China heizt Spannungen mit USA um Taiwan an

Droht Berlin Ärger?

Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, spricht während einer Pressekonferenz mit einer von Pelosi angeführten Kongressdelegation in der US-Botschaft in Tokio. Foto: Eugene Hoshiko
Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, spricht während einer Pressekonferenz mit einer von Pelosi angeführten Kongressdelegation in der US-Botschaft in Tokio. Foto: Eugene Hoshiko

PEKING/TOKIO: Vielleicht sind Chinas Sanktionen gegen die Nummer drei der USA eher symbolisch - dürften in Washington aber nicht gut ankommen. Auch setzt China den Dialog mit den USA über Klimaschutz und andere Kooperationen aus. Ärger mit Peking droht auch Deutschland.

Mit Sanktionen gegen die US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi hat China die Spannungen mit den USA um Taiwan angeheizt. Zudem stoppt Peking den Dialog über Klimaschutz, Militärfragen und andere Kooperationen im Kampf gegen Verbrechen, Drogen und zur Rückführung illegal eingereister Menschen. Wie das Außenministerium in Peking am Freitag mitteilte, richten sich die nicht näher beschriebenen Sanktionen gegen die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses und Nummer drei der USA auch gegen ihre direkten Familienmitglieder. Die Vereinten Nationen mahnten zum Dialog.

Indem die US-Spitzenpolitikerin gegen den starken Widerstand Pekings nach Taiwan gereist sei, habe sie sich «ernsthaft in innere Angelegenheiten Chinas eingemischt». Auch habe sie Chinas Souveränität und territoriale Integrität untergraben und den Ein-China-Grundsatz «schwer mit Füßen getreten». Hua Chunying sprach von einem «unerhörten provokativen Verhalten» Pelosis.

Zum Abschluss ihrer Asien-Reise sagte Pelosi am Freitag in Tokio unterstrich Pelosi die parteiübergreifende Solidarität in den USA mit dem demokratischen Taiwan. «Unsere Freundschaft mit Taiwan ist stark.» Die 82-Jährige warf China vor, Taiwan isolieren zu wollen. Die Führung in Peking sei aber nicht zuständig für Reisepläne von Kongressmitgliedern.

Als Antwort auf die Visite der US-Spitzenpolitikerin in der demokratischen Inselrepublik hatte die kommunistische Führung in Peking schon großangelegte Manöver um Taiwan gestartet, die international auf scharfe Kritik stießen. Ihr Besuch in Taipeh war der ranghöchste aus den USA seit einem Vierteljahrhundert.

Die kommunistische Führung lehnt solche offiziellen Kontakte anderer Staaten zu Taiwan ab, weil sie die Insel für sich beansprucht. Peking sieht das selbst regierte Taiwan als Teil der Volksrepublik an und droht mit einer gewaltsamen Eroberung. Die 23 Millionen Taiwaner hingegen verstehen sich als unabhängig.

Die Vereinten Nationen in New York äußerten sich besorgt: «Für den Generalsekretär gibt es für ihn keinen Weg, die dringendsten Probleme der Welt ohne einen effektiven Dialog und eine effektive Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu lösen», sagte Sprecher Stephane Dujarric.

Für neuen Wirbel könnte eine Reise des Menschenrechtsausschusses des Bundestags sorgen: Die Abgeordneten wollen Ende Oktober nach Taiwan reisen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Die Reise zwischen dem 22. und 30. Oktober soll auch nach Japan und in die chinesische Sonderverwaltungsregion Hongkong gehen. Abgeordnete aller sechs Fraktionen sollen voraussichtlich teilnehmen.

US-Außenminister Antony Blinken warf China vor, mit den Raketentests und Militärübungen den Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße ändern zu wollen. Bei dem Treffen der südostasiatische Staatengemeinschaft Asean im kambodschanischen Phnom Penh sagte Blinken, es gebe keine Rechtfertigung für die militärischen Provokationen nach dem friedvollen Besuch Pelosis in Taiwan, wie ihn ein westlicher Vertreter laut Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen nannte die Manöver und Raketenübungen «unverantwortlich». In einer Videoansprache forderte die Präsidentin die chinesische Führung nachdrücklich zur Vernunft und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren, sondern wolle den Status quo bewahren. Die Präsidentin dankte der G7-Gruppe der sieben führenden Industrienationen, zu der auch die Europäische Union gehört, für deren Unterstützung.

Die G7 hatte ihre Sorge geäußert und betont, es gebe keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand «für aggressive militärische Aktivitäten» zu benutzen. In Peking wurden Botschafter der EU-Länder, Japans, Kanadas und der EU-Vertreter ins Außenministerium zitiert, wo ihnen ein formeller Protest gegen die G7-Erklärung übergeben wurde. Deutschland hat gegenwärtig den Vorsitz in der G7 inne.

In dem internationalen Sturm der Kritik demonstrierten China und Russland den Schulterschluss. Auf dem Asean-Treffen warf Chinas Außenminister Wang Yi den USA seinerseits «Provokationen» und «Einmischung» vor. Bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen in Phnom Penh stellte sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow hinter China. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschrieb Lawrow Moskaus Allianz mit Peking als «Stützpfeiler» des Völkerrechts, wie die Agentur Interfax zitierte.

Die bis Sonntag laufenden Manöver in sechs Meeresgebieten rund um Taiwan zielen auf eine See- und Luftblockade und dienen der Vorbereitung auf eine mögliche Invasion. Taiwans Militär wollte Berichte nicht bestätigen, wonach Raketen auch über die Insel geflogen seien. Japan protestierte dagegen, dass fünf Raketen in Japans nahe gelegener ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ) niedergegangen waren. China hat elf Raketen vom Typ «Dongfeng» (Ostwind) gestartet. Chinas Volksbefreiungsarmee nannte die geübten «Präzisionsschläge» einen vollen Erfolg.

Zum Abschluss ihrer Asienreise traf Pelosi in Tokio mit Japans Regierungschef Fumio Kishida zusammen. Zuvor hatte sie neben Taiwan auch Singapur, Malaysia und Südkorea besucht.

China kritisierte auch erneut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock für ihre Äußerungen zum Taiwan-Konflikt. Die chinesische Botschaft in Berlin warf ihr in einer Erklärung «Unterstellungen», eine «absichtliche Verzerrung von Sachverhalten» und eine Einmischung in innere Angelegenheiten vor.

Die Botschaft bezog sich auf eine Äußerung der Grünen-Politikerin am Montag in New York. Dort hatte sie gesagt: «Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt - und das gilt natürlich auch für China, gerade in diesen Tagen.» Die chinesische Botschaft erklärte, dass diese Äußerungen «jeglicher historischer Kenntnisse» entbehrten und nicht den Tatsachen entsprächen. Taiwan sei kein kleinerer Nachbar Chinas, sondern eine chinesische Provinz.

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