Krise macht dem Lufthansa-Jet A380 zu schaffen

Archivfoto: epa/Lukas Barth
Archivfoto: epa/Lukas Barth

FRANKFURT/MAIN: Der weltgrößte Passagierjet Airbus A380 bereitet seinen Betreibern schon seit einiger Zeit keine Freude mehr. Mit dem Geschäftseinbruch in der Corona-Krise wird die Luft für den Riesenvogel immer dünner.

Auf dem Frankfurter Flughafen ist an diesem Sonntag letztmals für lange Zeit eine Linienmaschine vom Typ Airbus A380 der Lufthansa gelandet. Wegen der weltweit zusammengebrochenen Nachfrage in der Corona-Krise parkt das Unternehmen seine komplette Flotte mit 14 Flugzeugen dieses Typs auf unbestimmte Zeit an den Drehkreuzen Frankfurt und München. Der im Konzern längst eingeleitete Abschied vom größten Passagierflugzeug der Welt könnte sich in der Krise noch beschleunigen.

Die Lufthansa hatte auf den ambitionierten Euro-Flieger große Hoffnungen gesetzt und zur Inbetriebnahme im Frühsommer 2010 kräftig die Werbemaschine angeworfen. Zu Teststarts- und Landungen in Rheinmünster bei Karlsruhe und Leipzig strömten jeweils tausende Schaulustige. Ihren ersten Langstreckenflug mit Passagieren absolvierte die «Frankfurt am Main» nach Südafrika, um die Fußballnationalmannschaft zur Weltmeisterschaft zu bringen. Der erste Linienflug ging dann am 11. Juni 2010 nach Tokio.

Piloten wie Passagiere lieben den Riesenvogel bis heute. So sagt beispielsweise der Lufthansa-Kapitän Uwe Harter: «Es ist wirklich faszinierend, wie agil sich eine A380 fliegen lässt. Im Vergleich zu älteren Airbus-Modellen haben die Ingenieure noch einmal einen enormen technologischen Sprung geschafft.» Vielflieger Torsten Gründer lobt hingegen den Komfort: «Ruhe, Platz, Raum - von allem hat sie ein bisschen mehr.» Der IT-Spezialist bedauert den schleichenden Abschied des Flaggschiffs «außerordentlich», denn kein anderer Jet habe so ruhig in der Luft gelegen wie die A380.

Die Probleme der vierstrahligen A380 zeigten sich schnell im kommerziellen Betrieb. 509 Sitze in der Lufthansa-Konfiguration oder sogar mehr als 800 Plätze in durchgehender Economy-Bestuhlung sind in jedem Flugplan ein nur schwer zu füllender Klotz. Dahinter steckte die Airbus-Idee, die großen Interkontinental-Maschinen an einem Drehkreuz (Hub) mit etlichen Zubringerflügen zu füttern. Ein Konzept, das nur auf wenigen Rennstrecken zwischen den Metropolen der Welt gelingen kann. Konkurrent Boeing hatte sich von vornherein skeptisch gezeigt und keinen Nachfolger des eigenen Jumbos 747 mehr geplant.

Neue Langstreckenflugzeuge mit kerosin-genügsameren Doppel-Triebwerken machten schließlich sogenannte Punkt-zu-Punkt-Verkehre attraktiver. Die Passagiere nutzen gerne neue Direktverbindungen statt mehrmals über die Hubs umzusteigen. Airbus konnte für sein größtes Flugzeug nur 251 Bestellungen einsammeln, von denen aktuell bereits 242 ausgeliefert sind. Hauptkunde waren die arabischen Emirates, die 115 Maschinen betreiben. Im Februar 2019 wurde schließlich die Produktionseinstellung verkündet. Für Singapore Airlines rechneten sich die Riesenflieger so schlecht, dass bereits zwei Maschinen abgewrackt wurden, um wenigstens die Komponenten zu Geld zu machen.

«Die A380 war noch nie das profitabelste Fluggerät. Das haben alle Betreiber gemerkt», sagt der Airborne-Berater Gerald Wissel. Es werde zwar auch nach der Krise noch Strecken geben, auf denen sich ein Einsatz eines solch großen Flugzeuges rechnet. «Aber es werden sicher weniger A380 wieder in die Luft gehen als vor Corona.» Bereits vor der Krise hatte Lufthansa mit dem Hersteller Airbus vereinbart, dass dieser zu einem ungenannten Preis ab 2022 sechs der 14 Maschinen zurücknimmt. Neu bestellt wurden im gleichen Zug 40 zweistrahlige und kleinere Langstrecken-Jets der Typen Boeing 787-9 und Airbus A350-900. Der Boeing-Dreamliner wird erstmals im Lufthansa-Konzern eingesetzt.

Wann und ob überhaupt die A380 mit dem Kranich noch einmal auf große Tour gehen, ist laut Lufthansa nicht konkret absehbar. Wissel rechnet mit einem nur geringen Nachholbedarf an Flugreisen, der einzig auf die Geschäftsreisenden begründet sei. Privatreisende könnten verpasste Urlaube nicht beliebig nachholen und könnten zudem noch länger vorsichtiger agieren als in Vorkrisenzeiten. Und auch die vielen ausgefallenen Messen und Kongresse weltweit würden schließlich nicht nachgeholt. Je länger die Krise anhalte, desto eher fände dann einfach die nächste Ausgabe statt.

Den vorerst letzten A380-Linienflug absolvierte am Sonntag die Maschine mit der Kennung D-AIMM und dem Taufnamen «Delhi», seit 2015 im Dienst und mit gut 25 200 Flugstunden auf der Uhr eigentlich noch ein sehr junges Flugzeug.

Pilot Harter hat die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Konzepts trotz der Airbus-Produktionseinstellung noch nicht aufgegeben: «Man merkt dem Flugzeug an jeder Ecke an, dass von Beginn an eine längere Version geplant war. Mit noch einmal 200 Plätzen mehr würde sich das Flugzeug vielleicht besser rechnen. Eventuell braucht man so etwas ja in zehn Jahren. Mich würde es freuen.»

Kommt es nicht so, müssten Harder und seine rund 200 A380-Kollegen auf ein anderes Flugzeugmuster umschulen. Was aber kein größeres Problem wäre, denn die von Lufthansa bestellte A350 mit zwei Triebwerken nutzt in vielen Bereichen die für die A380 entwickelten Komponenten und Technologien.

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