Chinesische Firmenübernahmen gehen weiter zurück

Überblick über das Stadtbild von Chongqing. Foto: epa/Wu Hao
Überblick über das Stadtbild von Chongqing. Foto: epa/Wu Hao

DÜSSELDORF: Vor zehn Jahren kamen in Europa Ängste vor einem Ausverkauf der heimischen Industrie an chinesische Firmen auf. Doch der Ausverkauf ist ausgeblieben - auch wegen politischen Misstrauens.

Die Zahl chinesischer Firmenübernahmen in Europa ist auf den niedrigsten Stand seit 2012 gesunken. Im vergangenen Jahr kauften Investoren aus der Volksrepublik in Europa laut einer neuen Analyse der Unternehmensberatung EY insgesamt 119 Unternehmen. Das waren 20 weniger als ein Jahr zuvor, und im längerfristigen Trend fast 200 Übernahmen weniger als im Rekordjahr 2016, wie EY am Dienstag mitteilte.

Nach EY-Schätzung sind auch die Investitionssummen ganz erheblich geschrumpft: 2023 waren es noch zwei Milliarden Dollar, weniger als halb so viel wie 2022. EY wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Kaufpreise bei der Mehrheit der chinesischen Firmenkäufe und -beteiligungen in Europa unbekannt sind.

Auf dem Höhepunkt des kurzlebigen chinesischen Investmentbooms im Jahr 2016 hatte EY die Ausgaben chinesischer Investoren für Unternehmenskäufe in Europa auf fast 86 Milliarden Dollar geschätzt. Seit der Trendwende 2017 gehen sowohl die Zahl der Firmenübernahmen als auch die investierten Summen kontinuierlich zurück.

Fachleute sehen dafür mehrere Gründe: Die Pekinger Führung bremst seit einigen Jahren Kapitalabflüsse aus China ins Ausland, hinzu kommen die politischen Spannungen zwischen China und der westlichen Welt, in jüngster Zeit auch die im Vergleich zu vergangenem Rekordwachstum schwache chinesische Konjunktur.

Deutschland, die Schweiz und Österreich fielen auf niedrigem Niveau leicht aus dem Rahmen, weil die Zahl chinesischer Übernahmen und Beteiligungen sogar zulegte: In Deutschland zählte EY 28 chinesische Firmenkäufe, zwei mehr als im Vorjahr. Das Investitionsvolumen lag mit 202 Millionen US-Dollar laut EY aber auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2010. Nicht in diese Zahl aufgenommen sind Risikokapitalinvestitionen in deutsche Start-ups, an denen chinesische Unternehmen sich beteiligten.

In der Schweiz kauften chinesische Unternehmen im vergangenen Jahr demnach sechs Firmen, doppelt so viele wie 2022. In Österreich wurden zwei Firmen von Chinesen übernommen, 2022 war es lediglich eine.

In Deutschland spielt China demnach nur noch eine untergeordnete Rolle bei den Investitionsaktivitäten ausländischer Unternehmen: Chinesische Käufer belegten mit den 28 Übernahmen und Beteiligungen Platz neun des internationalen Investorenrankings. Sogar Schweizer, Österreicher und in Luxemburg ansässige Firmen kauften demnach jeweils mehr deutsche Unternehmen als die Investoren aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. An erster Stelle lagen US-Unternehmen mit 225 Firmenübernahmen in Deutschland.

Einen Grund für die Entwicklung sieht EY-Fachfrau Sun Yi in politischem Misstrauen, dem chinesische Firmen in Europa begegnen: «Potenzielle chinesische Investoren prüfen sehr sorgfältig, ob die Wahl bestimmter Übernahmekandidaten zu Widerstand bei Regierungen und zu Diskussionen in der Öffentlichkeit führen könnten», sagte die Leiterin der China Business Services für Westeuropa.

Für die nächsten Jahre erwartet die EY-Expertin eher hohe Investitionen chinesischer Unternehmen in den Bau eigener Fabriken in Europa als große Firmenübernahmen. Für chinesische Auto- und Batteriehersteller seien Ungarn, Spanien, Frankreich und die nordeuropäischen Länder wegen niedriger Energiekosten, höherer Subventionen und schneller Genehmigungsprozesse besonders attraktive Investitionsstandorte. «Deutschland wird hier nicht bevorzugt.»

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