Cooler Wüstenspaziergänger

Der einmalige Kimi Räikkönen

Der finnische F1-Fahrer Kimi Raeikkoenen von Ferrari. Foto: epa/Ronald Wittek
Der finnische F1-Fahrer Kimi Raeikkoenen von Ferrari. Foto: epa/Ronald Wittek

AUSTIN/MEXIKO-STADT (dpa) - Wehmut? Nein, zumindest nicht spürbar. Groll? Eigentlich auch nicht. Nun sind Gefühlsregungen im Formel-1-Fahrerlager auch nicht gerade die Stärke von US-Sieger Kimi Räikkönen. Er kann seinem Ende bei Ferrari aber vor allem aus privater Sicht Positives abgewinnen.

Der nahende Abschied von Ferrari hat für Kimi Räikkönen etwas Gutes. «Mein neuer Arbeitsplatz liegt 40 Minuten von Zuhause», sagt der Finne mit Wohnsitz in der Schweiz: «Meine Familie wird glücklich sein, ich werde glücklich mit meiner Familie sein.» Groll ist nicht zu spüren bei Räikkönen, wenn er über das bevorstehende Ende seiner Zeit beim italienischen Formel-1-Rennstall plaudert. Wobei plaudern bei Räikkönen relativ ist.

Über das Rennfahren spricht der Finne nicht mit größter Leidenschaft, er fährt aber voll drauf ab - weiterhin, auch mit 39 Jahren. Bei Ferrari muss Räikkönen aber der Zukunft weichen. Der 21 Jahre alte Charles Leclerc wird 2019 an der Seite von Sebastian Vettel fahren.

Auf den Finnen, der noch immer der letzte Ferrari-Weltmeister ist, konnte sich der Deutsche immer verlassen. Beide waren in ihrer Schweizer Wahlheimat auch mal Nachbarn. Nach vier gemeinsamen Jahren bei Ferrari trennen sich die Wege sportlich: Räikkönen wird mit Leclerc tauschen und zum Schweizer Sauber-Team zurückkehren, wo 2001 seine Karriere begann.

Nach einem Jahr wechselte er damals zu McLaren, wurde in den fünf Jahren zweimal Vizeweltmeister, ehe er 2007 bei Ferrari das Cockpit von Michael Schumacher nach dessen erstem Rücktritt übernahm. Auf Anhieb gewann Räikkönen die WM, als er sich wie immer von nichts aus der Fassung bringen ließ und der große Profiteur des damaligen Stallkriegs von Fernando Alonso und Lewis Hamilton in Räikkönens ehemaligem McLaren-Team wurde.

Zwei weitere Jahre fuhr er für die Scuderia, dann musste der Gegenentwurf italienischer Passione für Alonso weichen. Räikkönen versuchte sich in der Rallye-WM, kam aber zur Saison 2012 zurück in die Formel 1. Als er im selben Jahr in Abu Dhabi im Renault dem Sieg entgegensteuerte und Anweisungen per Funk bekam, grummelte Räikkönen: «Lasst mich in Ruhe, ich weiß, was ich tue.»

Er spricht ja öffentlich nicht viel, seine Sprüche aber sind legendär. Die wilden Jahre des Finnen mit Schlagzeilen in den Boulevardblättern samt Bewegtbildern von motorischen Absturzproblemen auf Jachten gehören der Vergangenheit an. Der zweifache Familienvater hat sein Glück gefunden und seine Frau Minttu sowie die beiden Kinder ihr Glück mit ihm. «Heirate einen Mann, der dich zum lachen bringt», riet Räikkönens Frau vor kurzem erst.

Räikkönen kann und macht das. Anfang dieses Jahr schrieb er bei Instagram neben einem Selbstporträt nicht ohne Stolz: «Ich habe diese Selfie-Sache nun auch gemeistert.» Ein anderes Bild zeigt ihn und seine Frau ihm Auto jeweils mit einem Burger in der Hand. «Frau zum Essen ausgeführt», schreibt Räikkönen daneben.

Kult ist ein Spaziergang des Finnen in Bahrain in der vergangenen Saison. Nach einem Defekt am Ferrari schlendert er mit feuerfestem Rennoverall durch die glühend heiße Wüsten-Landschaft am Kurs zurück in die Box. Den Helm behält er dabei auch auf.

Cool blieb er auch bei seinem Sieg in Austin, dem 21. seiner langen Karriere, dem ersten seit März 2013. Seine beiden Kinder seien vermutlich eingeschlafen, meinte er am Sonntag in Austin nach dem Großen Preis der USA. Die seien sowieso mehr an den Kappen interessiert als an seinen Erfolgen.

«Sein Puls muss die ganze Zeit bei 40 liegen, er scheint Frostschutzmittel im Blut zu haben», schrieb Interviewer Martin Brundle bei Twitter. Er hatte Räikkönen die ersten Fragen nach dessen US-Sieg stellen dürfen. Räikkönen sei der am wenigsten aufgeregte Mensch um ihn herum gewesen, meinte Brundle: «Deswegen lieben ihn die Fans, er ist einmalig.»

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