Streit um Verbrenner-Aus beigelegt

​Bundesregierung und EU-Kommission

Autos, LKW und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm in der Hauptstadt stadteinwärts. Foto: Michael Kappeler/dpa
Autos, LKW und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm in der Hauptstadt stadteinwärts. Foto: Michael Kappeler/dpa

BRÜSSEL/BERLIN: Mit der Last-Minute-Blockade eines fertig verhandelten Gesetzes hat die Bundesregierung in der EU für Irritationen gesorgt. Jetzt gibt es eine Einigung im Streit um Autos mit Verbrennungsmotor. Was bedeutet sie für Autoindustrie, Klima, Verbraucher und die Ampel-Koalition?

Nach wochenlangem Ringen um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor hat sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission auf einen Kompromiss verständigt. Danach können auch nach 2035 Neuwagen mit einem solchen Antrieb in der EU zugelassen werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden. «Damit eröffnen wir für die Bevölkerung wichtige Optionen in Richtung einer klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität», sagte Verkehrsminister Volker Wissing am Samstag in Berlin. Die Autoindustrie begrüßte die Einigung, Klimaschützer sprachen dagegen von einem «faulen Kompromiss».

Europaparlament und EU-Staaten hatten sich eigentlich schon im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Deutschland bestand allerdings darauf, dass grundsätzlich alle Autos mit Verbrennungsmotoren einbezogen werden, die mit sogenannten E-Fuels betrieben werden. Das sind Kraftstoffe, die mit Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid erzeugt werden. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde von Deutschland zunächst verhindert. Seitdem verhandelten EU-Kommission und Bundesregierung über einen Kompromiss.

Nach der jetzt gefundenen Lösung sollen grundsätzlich alle mit E-Fuels betriebenen Autos zugelassen werden können. Für die Umsetzung wurden laut Wissing konkrete Verfahrensschritte und ein Zeitplan verbindlich fixiert. «Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist», sagte er.

Die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten soll nun kommenden Dienstag stattfinden. Neben Deutschland standen dem Vorhaben ursprünglich auch andere Länder wie Italien, Österreich und Polen kritisch gegenüber. Mit der deutschen Zustimmung gilt es aber als sehr wahrscheinlich, dass die notwendige Mehrheit erreicht wird.

Ob mit E-Fuels betriebene Autos in der Praxis tatsächlich eine Chance haben, gilt aber noch als völlig offen. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nennt als Argument gegen solche Antriebe die hohen Kosten für die Herstellung der Kraftstoffe und die «gruselige Energiebilanz» - bei der Herstellung wird extrem viel Strom verbraucht.

Zu den negativen Auswirkungen der Regelungen zählt Dudenhöffer, dass sie zur Verunsicherung der Industrie bei der Umstellung auf Elektromotoren führen könne. «Chinesen und US-Amerikaner werden durch die neuen Investitionsverunsicherungen den Abstand zur europäischen Industrie beim Elektroauto vergrößern», sagt er.

Die Präsidentin des deutschen Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, reagierte dennoch positiv auf den Kompromiss. Zwar bleibe E-Mobilität die zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. E-Fuels seien jedoch eine wichtige Erweiterung.

Von Greenpeace hingegen kam scharfe Kritik. «Dieser faule Kompromiss untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa», sagte der Mobilitätsexperte der Umweltorganisation, Benjamin Stephan, in Berlin. Die «dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf effiziente Elektromobilität» werde mit der Einigung verwässert. Stephan warf Bundeskanzler Olaf Scholz vor, die «rücksichtslose Erpressung der EU» durch die FDP nicht gestoppt zu haben.

