Keine Angleichung an EU-Regeln nach Brexit

Foto: epa/ Andy Rain
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LONDON (dpa) - Unternehmerverbände in Großbritannien zeigen sich vor dem Brexit besorgt. Sie fürchten hohe Kosten durch Handelsbarrieren und warnen vor Preiserhöhungen für britische Verbraucher. Doch ihre Forderungen angesichts der Befürchtungen finden beim Finanzminister kein Gehör.

Der britische Finanzminister Sajid Javid hat die Wirtschaft in seinem Land aufgerufen, sich von der Forderung nach einer Angleichung an EU-Regeln nach dem Brexit zu verabschieden. «Es wird keine Angleichung geben, wir werden keine Empfänger von Regeln sein, wir werden nicht im Binnenmarkt sein und wir werden nicht in der Zollunion sein», sagte Javid der «Financial Times» in einem am Samstag veröffentlichten Interview. Unternehmen müssten sich dieser neuen Realität anpassen, so der Schatzkanzler. Immerhin hätten sie nun drei Jahre gehabt, um sich auf eine Veränderung der Handelsbeziehungen mit dem Kontinent einzustellen.

Unternehmerverbände reagierten mit Unverständnis. «Das stellt das Totengeläut für den reibungslosen Handel dar», sagte der Chef des Lebensmittelverbands in Großbritannien (Food and drink Federation), Tim Rycroft. «Es wird bedeuten, dass Unternehmen sich auf teure neue Kontrollen, Prozesse und Abläufe einstellen müssen.» Das könne zu höheren Preisen für britische Verbraucher führen.

Der Chef des Verbands der Automobilhersteller und -händler in Großbritannien (SMMT), Mike Hawes, warnte vor Milliardenkosten, die durch auseinanderdriftende Standards in der EU und Großbritannien entstehen könnten.

Auch die Generalsekretärin des Verbands der britischen Industrie (Confederation of British Industry), Carolyn Fairbairn, zeigte sich besorgt. Selbst wenn die Loslösung von EU-Regeln für einige Unternehmen Vorteile bringe, sei die Anbindung an die EU-Standards für viele andere wichtig, um Jobs und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das gelte vor allem in den wirtschaftlich am stärksten benachteiligten Regionen des Landes.

Großbritannien soll die EU am 31. Januar verlassen. In einer Übergangsphase bis Ende des des Jahres wollen beide Seiten ein Abkommen über die neuen Beziehungen vereinbaren. Als Ziel hat London ausgegeben, keine Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen im Handel einzuführen. Doch Brüssel will sich darauf nur einlassen, wenn sich die Briten auch an EU-Standards in Sachen Umwelt, Arbeitnehmerrechte und staatliche Wirtschaftshilfen einlassen. Zudem drohen so genannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse, wenn sich London nicht langfristig zur Angleichung an EU-Produktstandards verpflichtet. Dann müssten Unternehmen aufwendige Verfahren in Kauf nehmen, damit ihre Produkte für den jeweils anderen Markt zugelassen werden.

Die Konjunktur in Schwung bringen will Javid mit großen Investitionen von Seiten der Regierung, vor allem in die Infrastruktur der wirtschaftlich abgehängten Regionen in den Midlands und dem Norden des Landes. Auch in die Qualifizierung von Fachkräften solle künftig deutlich mehr Geld gesteckt werden. Javid hofft, damit das zuletzt schwache Wirtschaftswachstum und die schon lange niedrige Produktivitätsrate in dem Land zu erhöhen.

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