Britische Regierung streitet um Brexit-Kurs

Britische Premierministerin Theresa May. Foto: epa/Andy Rain
Britische Premierministerin Theresa May. Foto: epa/Andy Rain

CHEQUERS (dpa) - Hinter verschlossenen Türen auf einem Landsitz rauchten am Freitag die Köpfe der britischen Regierungsmitglieder. Sie stritten um den richtigen Kurs beim Ausstieg aus der EU. Zaungäste waren verboten.

Bei den Beratungen der britischen Regierung zum Brexit-Kurs dürfte es am Freitag zum Machtkampf zwischen Premierministerin Theresa May und einigen Ministern gekommen sein. Die Teilnehmer mussten ihre Handys abgeben, um Geheimhaltung zu wahren. Britische Medien spekulierten über mögliche Rücktritte von Brexit-Hardlinern in den nächsten Tagen. Auch Mays Posten wackelt.

Das Kabinett streitet seit Monaten darüber, wie die Modalitäten bei der Scheidung Großbritanniens von der Europäischen Union aussehen sollen. Die Uneinigkeit der Regierung lähmt auch die Brexit-Verhandlungen in Brüssel. Dabei drängt die Zeit: Großbritannien wird sich am 29. März 2019 von der EU trennen.

May wollte ihr Kabinett bei der etwa zwölfstündigen Sitzung auf eine EU-freundlichere Linie einschwören. Ihre Vorschläge präsentierte sie auf dem Landsitz Chequers nahe London. Nächste Woche sollen die Pläne in einem sogenannten White Paper veröffentlicht werden.

Die Regierungsmitglieder sollten die in Chequers getroffenen Entscheidungen akzeptieren und später nicht untergraben, sagte die EU-freundliche Ex-Bildungsministerin Nicky Morgan dem Sender BBC. Wer dies nicht einhalten könne, sollte seinen Rücktritt erwägen. Mindestens sechs Brexit-Hardliner planten übereinstimmenden Medienberichten zufolge, scharf gegen May zu opponieren.

May regiert seit einer Neuwahl im Juni 2017 nur mit hauchdünner Mehrheit und ist leicht angreifbar. Immer wieder wird sie von Brexiteers wie Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis attackiert. Zu den EU-freundlichen Mitgliedern ihres Kabinetts gehört unter anderem Schatzkanzler Philip Hammond.

Das Gerangel um den Brexit verunsichert zunehmend auch Unternehmen; ihnen fehlt Planungssicherheit. Die britische Regierung habe «keine Ahnung und keine Einigkeit, wie sie den Brexit ohne ernsthaften Schaden umsetzen kann», sagte Airbus-Chef Tom Enders vor Journalisten in London. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern mit Sitz in Toulouse beschäftigt in Großbritannien 14.000 Mitarbeiter an 25 Standorten.

Bundesinnenminister Horst Seehofer sorgte unterdessen für Irritationen in Brüssel. In einem Brief, aus dem die «Financial Times» zitierte, hatte der CSU-Chef das Team um EU-Chefunterhändler Michel Barnier gedrängt, in Sicherheitsfragen nach dem EU-Austritt eine «unbegrenzte Zusammenarbeit» mit Großbritannien anzustreben. Ein Sprecher Barniers erklärte dazu nur knapp, das sei «nicht die Position des Europäischen Rates einschließlich Deutschlands».

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