Das ungewöhnliche Blockade-Manöver Deutschlands in der EU geht vor allem auf die FDP-Minister Wissing und Christian Lindner (Finanzen) zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ die beiden allerdings um des Koalitionsfriedens willen gewähren. Scholz begrüßte am Samstag den Kompromiss. Damit sei eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt worden, sagte er bei einem Bürgergespräch in Potsdam. Er machte aber auch deutlich, dass er eine Anwendung der Regelung noch für offen hält. «Wie viele davon Gebrauch machen und ob das überhaupt relevant wird, das kann niemand sagen.»

Die Grünen reagierten am Samstag erleichtert, dass nun endlich ein Kompromiss gefunden wurde. «Es ist gut, dass diese Hängepartie ein Ende hat», sagte Umweltministerin Steffi Lemke. «Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt.»

Es wird allerdings befürchtet, dass sich künftig auch andere EU-Mitglieder ein Beispiel an Deutschland nehmen und bei Streitfragen bereits gefundene Lösungen wieder aufschnüren könnten. Insofern ist noch nicht absehbar, welchen langfristigen Schaden der Streit in der Europäischen Union angerichtet hat.

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Bernd Lange, Berlin 26.03.23 15:20
Fanatiker gehören in keine Regierung
das gilt insbesondere für Umweltfanatiker wie die Grünen- Die Wirtschaftlichkeit entscheidet alleine über die Verwendung irgendwelcher Techniken- es muß also entwicklungsoffen über alle Techniken entschieden werden! Grünenfanatiker haben im Augenblick für Atom -aus gesorgt-und haben Atomendlager in D verhindert--in Finnland is das und damit die Atomtechnik gelöst-insbesonders im Ramen der neuen Atomforschungsergebnisse- mit unseren jetzt abgeschalteten Atomkraftwerken hätten wir jetzt keine
Kohle-Elektro-Autos auf den Strassen--Die Windmühlen der letzten 20Jahren sind in Kürze alle zu verschrotten und zu ersetzen--das hat noch keiner bemerkt-E-Schrott massenweise im Schaden für D und Vernichtung unsers Wohlstandes!
Ingo Kerp 26.03.23 13:50
Ein echter Kompromiß oder ein fauler Kompromiß? Inzwischen weiß man, das Erdoel weiter gefoerdert wird. Keiner weiß bisher, wie man kontrolliert, ob E-Fuel oder Benzin getankt wurde, da es noch keine techn. Maßnahme gibt, die einfach und kostengünstig eine automatische Kontrolle am Auto vornimmt, was es getankt hat. Überhaupt, wo will man hin? E-Fuel oder Wasserstoff oder E-Autos? Ziemlich verwirrend, was in der EU alles an Auto-Ideen kursiert.
Herbert Jochen Schmidt 26.03.23 13:50
Ein weiterer Sargnagel fuer D
Immer nur weiter so !
Denn sie wissen nicht was sie tun... !
Germany is on the highway to hell !!
Hartmut Wirth 26.03.23 13:20
E-Fuels
Dass ein Kompromiss gefunden wurde, ist gut.
Dass Greenpeace den hohen Energieaufwand zur Herstellung von E-Fuels als Argument dagegen in die Waagschale wirft, ist lächerlich und fundamentalistischer Schwachsinn: die Förderung von Erdöl kostet Energie, der Transport von Erdöl kostet Energie, die Herstellung von Treibstoffen aus Erdöl kostet Energie.

Mit den "grünen" Windmühlen kann "energiesparend" Treibstoff hergestellt werden: denn immer dann, wenn wenig oder kein Strom aus den Windmühlen benötigt wird, überwiegend nachts, kann der Strom, der ja produziert wird, dazu genommen werden.
Jetzt "fahren die Windmühlen" nachts oder in verkehrsruhiger Zeiten runter und produzieren keinen Strom, was Verluste bedeutet. Und diese Verluste wurden bisher auf die Kosten der Stromerzeugung draufgerechnet.
Was unterm Strich rauskommt, wird die Zukunft zeigen.
Als kleiner Nebeneffekt wird CO2 aus der Luft genommen und bei Verbrennung wieder abgegeben usw.