwähnt Bhakdi als Quelle für die Angabe, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent liegen soll, eine bekannte Meta-Studie des Epidemiologen Giannis Ioannidis. Darin wurden mehrere nationale oder regionale Berechnungen zusammengeführt und so ein globaler Durchschnitt der Infektionssterblichkeit gebildet. An dieser Studie und ihrer Methode gab es viel Kritik. Auch der Autor selbst weist darauf hin, dass ein durchschnittlicher weltweiter Wert Schwächen bei der Aussagekraft hat. «Die IFR hängt von den betroffenen Umgebung und der betroffenen Bevölkerung ab.» Diese Informationen lässt Bhakdi weg.

Und selbst wenn man fälschlicherweise davon ausgehen würde, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent läge, widerlegte das nicht die Sinnhaftigkeit der Impfung. Denn die Impfung schützt nicht nur davor, an Covid-19 zu sterben, sondern auch vor schweren Verläufen der Erkrankung, die selbst Genesene noch lange beeinträchtigen kann. «Außerdem wird die Weitergabe des Virus in der Bevölkerung reduziert. Je weniger Virus in Deutschland zirkuliert, desto weniger Infektionen und Erkrankungen», erklärt Christine Falk, Biologin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie der Deutschen Presse-Agentur per Mail.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Dracomir Pires 03.10.21 15:00
Und was ist mit den Spätfolgen?
Aha, dies wird vollkommen ausgeblendet. Man darf es nicht mal erwähnen! Warten wir noch 2-3 Jahre, dann wird die Welt sehen, ob die Geschlumpften wirklich besser fahren.