Comeback für «Bibi»?

​Israel steuert auf Neuwahlen zu

Oppositioneller Benjamin Netanjahu spricht vor der Knesset in Jerusalem. Foto: epa/Atef Safadi
Oppositioneller Benjamin Netanjahu spricht vor der Knesset in Jerusalem. Foto: epa/Atef Safadi

JERUSALEM: Israels wankende Regierung bereitet die Auflösung des Parlaments vor - und damit die fünfte Wahl innerhalb weniger Jahre. Dem wegen Korruption angeklagten Oppositionschef Netanjahu kommt der Entschluss sehr gelegen.

Israels Regierungskoalition ist am Ende - und Ex-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hofft auf die Rückkehr an die Macht: Die amtierende Regierung will das Parlament auflösen und damit den Weg zu Neuwahlen ebnen. Sie hat inzwischen keine Mehrheit mehr in der Knesset und scheiterte zuletzt an einer wichtigen Abstimmung. In der kommenden Woche wolle die Acht-Parteien-Koalition das Parlament über dessen Auflösung abstimmen lassen, sagte Ministerpräsident Naftali Bennett bei einer Pressekonferenz am Montagabend in Jerusalem. Bis zur Vereidigung einer neuen Regierung wird demnach der aktuelle Außenminister Jair Lapid vorübergehend das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen.

Netanjahu setzt darauf, sich diesen Posten infolge der politischen Turbulenzen zurückholen zu können. Die XL-Koalition einte bei ihrem Zusammenschluss vor gut einem Jahr vor allem der Wunsch, die Rückkehr des umstrittenen Langzeit-Premiers an die Macht zu verhindern. Der wegen Korruption angeklagte Oppositionschef war zuvor mehr als ein Jahrzehnt Ministerpräsident gewesen. Laut Umfragen könnte Netanjahus Likud-Partei bei einer Neuwahl wieder stärkste Kraft werden. Ob es «Bibi», wie er in Israel genannt wird, dieses Mal gelingen dürfte, eine Regierung zu bilden, ist allerdings unklar.

Die Wahl könnte Medienberichten zufolge Ende Oktober stattfinden. Es wäre die fünfte innerhalb von dreieinhalb Jahren. Und die Bildung einer Regierungsmehrheit dürfte auch diesmal kein leichtes Unterfangen werden.

Als Hauptgrund für die Auflösung der amtierenden Koalition nannte Bennett das Scheitern einer Abstimmung im Parlament. Dabei ging es um die weitere Anwendung von israelischem Recht auf israelische Siedler in den besetzten Palästinensergebieten. Die Acht-Parteien-Koalition war nicht in der Lage, eine Mehrheit für die Abstimmung zu sichern.

Die Auflösung der Knesset bedeutet, dass das israelische Recht für die Siedler vorerst weiter in Kraft bleibt. Andernfalls wäre die Regelung Ende Juni ausgelaufen. Ihr Ende hätte für Siedler wohl massive Probleme in Bezug auf Steuern und Krankenversicherung bedeutet. Die mehrheitlich rechtsorientierte Opposition war zwar grundsätzlich für eine Verlängerung der Regelung, blockierte sie aber trotzdem, um die Regierung unter Druck zu setzen.

Bennetts Regierungsbündnis wackelt schon seit längerem. Im April hatte die politische Zweckgemeinschaft ihre hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Sitze verloren, weil eine Abgeordnete der Koalition den Rücken gekehrt hatte. Vor einer Woche erklärte dann ein weiteres Mitglied seinen baldigen Austritt. Damit würde Bennetts Koalition nur noch über eine Minderheit von 59 zu 61 Sitzen in der Knesset verfügen.

«Wir haben eine gute Regierung gebildet und Israel gemeinsam aus der Krise herausgeholt», sagte Bennett. Unter der Führung der laut Netanjahu «schlimmsten Regierung in der israelischen Geschichte» war es dem Parlament erstmals seit Jahren gelungen, einen Haushalt zu verabschieden. Netanjahus Regierung war an dieser Aufgabe gescheitert.

Die nun angezählte Koalition ist seit dem 13. Juni vergangenen Jahres an der Macht. Getragen wurde das Bündnis von Parteien des gesamten politischen Spektrums, also vom rechten bis zum linken Rand - darunter erstmals eine arabische Partei.

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