Mutmaßliche Rechtsextremisten senden Drohmails

Foto: epa/Julian Stratenschulte
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BERLIN (dpa) - Bedrohungen gegen Behörden oder Politiker gibt es immer wieder. Nun wird in einer ganzen Serie ermittelt, die auf das Konto von Rechtsextremisten gehen könnte. Dabei geht es auch um Bombendrohungen.

Deutsche Politiker, Gerichte, Behörden und Institutionen sind offensichtlich seit Monaten Ziel von Gewaltdrohungen aus mutmaßlich rechtsextremen Kreisen. Es gehe um mehr als 100 verschickte E-Mails, die mit «Nationalsozialistische Offensive», «NSU 2.0» oder «Wehrmacht» unterzeichnet worden seien, berichteten die «Süddeutsche Zeitung» und der NDR. Darunter waren nach Angaben von Ermittlern auch Bombendrohungen. Bei Durchsuchungen wurden keine Bomben gefunden.

Die Serie soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bereits im vergangenen Sommer begonnen haben. Dass die Absender bislang nicht ermittelt wurden, hängt dem Vernehmen nach auch damit zusammen, dass sie beim Versenden ihrer Botschaften darauf achten, dass diese E-Mails nicht zurückverfolgt werden können. Ob es sich wirklich um Rechtsextremisten handelt und ob möglicherweise auch Trittbrettfahrer unterwegs sind, ist unklar.

Wegen entsprechender Drohungen seien am Montag der Hauptbahnhof Lübeck sowie am Dienstag das Finanzamt Gelsenkirchen vorsorglich geräumt worden, hieß es in den Berichten. Laut Polizei Koblenz gab es am Dienstag auch eine Bombendrohung gegen das dortige Finanzamt. Die Hamburger Polizei sperrte aus dem Grund am Mittwoch kurzzeitig mehrere Straßen, bevor sie Entwarnung gab. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft bestätigte, dass es im Januar Bombendrohungen gegen das dortige Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft gab.

Seinerzeit gingen auch an Landgerichten mehrerer Landeshauptstädte Bombendrohungen ein. Betroffen waren unter anderem Wiesbaden, Saarbrücken, Hamburg, Potsdam, Magdeburg, Erfurt und Kiel. In Kiel war die Bombendrohung laut Polizei mit «Nationalsozialistische Offensive» unterschrieben. Ein Gerichtssprecher in Hamburg erklärte seinerzeit, dass die E-Mail rechtsextreme Bezüge enthalten habe. Laut Polizei Magdeburg drohte ein anonymer Absender mit einem Anschlag auf bundesweiter Ebene. Laut «SZ» und NDR ging eine Drohung auch beim Flughafen Hamburg ein.

Eine einschlägige Mail erhielt am Dienstag nach eigenen Angaben die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke). Ein Unbekannter schrieb darin fehlerhaft: «aber zur Not sind wir dazu Bereit.Bundesweit Briefbomben zu verschicken, oder auch Rizin zu verteilen, oder Bürger auf offener Straße zu exekutieren». Unterschrieben war der Drohbrief mit «nationalsozialistische Offensive».

Die Bundesanwaltschaft legte den Berichten zufolge einen Prüfvorgang an, wollte sich auf Anfrage dazu aber nicht näher äußern. Die Federführung bei den Ermittlungen liegt bei der Berliner Staatsanwaltschaft (Az.: 231 UJs. 181/19), die sich am Donnerstag zunächst nicht äußerte. Ermittelt wird laut den Medien wegen des Vorwurfs der räuberischen Erpressung, der Volksverhetzung und der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.

«Die Gruppierung versendet seit mehreren Monaten mit unterschiedlichen Absende-E-Mailadressen korrespondierende Droh-E-Mails an Behörden und Institutionen im Bundesgebiet, ohne das ein schädigendes Ereignis eintrat», erklärte das Polizeipräsidium Koblenz. «Der Inhalt der E-Mails ähnelt sich jeweils im Sprachgebrauch.»

Nach Recherchen von «SZ» und NDR erhielten neben Politikern auch Anwälte oder Journalisten Drohmails, zudem die Sängerin Helene Fischer, die sich nach den Ausschreitungen in Chemnitz kritisch geäußert hatte. Fischers Management sagte dazu nichts.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte auf dpa-Anfrage, auch er habe in dem Zusammenhang eine Drohmail erhalten. Generell gehe regelmäßig Hasspost ein, ob nun postalisch, per Mail oder über sozialen Medien. Die Zahl könne bis zu mehreren Hundert Zuschriften pro Tag erreichen, teils mit Gewaltdrohungen. «Letzteres schon seit langem nicht mehr anonym und zunehmend aggressiv», so der Zentralrat.

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte, die Drohbriefe der Rechtsextremen könnten der Beginn einer terroristischen Kampagne sein. «Die Nazi-Szene ist breit und tief vernetzt und scheint sich unterhalb des Radars der Sicherheitsbehörden noch relativ unbehelligt zu fühlen.» Renner forderte, Betroffene müssten umfassend informiert und geschützt werden.

Schon länger bekannt ist, dass unter dem Kürzel «NSU 2.0» in den vergangenen Monaten Drohschreiben an eine Frankfurter Rechtsanwältin geschickt worden waren. NSU ist das Kürzel des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, der zehn Menschen erschossen hatte, wofür die einzige Überlebende Beate Zschäpe in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil als Mittäterin verurteilt worden war.

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